Der Papst und die "Kursabsolventen" beim Abschlusstreffen der Scholas-Konferenz Der Papst und die "Kursabsolventen" beim Abschlusstreffen der Scholas-Konferenz  (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Papst: Mobbing zerstört Leben, jeder soll und darf authentisch sein

Papst Franziskus hat über Pläne für eine Argentinien-Reise im kommenden Jahr gesprochen. Auf Nachfrage zu eventuellen Reiseplänen sagte er: „Meine Idee ist, nächstes Jahr zu reisen, wir werden sehen, ob es geht!“. Das katholische Kirchenoberhaupt äußerte sich am Donnerstagnachmittag bei der Abschlussveranstaltung einer internationalen Konferenz von Scholas Occurrentes im römischen Augustinianum.

Christine Seuss - Vatikanstadt

50 Bürgermeister aus Lateinamerika und Europa hatten an der dreitägigen Weiterbildung zu „Öko-Bildungsstädten“ teilgenommen, Franziskus sprach bei der Abschlussveranstaltung mit jungen Menschen aus der ganzen Welt über Krisen von Bildung und Gesellschaft sowie über die Beziehung zwischen den Generationen. Besonders eindringlich wies der Papst vor den Teilnehmern an der internationalen Konferenz, die an diesem Donnerstagabend zu Ende ging, auf die Gefahren von Mobbing in der Schule und im Allgemeinen hin. Jede Person müsse so respektiert werden, „wie sie ist“, gleichzeitig sollte jeder sich „authentisch“ verhalten, so die Einladung des Kirchenoberhauptes.

Bei der Veranstaltung, die durch die Bildungsvereinigung Scholas Occurrentes organisiert wurde, stand folgerichtig auch die Bildung im Vordergrund. Diesbezüglich warnte der Papst vor einer „halben Ausbildung“  und erinnerte an so viele junge Leute, die die Schule abbrächen. Franziskus warnte vor der Verbreitung von Pornographie und einer „Kommerzialisierung der Liebe“, in deren Fänge besonders Heranwachsende gerieten. Auch eine liebevolle Erinnerung an seine Großeltern in Buenos Aires und die Ermutigung, Krisen niemals allein, sondern immer in Begleitung zu überwinden, hatte Franziskus bei der Veranstaltung im Gepäck.

Neapel-Präsident Aurelio De Laurentiis übergibt dem Papst das Trikot mit der Nummer 10
Neapel-Präsident Aurelio De Laurentiis übergibt dem Papst das Trikot mit der Nummer 10

„Die Nummer 10 der Kirche"

Ein Highlight bildete die Übergabe eines Fußballtrikots des italienischen Erstligisten (und diesjährigen Ligameisters) Neapel mit der Nummer 10 – die weit über die italienischen Grenzen hinaus mit Diego Maradona verbunden wird, der lange für Neapel spielte und dort noch heute heiß verehrt wird. „Sie sind die Nummer 10 der Kirche“, scherzte Neapel-Präsident Aurelio De Laurentiis bei der Übergabe des blauschwarzen Shirts an Papst Franziskus.

Überraschung für Senioren

Wie bei den Veranstaltungen „seiner“ Stiftung Scholas üblich, war der Papst in aufgeräumter Stimmung und plauderte frei von der Leber weg mit den jungen Menschen, die von den verschiedenen Sitzen der Stiftung weltweit zugeschaltet waren. Eine Überraschung erlebten auch die Bewohner eines Seniorenheims in Granada, mit denen sich Franziskus in einer Live-Schalte austauschte. Das Heim ist eines der Orte, an denen die Scholas-Bewegung das globale Programm „Zusammen sein“ weiterführt, das während der Pandemie gestartet wurde.

Papst Franziskus bei dem Treffen
Papst Franziskus bei dem Treffen

Bildungspakt weiter umsetzen

Besonders ausführlich warb Papst Franziskus  dafür, den von ihm angestoßenen Bildungspakt weiter zu verbreiten, um besonders bei der Bildung benachteiligte junge Generationen zu unterstützen: „Wieviele junge Leute haben heute nicht die Möglichkeit, eine allumfassende Erziehung und Bildung zu erhalten. Wie viele Male gerät man wegen des Fehlens einer Sexualerziehung in die Kommerzialisierung der Liebe – und die Liebe ist nicht zur Kommerzialisierung da, und die Jugendlichen nicht dazu, um benutzt zu werden…“

Junge Leute müssten entsprechend ausgebildet werden, so die beharrliche Einladung des Papstes: „Dass die jungen Leute eine Ausbildung erhalten, ist eine Pflicht der Eltern und der gesamten Gesellschaft. Die jungen Leute, die ihre Ausbildung nicht abschließen, sind eine Last für die Gesellschaften.“ Diese beiden Themenfelder müssten eine Priorität in den Schulen darstellen, so der Papst, der in diesem Zusammenhang auch die Arbeit von Scholas auf den fünf Kontinenten würdigte: „Geht weiter vorwärts, es lohnt sich!“

„Jeder Mann, jede Frau, jeder Junge, jedes Mädchen hat die Pflicht, authentisch zu sein und das Recht, respektiert zu werden“

Über Videoschalte fragte ein Mädchen den Papst, wie man die Krise in ihrem Land lösen könne; andere stellten Fragen zu Homophobie, Rassismus oder Mobbing. Vor allem Mobbing sei „sehr ernst und zerstört Leben", so Papst Franziskus. „Jeder Mann, jede Frau, jeder Junge, jedes Mädchen hat die Pflicht, authentisch zu sein und das Recht, respektiert zu werden“, fügte er hinzu.

