Franziskus bei der Ankunft in Kinshasa Franziskus bei der Ankunft in Kinshasa  (Vatican Media)

Warum der Papst nach Afrika reist

Der Papst ist nach Afrika abgeflogen: Auf seiner 40. Auslandsreise seit Beginn seines Pontifikats vor knapp zehn Jahren wird er den Kongo und Südsudan besuchen.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Warum zieht es Franziskus zum dritten Mal ins subsaharische Afrika?

Der Papst aus Rom folgt in Afrika – darauf macht die Tageszeitung ‚Le Monde‘ an diesem Dienstag aufmerksam - einer Blutspur: Vor anderthalb Jahrhunderten verließ der Entdecker und gnadenlose Kolonialist Henry Morton Stanley die heutige Demokratische Republik Kongo, nachdem er sie gewaltsam für den belgischen König erobert hatte, und zog weiter in die damalige „Provinz Äquatoria“, heute Südsudan. Aber der Papst will heute genau das Gegenteil von dem, was Stanley wollte: Hat der Brite damals, zusammen mit anderen, im von ihm gegründeten Kinshasa ein koloniales Schreckensregime installiert, sieht sich der Papst als „Pilger des Friedens“.

Der Argentinier Franziskus ist ein Mann der „Peripherie“; er will mit seinen Reisen die Menschen und Gruppen am Rand erreichen, auf sie international aufmerksam machen. Dazu eignet sich der Kongo, Afrikas zweitgrößter Flächenstaat: reich an Ressourcen, aber leider auch reich an bewaffneten Konflikten, an Gewalt und Korruption – eines der ärmsten Länder des Kontinents. Und dafür eignet sich auch der Südsudan: Afrikas jüngster und ärmster Staat, der von vielen internen Bruchlinien durchzogen ist. 2011 durch Abspaltung vom (nördlichen) Sudan entstanden, herrscht hier seit 2013 ein Bürgerkrieg, der immer wieder aufflammt.

Teilnehmer an einer Papstmesse in Kampala (Uganda) 2015
Teilnehmer an einer Papstmesse in Kampala (Uganda) 2015

„Der Papst folgt einer historischen Blutspur...“

Franziskus kommt als „Pilger des Friedens, der Versöhnung“…

Ja, genau, so lautet die Lyrik aus dem Vatikan. Fakt ist, dass sein Besuch in beiden afrikanischen Ländern die Friedenspartei stärken könnte. Im Kongo ist das Christentum stärkste Religion, die Katholikenzahl liegt bei bis zu 50 Prozent der Bevölkerung, und die Bischofskonferenz hat sich auf dem holprigen Weg der Demokratisierung des Landes seit dem Ende der Mobutu-Diktatur in den neunziger Jahren große Verdienste und hohes Ansehen erworben; ein Erzbischof (der spätere Kardinal Laurent Monsengwo) war damals sogar zeitweise Präsident der sogenannten „Souveränen Nationalkonferenz“.

Auch im benachbarten Südsudan dominiert das Christentum; etwa 52 Prozent sind Katholiken, aber auch die Anglikaner sind hier stark. Ungewöhnlich ist, dass mit dem Papst zusammen zwei weitere Kirchenführer den Südsudan besuchen: Einer der beiden, der anglikanische Primas Justin Welby, hat oft in Afrika und auch im Südsudan in Konflikten vermittelt; auch seine Frau, die ihn auf der Reise begleitet, ist eine Südsudan-Kennerin. Also, wenn die Christen vor Ort in Sachen Frieden und Versöhnung gestärkt werden – und darum geht es bei dieser Afrikareise –, dann kann das in ihre Gesellschaften hineinwirken.

Papst Johannes Paul II. 1992 in Angola
Papst Johannes Paul II. 1992 in Angola

„Über die Christen vor Ort in die jeweilige Gesellschaft hineinwirken“

Wie weit reicht denn die friedenspolitische Soft Power des Vatikans?

Unter Johannes Paul II. (1978-2005) haben wir gesehen, dass man die „Divisionen des Papstes“, von denen Stalin einmal abschätzig gesprochen haben soll, besser nicht unterschätzt: Der polnische Papst vermittelte 1979 im Beagle-Konflikt zwischen Argentinien und Chile, und er trug in den achtziger Jahren maßgeblich zum Ende des Kalten Kriegs bei. Franziskus hat versucht, daran anzuknüpfen; der französische Forscher Francois Mabille vom Pariser Think-tank IRIS urteilt, Franziskus biete sich offenbar „als eine Art Ersatz“ für den derzeit „völlig blockierten“ UNO-Generalsekretär an.

Auf der Haben-Seite kann der argentinische Papst die Beihilfe zur Vermittlung zwischen Kuba und den USA verzeichnen (jedenfalls, bis Trump kam und das Erreichte zurückdrehte). Aber ansonsten hat Franziskus bisher weder im Nahost-Konflikt noch im Ukraine-Krieg mit seinen hartnäckigen Friedensbemühungen Nennenswertes erreicht – was man ihm aber auch schlecht vorwerfen kann. Ihm ist es schon wichtig, wenn er einen Friedens-Samen ausstreuen und die Weltöffentlichkeit auf schwierige Situationen aufmerksam machen kann, die sonst nicht so im Mittelpunkt des Interesses stehen. Mit diesem Vorsatz fährt er jetzt auch nach Afrika.

Franziskus 2019 in Madagaskar
Franziskus 2019 in Madagaskar

„Der Papst als Ersatz für den UNO-Generalsekretär?“

Freuen sich die Menschen im Kongo und im Südsudan auf dem Papst?

Ja- und zwar über alle möglichen konfessionellen oder ethnischen Grenzen hinweg. In beiden Ländern weiß man zu feiern; es ist für sie eine Gelegenheit, sich einmal als Nation, geeint, zu erleben. Darin liegt (wir haben das bei der Papstreise in den Irak vor zwei Jahren gesehen) großes Potential.

Nicht ganz unproblematisch ist das Afrikabild, das diese Reise vermitteln könnte: Alter weißer Mann im „Herzen der Finsternis“, von Afrikanern bejubelt… Das ist natürlich holzschnittartig. Und dann der Fokus auf den Problemen, auf Krieg und ethnischen Spaltungen: Da wird im Westen wieder mal ein Bild von Afrika entstehen, das viel zu düster-einseitig ist und der Vielfalt dieses Kontinents, seiner Dynamik nicht gerecht wird. Auf diese Vielfalt hat der Papst in einem Interview zu Afrika jüngst hingewiesen. Afrika ist gleich nach Asien der größte und bevölkerungsreichste Kontinent, seine 54 Staaten sind untereinander extrem unterschiedlich. Hier gibt es Hochhäuser, aufsteigende Volkswirtschaften, auch funktionierende Demokratien, eine flirrende Kultur- und Musikszene (gerade im Kongo, übrigens!). Da ist es schon bitter, wenn jetzt alle über die einzige geteerte Straße in der südsudanesischen Hauptstadt Juba berichten…

(vatican news)
 

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31. Januar 2023, 11:54