Fronleichnamsprozession im französischen Baskenland Fronleichnamsprozession im französischen Baskenland 

Frankreich: Wenn der Pfarrer zum Guru wird

Es sieht zunächst sehr charismatisch aus: Ein toller Prediger schart Anhänger um sich, alles schwärmt – und auf einmal kippt das Ganze ins Sektenhafte. Sowas passiert auch in kirchlichem Ambiente, in Pfarreien oder Gebetskreisen.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Die französische Kirche hat seit 2015 einen Beauftragten gegen das innerkirchliche Sektenwesen: Alain Planet, Bischof des malerischen Städtchens Carcassone. Planet spricht von mehr als hundert Fällen des „Abgleitens ins Sektiererische“ in Frankreich in den letzten vier Jahren.

„Unsere Gruppe untersucht, hört zu und begleitet die Opfer bei einer Therapie bzw., wenn nötig, bei einer kirchlichen oder geistlichen Prozedur. Wir haben etwa 140 Hinweise bekommen und sind 110 von ihnen nachgegangen. Unsere Rolle besteht auch darin, die Vorgesetzten, also den Bischof oder Ordensoberen, zu alarmieren, damit sie eine kanonische Visitation oder dergleichen durchführen.“

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Auf lange Sicht zerstörerisch

Die Tatbestände, die ihm zur Kenntnis gebracht würden, seien sehr vielfältig, sagt Bischof Planet. „Aber ihr gemeinsames Element besteht darin, dass sich eine Gruppe um eine Person herum bildet. Es kommt also zu einer geistlichen Machtausübung, die verschiedene Formen annehmen kann, aber für die Opfer immer auf lange Sicht als zerstörerisch erlebt wird. Ich habe da die Schilderung einer jungen Frau noch im Ohr, die sich sexuell missbraucht fühlte, auch wenn es gar nicht zu einem tatsächlichen Missbrauch gekommen war.“

Selbsternannte Gurus klinken sich, so analysiert Bischof Planet, aus den kirchlichen Strukturen und Zusammenhängen aus: „Sie sind die einzige Vermittlung zwischen Gott und den Anhängern. Die Begründer dieser sektiererischen Abweichungen sind narzisstische Typen, die Freude an der Unterwerfung anderer haben und den Hunger von Menschen nach dem Absoluten für ihre Zwecke ausnutzen. So paradox das ist: Das Opfer fühlt sich mal in den Wolken, dann wieder tief gedemütigt und ausgeliefert – und der dafür Verantwortliche ist sich übrigens gar nicht unbedingt dessen bewusst, was er da tut.“

„Diese Art Gruppe gibt es bisher nur in Frankreich“

Der Bischof hat den Eindruck, dass die sozialen Netzwerke zum Aufkommen sektiererischer Bewegungen innerhalb der Kirche beitragen. „Die Netzwerke machen Schluss mit der Autorität von oben nach unten; jeder kann da sein eigener Meister werden… Meine Gruppe hängt vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz ab, arbeitet mit Opferverbänden zusammen, aber auch mit der „Miviludes“, der interministeriellen Dienststelle zur Überwachung sektiererischer Umtriebe. Diese Art Gruppe gibt es bisher nur in Frankreich.“

(vatican news)
 

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24. Juni 2019, 11:39