Gelbwestenprotest in Paris vor dem Triumphbogen Gelbwestenprotest in Paris vor dem Triumphbogen 

Frankreich: Kirche beteiligt sich an nationaler Debatte

Die französischen Bischöfe ermutigten Gemeinden landesweit, sich an der großen nationalen Debatte zu beteiligen, die der französische Präsident als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten eingeleitet hat. In den meisten französischen Diözesen fanden daraufhin entsprechende Initiativen statt.

Claudia Kaminski - Vatikanstadt

Die von Präsident Emmanuel Macron ins Leben gerufene Debatte ist in vollem Gange: Mehr als 12.000 Beiträge von Bürgern wurden in den französischen Rathäusern gesammelt und 1.120 lokale Debatten organisiert. Der Ehrgeiz ist groß. „Ich möchte, dass wir den Geist, der mich hierher gebracht hat, wiederentdecken, Lösungen durch die Menschen suchen, ich möchte, dass wir unsere demokratische Praxis durch diese große Debatte verändern“, sagte Macron am 15. Januar.

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Der Präsident nimmt an immer mehr Veranstaltungen teil: Seit Januar war er bei 15 Debatten in mehreren Departements, beispielsweise in Lot im Südwesten des Landes, in Drôme im Südosten und in Eure im Norden Frankreichs.

Abnehmende Beteiligung

Gleichzeitig setzt sich aber die am 17. November 2018 gestartete Protestbewegung der Gelbwesten fort. Der vergangene Samstag war der 14. Tag der Mobilisierung, auch wenn die Beteiligung und Unterstützung der Bevölkerung allmählich abnehmen. Laut Innenministerium gingen bis Samstagnachmittag landesweit nur rund 10.000 Menschen auf die Straße, davon 3.000 in Paris. Zu Beginn der Proteste waren es mehr als 100.000. Wie reagiert die Kirche auf diese Krise?

Eine Kirche vor Ort

In fast allen Diözesen Frankreichs nehmen die Initiativen zu. Auf der Website der Französischen Bischofskonferenz sind sie aufgeführt: Zahlreiche Treffen, Debatten, Konferenzen zum Thema der Gelbwestenproteste in ganz Frankreich. Die Kirche will auf dieses Phänomen eingehen. Darum hat sich etwa Bischof Bernard Ginoux von Montauban eingehend mit einigen der Demonstranten in den fluoreszierenden Westen unterhalten.

Sein Eindruck: „Die Fälle, von denen ich gehört habe, das sind Menschen, die am Rande der Armut stehen, das heißt sie betteln nicht auf der Straße, aber einige können nicht wirklich heizen, andere essen nur einmal pro Woche Fleisch, entweder weil sie arbeitslos sind oder weil sie gesundheitliche Probleme hatten. Das ist ihr Appell an die Regierung: Sie wollen Anerkennung für ihre Arbeit."

„Macron macht einen Marathon für sich selbst“

Bischof Ginoux zufolge ist die Debatte wichtig, aber nicht ausreichend: „Monsieur Macron hat diese große Debatte eingeleitet, aber was wir hier erleben, erweckt den Eindruck, dass er einen Marathon für sich selbst macht, nicht, dass er die großen wesentlichen Fragen dieser Menschen beantwortet.“

Vernachlässigung ländlicher Gebiete

Auch Erzbischof Laurent Ulrich von Lille beobachtet das Gefühl der Verlassenheit der ländlichen Gemeinden. „Der Zorn der Gelbwesten ist in ländlicheren Gegenden stärker ausgeprägt, in der sogenannten Diagonale der Leere. Wir reden schon lange über Paris und die französische Wüste, das heißt, wir interessieren uns nur für Metropolen.“ Die Diagonale der Leere bezeichnet in Frankreich eine imaginäre Linie, die den Nordosten mit dem Südosten des Landes verbindet und sich durch die geringste Bevölkerungsdichte des Landes auszeichnet. Von Strommasten überzogene Felder, anonyme Wohngegenden mit identischen Häusern, Gewerbegebiete – die Geisterstädte des Konsums – und Strassen, die nirgendwohin zu führen scheinen, strukturieren diesen Raum. 

Für ihn ist es das Phänomen ‚Frankreich des TGV‘, das „die Metropolen näher zusammenbringt, aber die dazwischen liegenden Gebiete vergisst“. In seiner Diözese, die von einer „starken Gewohnheit der Mobilität“ geprägt ist, haben einige wenige Treffen stattgefunden oder werden noch stattfinden.

Auch in der Diözese Rennes nehmen die Initiativen zu. Hier ermuntert Erzbischof Pierre d'Ornellas die Gemeinden dazu, sich an der großen nationalen Debatte zu beteiligen. Für ihn ist das Erheben der Stimme ein integraler Bestandteil des demokratischen Prozesses. 

„Nationale Debatte ist beruhigend und konstruktiv“

„Je demokratischer eine Gesellschaft sein will, desto wichtiger ist es, eine Stimme zu haben. Demokratie besteht nicht darin, Entscheidungen blind an einen Staat zu delegieren. Es geht darum, dass jeder sprechen kann. Natürlich geht es darum, diese Stimmen zu organisieren. Die Stimme zu erheben bedeutet, sich anerkannt zu fühlen, und dies weckt ein ursprüngliches Zuhören für die soziale Bindung. Die Verbreitung von Argumenten ist ein wesentliches Element des gesellschaftlichen Lebens, vor allem wenn man in einer demokratischen Gesellschaft lebt. Und es scheint mir, dass diese nationale Debatte beruhigend und konstruktiv ist. Es ist gut, dass die Christen von ganzem Herzen daran teilnehmen, indem sie das Licht der Soziallehre der Kirche einbringen, die gerade diesen Ausdruck und diese Verantwortung, einen wertvollen Schatz für soziale Bindungen, fordert.“

Die Gläubigen können allerdings auch noch mehr tun als sich an der Debatte zu beteiligen, wie Bischof Ulrich betont: „Ich habe die Christen auch eingeladen, für unser Land zu beten, und ich treffe regelmäßig Menschen, die mir sagen, sie wüßten nicht genau, was sie tun sollen, aber sie beten.“

(vatican news - ck)

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18. Februar 2019, 10:59