Das Gebäude der Glaubenskongregation Das Gebäude der Glaubenskongregation 

Vatikan veröffentlicht Handbuch zum Umgang mit Missbrauch

Was tun, wenn Missbrauch? Darauf gibt ein neues „Vademecum" der vatikanischen Glaubenskongregation Antworten, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde. Es soll dabei helfen, Kirchenrecht in praktische Handlungen zu überführen, um Missbrauchstaten in der Kirche aufzuklären.

„Delicta graviora“ heißen im Kirchenrecht besonders schwerwiegende Straftaten. Dazu gehört der durch Kleriker an Minderjährigen begangene sexuelle Missbrauch. Die jetzt von der Glaubenskongregation veröffentlichte „Gebrauchsanweisung“ zum Umgang mit solchen Verbrechen beantwortet auf gut 30 Seiten und in neun Kapiteln die wichtigsten Fragen, die bestimmte Verfahrenspunkte bei der Behandlung solcher Fälle betreffen.

Zum Nachhören

Auf Missbrauch reagieren: vom Verdachtsmoment bis zum Urteil

Es handele sich um keinen normativen Text und keine neue Vatikan-Gesetzgebung, erläuterte Glaubens-Präfekt Kardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer zu dem Text. Vielmehr solle das Vademecum (hier auf Deutsch) Bischöfen und Ordensoberen praktische Hinweise an die Hand geben, wie sie mit Missbrauch in der Kirche umgehen sollten.
 
Helfen soll der Text laut Ladaria zudem Rechtsfachleuten und Kirchengerichten, die mit Missbrauchsfällen in der Kirche befasst sind. Es gehe um eine Handlungsanleitung ab „der ersten Nachricht über eine mögliche Straftat bis zum endgültigen Abschluss des Falles", formuliert der spanische Jesuit: „Zwischen diesen beiden Extremen gibt es Zeiten zu beachten, Schritte zu unternehmen, Kommunikation zu aktivieren, Entscheidungen zu treffen“.

Missbrauchsgipfel von 2019 wünschte Handbuch

Angemahnt worden war ein solcher Leitfaden schon länger. So hatten Kirchenvertreter bei einem internationalen Kinderschutzgipfel im Februar 2019 Prozeduren für einen praxisorientierten Umgang mit Missbrauchsfällen angemahnt. Vorsitzende von Bischofskonferenzen, Ordensleute und Fachleute aus allen Ländern waren zu dem Gipfel, auf dem auch Betroffene angehört wurden, in den Vatikan gereist. Sie hatte ihre Eindrücke aus Rom wieder zurück in die eigenen Ortskirchen getragen; einiges ist seither in Punkto Prävention dort schon angelaufen.
 
Worin genau besteht das Verbrechen? Wie sollte es untersucht werden? Welche strafrechtlichen Verfahren sind möglich? Was sollte zuerst, was danach getan werden? Solche Fragen werden in dem Handbuch unter Berücksichtigung der Vatikangesetzgebung beantwortet. Zentraler Punkt dabei ist der Opferschutz. So legt das Buch fest, dass Betroffene und ihre Familien „mit Würde und Respekt behandelt werden“ und auch „spirituelle, medizinische und psychologische Hilfe“ erhalten sollen. „Dasselbe kann in Bezug auf den Angeklagten getan werden“, heißt es in dem Handbuch weiter. 

Missbrauch oder nicht? Alle Fälle ernst nehmen

Allen Informationen über mögliche Missbrauchsfälle müsse gewissenhaft und sorgfältig nachgegangen werden, wird darin weiter festgehalten - selbst wenn sie die Kirche auf anonymem Wege oder über soziale Netzwerke erreichten. Das Beichtgeheimnis bleibe zwar weiter gewahrt, jedoch müsse der Beichtvater, der von Missbrauchstaten erfahre, den oder die Beichtende/n zur Anzeige des Missbrauchs auf anderem Wege auffordern.
 
Mit Blick auf die Prüfung von Missbrauchsvorwürfen empfiehlt das Handbuch zunächst Diskretion. Mutmaßliche Opfer und Zeugen seien zwar nicht dazu angehalten, „über Tatsachen zu schweigen“, gleichwohl wird empfohlen, von einer „unangemessenen und illegalen“ Verbreitung von Informationen abzusehen. Was die Zusammenarbeit der religiösen Institutionen mit dem Staat betrifft, drängt der Vatikan auf mehr Einsatz der Kirche, um Missbrauch vorzubeugen: Auch in Ländern, wo keine Anzeigepflicht besteht, solle demnach Missbrauch bei den zuständigen Behörden angezeigt werden, wenn damit Minderjährige vor weiteren Übergriffen geschützt werden könnten.

Work in progress

Papst Franziskus hatte das Kirchenrecht zu Missbrauch im Mai 2019 verschärft. Mit seinem Motu proprio „Vos estis lux mundi“ fasste er Strafanzeigen neu, führte eine weltweite Anzeigepflicht ein und regelte erstmals Untersuchungen gegen Bischöfe, die Missbrauch vertuschen. Auch stützt sich das Handbuch auf das Motu proprio „Sacramentorum Sanctitatis Tutela“, das 2010 von Benedikt XVI. aktualisiert wurde. Neben rechtlichen Grundlagen sind in den Text Erfahrungen von Kirchenrechtlern, Kirchengerichten und Diözesen weltweit eingeflossen, die im Auftrag der Glaubenskongregation Missbrauch in der Kirche aufgeklärt haben.  
 
Knapp eineinhalb Jahre nach dem Kinderschutzgipfel bringt der Vatikan mit dem Vademecum der Glaubenskongregation also nun „die erste Version 1.0“ der gewünschten Handlungsanweisung in Umlauf. Wie Kardinal Ladaria betont, soll das Handbuch regelmäßig aktualisiert und an die Vatikangesetzgebung und die Maßgaben der Glaubenskongregation angepasst werden, es wird also fortgeschrieben. Um gesetzliche Neuerungen handelt es sich hierbei wohlgemerkt nicht, es geht allein um ein Protokoll, um Missbrauch in der Kirche von A bis Z nachgehen und diesen aufklären zu können.

Im vollen Titel heißt das vorgelegte Handbuch: „Vademecum su alcuni punti di procedura nel trattamento dei casi di abuso sessuale di minori commessi da chierici", der Volltext wurde an diesem Donnerstag von der vatikanischen Glaubenskongregation veröffentlicht.

Lesen Sie hier das Vademecum auf Deutsch.

(vatican news - pr)

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16. Juli 2020, 15:00