Zwei syrische Frauen mit Schutzmasken - in dem Bürgerkriegsland wurde ein erster offizieller Corona-Fall bekannt Zwei syrische Frauen mit Schutzmasken - in dem Bürgerkriegsland wurde ein erster offizieller Corona-Fall bekannt 

Syrien: Auf Epidemie nicht vorbereitet – Aufruf zu Solidarität

Neun Jahre Krieg, nun obendrauf die Gefahr einer Ausbreitung des Corona-Virus. Dem ist Syrien allein nicht gewachsen, sagt Bruder Georges Sabé von der Gesellschaft Mariens in Aleppo. Im Interview mit Radio Vatikan ruft er zu weltweiter Solidarität auf.

Stefanie Stahlhofen und Adélaïde Patrignani  – Vatikanstadt

Auch Syrien hat nun seinen ersten offiziell bestätigten Corona-Fall: Die Infektion wurde laut Gesundheitsminister Nisar Yasidschi bei einer aus dem Ausland eingereisten Person festgestellt. Viel mehr wurde nicht bekannt. Bleibt die Frage, wie hoch die tatsächliche Zahl der Erkrankten ist – schließlich hat sich das Virus in den Nachbarländern, Türkei, Libanon, Irak und Iran bereits verbreitet.

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Aleppo, die Geisterstadt

In Syrien, das sich immer noch im Krieg befindet, ist es schwierig, Früherkennungstests durchzuführen. Die Region hat  mit Schutzmaßnahmen begonnen, Quarantänestationen eingerichtet,  den öffentlichen Verkehr eingestellt. Schulen sollen vorerst bis 2. April geschlossen bleiben. Aleppo: quasi eine Geisterstadt, berichtet im Interview mit Radio Vatikan Bruder Georges Sabé von der Gesellschaft Mariens in Aleppo:

„Die Gesundheitsbehörden der Stadt oder des Landes haben uns noch nicht gewarnt, in der Stadt oder auf dem Land zu bleiben. Schulen und Universitäten sind geschlossen worden. Alle Menschen sind eingeladen worden, in ihren Häusern zu bleiben, aber es ist eine Einladung, es ist noch keine verbindliche Entscheidung für alle. Die Krankenhäuser versuchen, sich darauf vorzubereiten. Sie sind vorsichtig und erinnern daran, dass wir neun Jahre Krieg hinter uns haben.“

Vor dem Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 war die syrische Hauptstadt Aleppo eine große Handelsmetropole. Nach neun Jahren Krieg liegt die Stadt in Trümmern. Sorge macht sich Bruder Georges angesichts der Corona-Epidemie auch aufgrund der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien:

„Materiell glaube ich, wird das Land leider nicht in der Lage sein, sich gegen eine Epidemie zu wehren“

„Wir haben die mentale Stärke, auch eine Epidemie zu überstehen, weil wir das ganze Drama des Krieges mit großer Belastbarkeit durchlebt haben. Aber materiell glaube ich, wird das Land leider nicht in der Lage sein, sich zu wehren, wenn die Pandemie auch bei uns ausbricht - weil es ein Embargo gegen Syrien gibt. Dieses Embargo betrifft auch den Gesundheitssektor des Landes. Es ist eine dramatische Situation.“

„Katastrophe auf nationaler Ebene“

Nach neun Jahren Krieg könne ein Land, das gerade erst mit dem Wiederaufbau begonnen habe, keine „so ernste Gesundheitskrise“ bewältigen, sagt Bruder Georges. Zumal im Krieg wiederholt auch die Gesundheitsinfrastruktur bombardiert wurde. Sollte sich nun das Corona-Virus in Syrien verbreiten, wäre dies eine „Katastrophe auf nationaler Ebene“, so der Ordensmann. Er fordert daher weltweite Solidarität:

„Wir sind alle betroffen, wir sind alle verwundbar, wir sind alle aufgerufen, Solidarität miteinander zu zeigen. … Heute erlebt die ganze Welt dasselbe, wegen eines Virus. Wir sind eingeladen, uns gegenseitig ins Gesicht zu schauen und zu sagen: ,Wir sind Männer und Frauen‘, wir müssen zusammenstehen, auch wenn es anderthalb Meter voneinander entfernt ist - wir müssen solidarisch miteinander stehen. Ich glaube, dass mein Land, wie andere Länder der Welt, heute solidarisch sein und globale Solidarität spüren muss. “

„Wir sind alle aufgerufen, Solidarität miteinander zu zeigen“

Für diese Solidarität setzt Bruder Georges Sabé von den Maristen-Brüdern in Aleppo auch auf Hilfe durch den Glauben:

„Ich glaube, dass unser Glaube an Jesus Christus, unser Glaube an Gott - unser Glaube an den Menschen, der auch in der Lage ist, einem anderen ins Gesicht zu sehen – dass dieser unser Glaube eine Einladung ist, dem anderen zu begegnen und den anderen so zu lieben, wie er ist - und nicht, neue Kriege in der Welt zu schaffen.“

Die Hoffnung „schüttelt sich in Krisen" 

Auch die aktuelle Fastenzeit in Vorbereitung auf Ostern beschreibt Bruder Georges als Kraftquelle, als „Zeit der Hoffnung, der Solidarität und des Gebets“. Die katholische Kirche in Syrien nutze, ähnlich wie viele andere Länder aufgrund der Pandemie, verstärkt Kommunikationsmittel wie soziale Netzwerke, zudem gibt es feste Gebetszeiten für Kinder und Jugendliche sowie Familien:

„So dass alle auch beten können, obgleich wir räumlich getrennt sind. Wir sind uns so dennoch nahe, in Gedanken und im Gebet. Die Fastenzeit ist auch eine Zeit, die uns einen Blick auf die Hoffnung werfen lässt, die wir nie verloren haben. Jedes Mal, wenn es eine Krise gibt, schüttelt sie sich, aber sie kommt wieder zurück."

(vatican news - sst)

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24. März 2020, 10:34