Kardinal Jean Claude Hollerich, hier 2019 beim Konsistorium Kardinal Jean Claude Hollerich, hier 2019 beim Konsistorium 

Kardinal Hollerich zu Wahlrecht für Laien und Synodalität als Horizont

Bei Synoden im Vatikan dürfen künftig auch Frauen und Männer mit beraten und abstimmen, auch wenn sie keine Geistlichen oder Ordensleute sind. Über diese Neuerung und das Thema Synodalität im Allgemeinen hat Vatican News mit Kardinal Jean-Claude-Hollerich, dem Generalrelator für die kommende Synode im Oktober, gesprochen.

Der Luxemburger Erzbischof sieht in der Neuerung eine gewisse Kontinuität, wie er im Interview deutlich macht. Die Entscheidung sei „nicht wirklich neu, denn in der Vergangenheit gab es bereits stimmberechtigte Mitglieder, die keine Bischöfe waren. Es gab keine stimmberechtigten Frauen, wohl aber nichtbischöfliche Mitglieder“, erinnert der Kardinal. „Man kann also sagen, dass diese kleine Gruppe nun größer wird.“

Die Synode bleibe gleichwohl eine „Bischofssynode“, hebt Kardinal Hollerich weiter hervor: „Ja, sie bleibt es, weil die Bischöfe die Mehrheit sind! Es ist Aufgabe der Bischöfe, eine Unterscheidung vorzunehmen, die auf verschiedenen Ebenen erfolgt und schließlich den Heiligen Vater erreicht.“ Die nun als Mitglieder zugelassenen Nicht-Bischöfe werden insgesamt weniger als 25 Prozent der Gesamtmitgliederzahl ausmachen. Der Papst wählt dazu 70 Personen aus einem Pool von 140 Namen aus allen Kontinenten aus, neben anderen Mitgliedern, die er frei ernennen kann und die nicht zwangsläufig Bischöfe sein müssen. Wie bereits bei anderen Bischofssynoden, werden auch zehn Ordensmitglieder teilnehmen, die unter die nicht-bischöflichen Mitglieder mit Stimmrecht gezählt werden - eine weitere Neuerung besteht allerdings darin, dass fünf von ihnen nun aus weiblichen Kongregationen kommen werden.

Alle einbeziehen

„Es geht nicht um eine Analyse oder eine Meditation, nein! Wir sind da, um die Kirche so zu leben, wie Gott sie für unsere Zeit will, um der Welt, unseren Zeitgenossen das Evangelium zu verkünden.“

Mit Papst Franziskus hat sich der Ablauf der Bischofssynoden geändert. Der argentinische Papst machte daraus einen mehrjährigen Prozess mit unterschiedlichen Etappen und integrierte den Austausch mit Gläubigen weltweit in den jeweiligen Diözesen. Bei der folgenden kontinentalen Phase zur Weltsynode über die Synodalität waren ebenfalls Nichtkleriker und auch Frauen beteiligt. Ziel der Weltsynode, die im Oktober in Rom einer ersten Bischofssynode mündet, sei die Frage, „wie wir gemeinsam eine missionarische Kirche sein können, heute und morgen“, so Kardinal Hollerich:

„Ich denke, es ist wichtig, dies zu betonen: Es geht nicht um eine Analyse oder eine Meditation, nein! Wir sind da, um die Kirche so zu leben, wie Gott sie für unsere Zeit will, um der Welt, unseren Zeitgenossen, das Evangelium zu verkünden. Und das ist schön. Die Kirche ist immer synodal gewesen. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt, dass Synode und Kirche gleichbedeutend sind... Der Weg, auf dem wir uns befinden, die Einbeziehung des ganzen Volkes Gottes, zeigt, dass der Heilige Geist uns so führt, dass wir das in die Praxis umsetzen, was das Zweite Vatikanische Konzil und insbesondere die Konstitution 'Lumen gentium' bekräftigt hat.“

Gemeinsam den Willen Gottes suchen

Es gehe dabei um Zuhören, Dialog und auch Bekehrung. Dieses synodale Einüben könne ein positives Gegengewicht zu Tendenzen der Spannung und des Individualismus im postmodernen und digitalen Zeitalter schaffen:

„Wir brauchen Gemeinschaftselemente, um zu überleben. Dann gibt es das Phänomen der zunehmenden Polarisierung, in der Gesellschaft und in den Medien, auch in denen, die sich auf den Katholizismus beziehen. Der gemeinsame Weg des Volkes Gottes ist eine Antwort auf diese Tendenzen. Wohlgemerkt: Es ist nicht so, dass wir die Synodalität ,erfunden‘ haben, um auf diese Tendenzen zu reagieren, sondern es ist der Heilige Geist, der in dieser Zeit den Wunsch nach Synodalität, den schon die ersten christlichen Gemeinschaften hatten, neu entfacht hat. Und es ist ein Weg, auf die Herausforderungen zu reagieren, vor denen wir stehen.“

„Wir haben geweihte Ämter, die Kollegialität der Bischöfe, die Verantwortung für die Kirche, den Primat des Petrus. All dies wird mit der Synodalität nicht abgeschafft. Vielmehr ist die Synodalität der Horizont, in dem die Kollegialität der Bischöfe und der Primat des Papstes ausgeübt werden, um gemeinsam den Willen Gottes zu suchen.“

Spannungen seien auch in der Kirche „normal“, räumt Hollerich ein. Sie bedeuteten, „dass die Kirche nahe bei den Menschen ist, denn nicht jeder denkt auf allen Kontinenten und in allen Fragen gleich“. Deshalb sei es „wichtig, mit viel Respekt auch für unterschiedliche Kulturen zuzuhören, Gottes Willen zu suchen und gemeinsam zu entscheiden, wie es weitergeht“, so der Kardinal. Diese Entscheidungen seien jedoch nicht mit Mehrheitsentscheidungen zu verwechseln, betont Hollerich:

„Ein gewisser kirchlicher Parlamentarismus gehört eher zu der Synodalität unserer protestantischen Brüder. Wir müssen eine katholische Synodalität praktizieren, die anders ist. Wir haben geweihte Ämter, die Kollegialität der Bischöfe, die Verantwortung für die Kirche, den Primat des Petrus. All dies wird mit der Synodalität nicht abgeschafft. Vielmehr ist die Synodalität der Horizont, in dem die Kollegialität der Bischöfe und der Primat des Papstes ausgeübt werden, um gemeinsam den Willen Gottes zu suchen. Es geht also nicht darum, zu sagen: Es gibt dieses Problem, es gibt diese beiden Positionen, wer die Mehrheit hat, gewinnt und so wird es gemacht. Denn das macht die Kirche kaputt, das wollen wir nicht. Als kirchliche Gemeinschaft müssen wir gemeinsam gehen.“

Kein Parlamentarismus

Das Arbeitsdokument für die Bischofssynode vom Oktober, das Ende Mai erscheinen soll, werde „ein kurzer Text“ sein, verrät Hollerich. Er werde an die Teilnehmer verschickt: „Er wird uns helfen, zu teilen, zu partizipieren, damit die Mitglieder der Synode sich ausdrücken können. Ich hoffe sogar, dass die Mitglieder auch die Freiheit haben zu sagen: Lasst uns das wegwerfen, lasst uns etwas anderes machen, auch weil wir eine zweijährige Synode vor uns haben und es keine Eile gibt. Wir dürfen nicht zu einem künstlichen Kompromiss kommen. Wir haben Zeit, um den Ruf Gottes an seine Kirche in der Welt von heute wirklich zu verstehen.“

„Wir sind Katholiken und wir wollen Katholiken bleiben“

Die nächsten Monate sind laut dem Berichterstatter unvorhersehbar, wie er im Interview mit Vatican News verdeutlicht: „Ich denke, wir werden noch viel Arbeit haben, denn es gibt so viele neue Elemente, die Punkt für Punkt zu sehen sind. Und es ist nicht sicher, dass unsere Entscheidungen - die des Berichterstatters, des Generalsekretärs, des Sondersekretärs - befolgt werden müssen, denn alles wird dem Synodenrat und dem Papst vorgelegt. Es gibt keine Synodalität ohne die Bischöfe oder gegen die Bischöfe, und es gibt keine Synodalität ohne Petrus oder gegen Petrus. Alles wird dem Heiligen Vater zur Genehmigung vorgelegt, zu seinem Segen, sonst können wir nicht weitermachen. Wir sind Katholiken und wir wollen Katholiken bleiben!“

Das Interview mit Kardinal Hollerich führte Andrea Tornielli, Chefredakteur der Vatikanmedien. Hier in einer Langversion auf Italienisch.

(vatican news – pr)

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27. April 2023, 11:43