Lebt seit 2015 auf Mauritius: die Journalistin Esther von Krosigk Lebt seit 2015 auf Mauritius: die Journalistin Esther von Krosigk 

Mauritius: Ein Plastikstuhl für die Beichte am Strand

Die aus Köln stammende Journalistin und Buchautorin Esther von Krosigk lebt seit vier Jahren auf Mauritius. Radio Vatikan sprach mit der Konvertitin über den dortigen Glauben, das Gemeindeleben und die Gemeinschaft der Religionen.

Claudia Kaminski - Vatikanstadt

Auf die Frage, wie sie den katholischen Glauben vor Ort erlebt hat, erläutert von Krosigk: „Ich habe dort immer einen lebhaften Gottesdienst erlebt mit sehr vielen jungen Leuten, mit einer sehr vollen Kirche.  Auch mit engagierten Priestern, obwohl es mittlerweile auch auf Mauritius das Problem gibt, dass die Priester älter und weniger werden. Aber das Gemeindeleben ist sehr lebhaft und am Ende des Gottesdienstes tanzen die Leute, singen, so wie man sich das in Afrika vorstellt.“ Von Krosigk bedauert, dass die Heiligen Messen meist auf Französisch oder in der Landessprache Kreol gefeiert werden.

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Das sei auf einer Urlaubsinsel nicht so ganz glücklich, findet die Konvertitin. Nur einmal im Monat gebe es eine englischsprachige Heilige Messe, sodass viele Touristen den Zugang vielleicht gar nicht bekämen.

„Auf Mauritius vermischt sich alles ein bißchen - und alle pilgern zu Père Laval“

Ob sie denn jetzt das Gefühl habe, zur Gemeinde auf Mauritius dazuzugehören, fragen wir von Krosigk: „Ja und Nein, als Außenstehender ist es schon ein bisschen schwierig, in diesen sehr festen Kreis zu kommen, der sich zum einen aus den weißen Mauritianern zusammensetzt, also der dortigen Oberschicht, auf der anderen Seite aus den Nachkommen der Schwarzen, die dort lange als Sklaven gelebt haben.“ Auf Mauritius mische sich alles ein bißchen. 50 Prozent der indisch-stämmigen Mauritianer seien Hindus. Die Hindus besuchten jedoch auch die christlichen Kirchen und die Heiligen Messen. „Auch Moslems pilgern zu Père Laval (Jacques-Désiré Laval, Spiritaner), das ist sozusagen der Apostel von Mauritius, der „Heilige“, er wurde 1979 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen, und das wird groß gefeiert. Am 9. September, an dem Papst Franziskus dort landet, beginnt eine große Festwoche, an der tausende Mauritianer teilnehmen und eben auch Gläubige anderer Religionen. Das ist faszinierend, denn man sieht Menschen in Saris dorthin kommen, und es beten auch Moslems dort.

Auch Moslems beten dort...

Dass sie das eigentlich nicht dürfen, hat mir der dortige Priester bestätigt." Aber Père Laval, der Inselheilige, sei weithin anerkannt und werde religionsübergreifend ekstatisch gefeiert. Die Journalistin beschreibt auch kurz, wer dieser Selige eigentlich war: „Père Laval kam in den 1840er Jahren nach Mauritius, stammte aus der Normandie und wollte eigentlich Mediziner werden. Man muss ihn sich so vorstellen, dass er quasi aussieht wie ein Zwillingsbruder des Pfarrers von Ars - als ich sein Bild sah, musste ich sofort an ihn denken.“ Auch Laval sei von hagerer Gestalt gewesen, ein unheimlich bescheidener Mensch. Seine Kleidung bekam er geschenkt und er soll in Pappkartons geschlafen haben, weil er selber nichts besaß und auch nichts besitzen wollte. „Dafür hat er aber 60.000 Bekehrungen erreicht. Vor allem unter den ehemaligen Sklaven hat er viele zum Christentum bekehrt, und er hat den Katechismus ins Kreol übersetzt. Er ist wirklich der gefeierte „religiöse Star“ auf Mauritius,“ weiß von Krosigk. Sein Grab befindet sich in Sainte Croix, in der Nähe der mauritianischen Hauptstadt Port Louis. Dorthin strömen die Menschen von der ganzen Insel, legen Blumen nieder, streichen über seinen Sarkophag, weinen, sind sehr emotional. Es sei beeindruckend, das zu erleben, so die Konvertitin.