„Authentizität“ sei ein Wort, das „viel benutzt, aber nicht verstanden“ werde. „Wenn ein Mensch sich auf diese Weise ausdrückt, authentisch, respektieren die anderen diesen Menschen, wie er ist“. Mit Blick auf die Krisen in der Welt und wie bereits in schwierigen Momenten der Pandemie, wiederholte der Papst, dass man vor allem gemeinsam aus einer Krise herauskomme: „Manche Maßnahmen helfen uns nicht, aus der Krise herauszukommen, sondern sie wird noch ein bisschen verworrener und wird zu einem Labyrinth“, so Franziskus. Er erinnerte auch erneut daran, dass man „nicht unverändert aus einer Krise herauskommt, man kommt besser oder schlechter heraus“.

Papst Franziskus bei dem Treffen
Papst Franziskus bei dem Treffen

Ganzheitliche Bildung in Problemviertel tragen

Insbesondere in einem schwierigen gesellschaftlichen Umfeld sei der von Franziskus gewollte Erziehungspakt besonders hilfreich, bezeugte mit Blick auf die Problemviertel seiner Stadt der Erzbischof von Neapel, Mimmo Battaglia, der bei der Veranstaltung – neben Sportstars, Künstlern, Unternehmern, Botschaftern und Influencern – dabei war. „Als Kirche allein können wir wenig ausrichten, im Schulterschluss mit den anderen können wir die Kinder ins Zentrum rücken“, so der Kirchenmann.

Pakt zwischen den Generationen

Doch auch die ältere Generation war Thema bei den weit gefächerten Diskussionen. Franziskus sprach über die Wertigkeit der Gespräche mit älteren Menschen und über die „Gnade“, seine Großeltern bis ins hohe Alter genießen zu können. Er selbst habe einen Großteil seines Tages mit ihnen verbracht, ihnen zugehört und von ihnen gelernt: „Die tiefgründigsten Dialoge hatte ich mit ihnen, als Junge hörte ich ihnen zu, dort habe ich Werte gelernt“, betonte er. Er habe immer „das Gefühl gehabt, dass wir zu unseren Wurzeln zurückkehren müssen“, so der Papst, der daran erinnerte, dass „eine Gesellschaft ruiniert ist, wenn die Verbindung zwischen der Wurzel und dem Stamm unterbrochen ist, wenn sie austrocknet“.

Senioren nicht in Isolation sterben lassen

In diesem Zusammenhang verwies der Papst an Worte aus dem Buch Joel (vgl. Kap 3, 1), von denen er schon mehrfach bei Treffen mit Jugendlichen Gebrauch gemacht hatte: „Die Alten werden träumen und die Jungen werden Visionen haben und Dinge umsetzen“, sagte er. Ältere Menschen hätten das Recht, nicht in Isolation zu sterben, unterstrich Franziskus, für den die Beziehung zwischen Alt und Jung eindeutig eine „natürliche“ ist. „Eine Gesellschaft, die sich nicht um diese Beziehung kümmert, wird ideologisiert, ,sektiererisch‘“, fügte er hinzu. Doch in einigen Bereichen bestehe die Tendenz, die älteren Menschen zu „verstecken“, so die Klage des Kirchenoberhauptes. Als Erzbischof von Buenos Aires habe er auch deshalb besonders gerne Pflegeheime besucht, wo ihm die Pflegekräfte von Bewohnern erzählten, die „über Monate“ keinen Besuch erhalten hätten, unterstrich er.  

Weiter so!

„Adelante“, sagte der Papst schließlich zum gesamten Scholas-Netzwerk: „Vorwärts, aber nicht wie Piraten“, scherzte er. Zahlreiche Besucher ließen es sich nicht nehmen, den Papst persönlich zu begrüßen, ihm die Hand zu schütteln und ein paar Worte mit ihm zu sprechen. Die Bürgermeister, die das Diplom der „Laudato si‘-Schulen“ aus den Händen des Papstes erhielten, bekamen anschließend auch noch ein Gruppenfoto mit Franziskus: „Das ist keine Ziellinie, sondern ein neuer Anfang“, konstatierte das Kirchenoberhaupt.

Die stolzen Absolventen der Schulung
Die stolzen Absolventen der Schulung

Hintergrund

Vom 23. bis 25. Mai fand der erste Weltkongress der „Öko-Bildungsstädte“ statt, an dem 50 Bürgermeister aus Lateinamerika und Europa teilnahmen. Die Veranstaltung wurde von der Bewegung Scholas Occurrentes und der Lateinamerikanischen Entwicklungsbank (CAF) im Rahmen der Feierlichkeiten zum 10-jährigen Bestehen von Scholas Occurrentes organisiert.

Die Konferenz hat sich dem Ziel verschrieben, die nachhaltige Entwicklung mit einem Rückgriff auf das von Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato si' dargelegte Konzept der „integralen Ökologie“ zu fördern und zu verbreiten. Dabei gehen die Teilnehmer von der durch Scholas entwickelten pädagogischen Methodik und den Erfahrungen aus, die von jungen Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften gemacht werden. Am 23., 24. und 25. Mai erhielten die Stadtverwalter Einblicke zu diesem Thema, um das neu erworbene Wissen in ihren Gebieten anzuwenden.

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26. Mai 2023, 16:16