Papst Franziskus bei der Heiligsprechung an diesem Sonntag Papst Franziskus bei der Heiligsprechung an diesem Sonntag 

Papst: „Heiligkeit besteht aus viel täglicher Liebe“

Die Weltkirche ist um zehn Heilige reicher: Bei einem großen Festgottesdienst auf dem Petersplatz hat Papst Franziskus am Sonntag unter anderem den französischen Eremiten Charles de Foucauld, den Niederländer Titus Brandsma und den südindischen Konvertiten und Märtyrer Lazarus heiliggesprochen. „Mögen die neuen Heiligen Lösungen des Miteinanders und Wege des Dialogs inspirieren“, so der Papst angesichts der Kriegslage unter anderem in der Ukraine.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Es war die erste große Heiligsprechungsfeier mit Franziskus nach einer Corona-bedingten Pause von zweieinhalb Jahren. Um die 50.000 Pilger und Delegationen aus aller Welt, darunter den Herkunftsländern der neuen Heiligen, hatten sich bei strahlendem Sonnenschein auf dem Petersplatz versammelt. Auch der Präsident der Italienischen Republik Sergio Mattarella war vertreten. Die Fassade des Petersdoms war bereits seit Samstag mit Porträt-Teppichen der neuen Heiligen geschmückt.

Herausragende Glaubenszeugen

Direkt im ersten Abschnitt der Feier verlas Papst Franziskus die lateinische Kanonisierungsformel und erhob damit die zehn Frauen und Männer zur höchsten Ehre der Altäre, was die Gläubigen auf dem Petersplatz jeweils mit Jubel begrüßten. Unter den neuen Heiligen sind herausragende Glaubenszeugen wie der französische Eremit Charles de Foucauld (1858-1916), der niederländische Nazi-Gegner und Ordensmann Titus Brandsma (1881-1942), der südindische Konvertit und Märtyrer Lazarus (1712-1752) sowie die Gründerin der Kongregation der Schwestern von der Darstellung Mariens, Marie Rivier (1768-1838).

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Mit einer Kanonisierung gibt der Papst die nun Heiligen zur weltweiten Verehrung frei. Diese Ehre wurde am Sonntag ebenso der Gründerin der Kongregation der Kapuzinerinnen der Unbefleckten Empfängnis von Lourdes, Maria von Jesus Santocanale (1852-1923), und den italienischen Ordensgründerinnen Maria Francesca di Gesu (Francesca Maria Rubatto, 1844-1904) und Maria Domenica Mantovani (1862-1934) zuteil. Auch der französische Priester und Ordensgründer Cesar de Bus (1544-1607) sowie die italienischen Priester und Ordensgründer Luigi Maria Palazzolo (1827-1886) und Justin Maria Russolillo (1891-1955) sprach der Papst heilig.

Blick auf Fassade des Petersdoms
Blick auf Fassade des Petersdoms

Die Liebe Gottes verwandelt

„Jünger Jesu zu sein und den Weg der Heiligkeit zu gehen, bedeutet vor allem, sich von der Kraft der Liebe Gottes verwandeln zu lassen“, erinnerte Papst Franziskus in seiner Predigt zur Heiligsprechung, an die sich ein Wortgottesdienst und eine Eucharistiefeier anschlossen: „Vergessen wir nicht den Vorrang Gottes über das eigene Ich, des Geistes über das Fleisch, der Gnade über die Werke.“

Franziskus warnte vor einer allzu „pelagianischen Sicht auf Heiligkeit“: „Indem wir manchmal zu sehr auf unseren Bemühungen um gute Werke bestehen, haben wir ein Ideal von Heiligkeit geschaffen, das zu sehr auf uns selbst beruht, auf persönlichem Heldentum, auf der Fähigkeit zum Verzicht, auf der Aufopferung, um einen Preis zu gewinnen.“ Statt Heiligkeit zu einem unerreichbaren Ziel zu machen und sie vom Leben zu trennen, gelte es Heiligkeit vielmehr „im Alltäglichen zu suchen und zu umarmen, im Staub der Straße, in den Mühen des konkreten Lebens“, forderte der Papst auf.