...und für den lieben Gott macht man sich schön!

Im Hinblick auf das eigentliche Gemeindeleben meint von Krosigk: „Ich würde sagen, es ist sehr eng, man kennt sich auf jeden Fall untereinander. Was ich immer sehr schön finde: Die Leute kommen sehr herausgeputzt in die Kirche, die Frauen haben schöne Kleider an, die Männer tragen meist einen Anzug, die Frauen sind schön frisiert, also man macht sich wirklich schön für den lieben Gott, wenn man zur Messe geht.“ Zwar habe Mauritius immer noch eine Klassengesellschaft, aber in der Heiligen Messe spiele das keine Rolle, da werde zusammen gefeiert.
Genau das aber sei es, was die Menschen auch von dem Besuch von Papst Franziskus erwarten: „Er soll vor allem - weil eben diese Klassengesellschaft noch so besteht - mit einer kleinen Oberschicht und sehr vielen armen Menschen, auf Père Laval verweisen: für den war es völlig egal, ob jemand arm war oder reich. Das wünscht man sich. Mauritius ist auch ein fortschrittliches und reiches Land, leider aber auch mit viel Armenl Die sehnen sich einer Situation zurück, wie sie Père Laval damals im 19. Jahrhundert geschaffen hat - in seinen Augen waren alle gleich.“

Oberschicht versus Unterschicht: Aufstieg unerwünscht

Zum Kontrast der bestehenden Armut in einem so reichen Land erläutert die Journalistin: „Ich denke, es gibt wenige, die wirklich die Chance haben aufzusteigen. Es gibt eben noch dieses „Maid-System“, dass die Reichen noch sehr viele Angestellte haben und auch möchten, dass das so bestehen bleibt. Die Maids verdienen nicht sehr viel, ein Mittlerer Angestellter verdient 300-500 Euro im Monat." Eine Maid liege bei 150 Euro für einen ganzen Monat, so von Krosigk.
Die Lebenshaltungskosten aber seien hoch, sie entsprächen durchaus westlichem Standard und die Immobilienpreise seien immens – sie lägen nur geringfügig unter denen von Dubai. Besonders in den letzten Jahren seien sie stark gestiegen, unter anderem durch den Zuzug von Südafrikanern, die ihr Land verlassen wollen oder müssen und eine Zukunft auf der nur fünf Flugstunden entfernten afrikanischen Insel sehen. Von dort kämen auch Gläubige anderer christlicher Denominationen wie beispielsweise Baptisten.

„Der Conseil des religions sorgt für das friedliche Miteinander der Religionen“

Dabei, so von Krosigk, sei es erstaunlich, wie sich das Zusammenleben der Religionen auf Mauritius gestalte, das in etwa die Größe des Saarlandes hat: „In den 1970er Jahren wurde es sogar gesetzlich festgeschrieben, dass jede Religion einen eigenen Feiertag haben darf; dass in der gleichen Straße eben nicht nur eine christliche Kirche, sondern auch ein Hindu-Tempel oder eine Moschee stehen soll, damit gleiche Rechte gewährt werden. Und dann gibt es den „Conseil des religions“ – einen Religionsrat –, wo sich einmal im Monat alle Vertreter von rund 20 Glaubensrichtungen treffen und Probleme besprechen, wenn sie am Anfang stehen und nicht, wenn sie schon eskaliert sind. Das ist sehr wichtig.“ Es führe zu gutem Einvernehmen und Respekt unter den Menschen und dafür, dass der Frieden ohne Gewaltausbrüche bestehen bleibe.

