Papst Franziskus im November bei einem Treffen mit Angehörigen israelischer Geiseln im Gazastreifen Papst Franziskus im November bei einem Treffen mit Angehörigen israelischer Geiseln im Gazastreifen  (Vatican Media) Leitartikel

100 Tage an der Seite der Leidenden

Wir sind nicht neutral. Wir stehen an der Seite der vielen Palästinenser, die in den Trümmern des Gazastreifens ihr Leben verloren haben, darunter 10.000 Kinder. Wir stehen auf der Seite der Unschuldigen, die am 7. Oktober in den Kibbuzim getötet wurden, und auf der Seite der israelischen Geiseln. Wir stehen mit voller Überzeugung auf der Seite der Opfer und Leidtragenden.

Andrea Tornielli – Vatikanstadt

Es macht traurig, wenn man sich an die Zeit erinnert, die seit einer Tragödie vergangen ist. Aber sich daran zu erinnern, während die Tragödie noch andauert, ist furchtbar.

Seit dem 7. Oktober werden 136 Männer, Frauen und Kinder von der Hamas in den Tunneln unter Gaza als Geiseln gehalten. Über sie und ihren Zustand ist nichts bekannt. Wir veröffentlichen heute einen bewegenden Beitrag von Rachel Goldberg Polin – voller Schmerz, aber auch voller Liebe. Von ihrem Sohn Hersh, 23, ist seit jenem tragischen Morgen nichts bekannt, außer dass er möglicherweise einen Arm verloren hat.

Nicht Äquidistanz, sondern Äqui-Nähe

Wir stehen an Rachels Seite, nicht nur wegen ihres würdevollen Leidens, sondern vor allem wegen dem, was sie sagt und schreibt. Wegen ihrer mutigen Erkenntnis, dass es auch auf der anderen Seite des Zauns Mütter wie sie gibt, die leiden. Und von denen viele um die Kinder trauern, die sie verloren haben. Ihre mutige Stimme droht in einem Umfeld, in dem Wut und Rache vorherrschen, einsam zu wirken. Aber das ist nicht der Fall. Nur wenn man den Schmerz der anderen zusammen mit dem eigenen Schmerz anerkennt, können Frieden und Vergebung wachsen.

Die Worte von Rachel sind auch unsere. Es sind die von Papst Franziskus, der uns nicht zu Äquidistanz, sondern sozusagen zu einer Äquivizinanz, zu einer „Äqui-Nähe“ einlädt. Nähe zu denen, die leiden, zu denen, die sterben, zu denen, die nichts mehr haben. Diese Nähe zu den Leidenden auf beiden Seiten wird oft fälschlich als Äquidistanz interpretiert.

Doch wir sind in diesem Krieg nicht neutral. Wir stehen mit voller Überzeugung auf der Seite der Opfer, der Leidenden. Wir stehen auf der Seite der 22.000 Toten unter den Trümmern von Gaza, der 10.000 getöteten Kinder. Wir stehen auf der Seite der Unschuldigen, die am 7. Oktober in den Kibbuzim barbarisch ermordet wurden. Denn jeder Verlust eines Menschenlebens ist eine tiefe Wunde. Rachel hat das verstanden. Und wir mit ihr.

Andrea Tornielli ist Chefredakteur von Vatican News. 

(vatican news)


 

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13. Januar 2024, 15:37