Internationale Besucher
Internationale Besucher

 

Heiligkeit im Staub der Straße

Franziskus ging vom Gebot Jesu „Wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr einander lieben“ aus. Jesus habe seinen Jüngern die Füße gewaschen und sich am Holz des Kreuzes aufgeopfert, ein Akt der Liebe. Diese empfangene Liebe sei die Kraft, die unser Leben verwandele, unser Herz weite und uns selbst zu Liebe bereitmache. Der Papst führte aus, was diese Hingabe konkret meint, die im Wesentlichen Dienst ist:

„Dienen heißt, nicht die eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen; sich von dem Gift der Habsucht und des Wettkampfs zu befreien; das Krebsgeschwür der Gleichgültigkeit und den Stachel der Selbstbezogenheit zu bekämpfen; die Charismen und Gaben, die Gott uns geschenkt hat, zu teilen. Fragen wir uns konkret: ,Was tue ich für andere?‘ Das heißt lieben. Leben wir die alltäglichen Dinge im Geiste des Dienens, mit Liebe und ohne Aufsehen, ohne etwas zu fordern.“

Wieder mal viel los auf dem Petersplatz - lange Zeit blieb er coronabedingt leer
Wieder mal viel los auf dem Petersplatz - lange Zeit blieb er coronabedingt leer

Alltägliche Gesten

Dabei gehe es darum, „sich selbst zu verschenken“ und „im leidenden Fleisch Christi unsere leidenden Brüder und Schwerstern“ wahrzunehmen, führte der Papst weiter aus: Es gehe ums Hinsehen und Anfassen, warb Franziskus für echte Anteilnahme und ein Engagement für die Ärmsten, für die Menschen am Rande und grundsätzlich für alle Bedürftigen, die uns im Alltag begegnen.

„Heiligkeit besteht nicht aus ein paar heroischen Gesten, sondern aus viel täglicher Liebe“, schärfte der Papst ein, „vielleicht ein wenig zuzuhören, ein wenig Zeit zu haben, einen Anruf zu tätigen“. Franziskus gab weitere Beispiele und wandte sich dabei an alle Gläubigen.

„Bist du ein Gottgeweihter oder eine Gottgeweihte? Sei heilig, indem du deine Hingabe freudig lebst. Bist du verheiratet? Sei heilig, indem du deinen Mann oder deine Frau liebst und umsorgst, wie Christus es mit der Kirche getan hat. Bist du ein Arbeiter? Sei heilig, indem du deine Arbeit im Dienst an den Brüdern und Schwestern mit Redlichkeit und Sachverstand verrichtest. Bist du Vater oder Mutter, Großvater oder Großmutter? Sei heilig, indem du den Kindern geduldig beibringst, Jesus zu folgen. Hast du eine Verantwortungsposition inne? Wie viele hier auf dem Platz? Sei heilig, indem du für das Gemeinwohl kämpfst und auf deine persönlichen Interessen verzichtest. Das ist Heiligkeit, so einfach.“

Auch Präsident Mattarella war da
Auch Präsident Mattarella war da

Wie die zehn Dienerinnen und Diener Gottes, die nun ins Buch der Heiligen eingeschrieben sind, seien alle Gläubigen dazu aufgerufen, „dem Evangelium und den Brüdern und Schwestern zu dienen, unser Leben ohne Gegenleistung zu opfern, ohne weltlichen Ruhm zu suchen“, so der Papst: „Versuchen es auch wir, denn jeder von uns ist zur Heiligkeit berufen, zu einer einzigartigen und unwiederholbaren Heiligkeit. Jeder Heilige ist ein leuchtender Reflex Gottes in der Welt. Heiligkeit ist dabei keine Kopie, der Herr hat einen Plan der Liebe für jeden einzelnen, er hegt einen Traum für dein Leben. Nimm ihn auf! Und verwirkliche ihn mit Freude!“

Weltlage: Heilige mögen Dialog inspirieren

Auch auf die aktuelle Weltlage kam der Papst zu sprechen. Gerade in einem Moment in der Welt, in dem „Distanzen wachsen und Spannungen und Kriege zunehmen mögen die neuen Heiligen Lösungen des Miteinanders, Wege des Dialogs inspirieren, besonders in den Herzen und Köpfen derer, die Positionen mit großer Verantwortung innehaben und berufen sind, Protagonisten des Friedens und nicht des Krieges zu sein“, fügte Franziskus kurz vor dem österlichen Mittagsgebet Regina caeli an, das mit seinem Apostolischen Segen abschloss.

Der große und bunte Festgottesdienst auf dem Petersplatz an diesem Sonntag war die erste große Heiligsprechungsfeier mit Franziskus nach einer längeren Pause. Zuletzt waren im Oktober 2019 bei einem Gottesdienst auf dem Petersplatz fünf Heiligsprechungen, darunter jene von Kardinal John Henry Newman (1801-1890), vorgenommen worden. Mit bald an die 900 hat Papst Franziskus in seinem Pontifikat so viele Menschen heiliggesprochen wie kein Papst der Kirchengeschichte vor ihm.

Feierlich und stimmungsvoll
Feierlich und stimmungsvoll

 

(vatican news – pr)
 

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15. Mai 2022, 12:00