...wenn der Muezzin während der Heiligen Wandlung ruft

„Wenn man in der Kirche in der Heiligen Messe ist, dann hört man plötzlich den Muezzin aus der Moschee rufen. Dann wird für eine Weile geschwiegen bis wieder Ruhe eingekehrt ist und dann feiert der Priester weiter.“ Man akzeptiere sich gegenseitig und die Devise sei: Lieber eine Religion haben als keine.
Dazu erzählt von Krosigk die Anekdote einer Taxifahrt zur Kirche. Der Fahrer habe im Rückspiegel ihr Kreuz um den Hals gesehen: „Und er hat gesagt: Toll, dass aus dem Westen endlich mal jemand da ist, der zu einer Kirche gefahren werden möchte – das erlebe er eigentlich kaum. Und dann sagte ich zu ihm: Sind Sie denn Christ? Und er antwortete: Nein, ich bin Moslem und ich staune darüber, wie wenig im Westen noch geglaubt wird. Und dann hat er mir auch kein Geld abgenommen vor der Kirche, weil er das so schön fand, dass er jemanden zur Kirche gefahren hat, der weiß ist und ursprünglich aus Europa kommt.“ Diese Geste hat die Konvertitin sehr berührt.

Hoffen auf den Papst und seine Botschaft

Von Krosigk weiß aber auch, was die Menschen sich von Franziskus erhoffen: „Eine Stärkung des Katholizismus auf der Insel. 25- bis 30 Prozent der Menschen sind Katholiken. Das war früher anders. Als die Franzosen das Christentum auf die Insel brachten, gab es natürlich eine Mehrheit an Katholiken.“ Und, so von Krosigk weiter, dass „ diese große Spaltung arm - reich so ein bisschen angesprochen wird von ihm, mehr abgeben von den Reichen an die Armen, mehr Hinsehen auf die Armut in Port Louis und in den ländlichen Gegenden.“  Von den Reichen erwartet von Krosigk derzeit jedoch keine Änderungsbereitschaft: „So wie ich das erlebe, ist man eigentlich ganz froh, so wie es ist. Man darf nicht vergessen, dass die koloniale Ära erst ein paar Jahrzehnte zurückliegt und heute hinter den Mauern auch noch gerne gepflegt wird.“ Das dürfe man eigentlich nicht laut sagen, so die Journalistin. Aber es gebe ein postkoloniales Leben, mit großen Häusern, wo man nicht nach rechts und links schaue, was die Armut betreffe.
Die Feste des Jahreskreises werden auf Mauritius genauso gefeiert wie in Europa, erläutert von Krosigk. Ganz anders seien aber die Lieder – nicht so getragen wie bei uns im deutschsprachigen Raum – es würden eher die französischen Chansons gespielt, was ihr persönlich als Kontrast zu Europa auch gut gefalle. Und durch die Temperaturen habe das alles auch einen anderen Einschlag, es sei mehr „Laissez faire".

„Bei der Beichte am Strand ist die Hemmschwelle nicht so groß“

„Viele Kirchen sind malerisch am Meer gelegen, man hört natürlich auch das Meeresrauschen während der Heiligen Messe, es geht alles ein wenig leichter zu.“ Das liege nicht nur an der Wärme, sondern auch an der Art, wie die Messe zelebriert werde, manchmal mit dem Mikrofon in der Hand und einfach lebhafter. Auch die französischen Chansons, die beispielsweise zur Kommunion gespielt würden, trügen dazu bei. Viel leichter sei auch der Zugang zur Beichte: „Wenn man zur Beichte geht - viele haben ja hier eine Hemmschwelle in die Beichtstühle zu gehen, dann ist es nach der Messe dort so, dass man sich einfach einen Plastikstuhl vom Stapel nimmt, der Priester auch, man setzt sich vor die Kirche ans Meer und fängt einfach an zu reden. Das hat natürlich doch etwas sehr, sehr Leichtes, sehr Befreiendes. Man redet sich alles von der Seele, und manchmal nimmt der Priester deine Hand - das hat etwas sehr Schönes und Leichtes.“ 

Alternative für Kardinal Woelki: Beichte hören am Rhein

Von Krosigk ergänzt, dass sie es genießt, dort zu beichten, da müsse man in ihrer Heimatstadt Köln doch eher mal schlucken, bevor man in den Beichtstuhl gehe. Auf die Frage, ob Kardinal Woelki sich dann jetzt einen Plastikstuhl schnappen sollte, um am Rhein die Beichte zu hören, meint sie lachend: „Unbedingt! Das wäre eine Alternative.“

(vatican news)

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18. August 2019, 11:00