Papst an Lateinamerika-Seminar: „Pandemie hat bestehende Übel deutlicher gemacht“

„Lateinamerika: Kirche, Papst Franziskus und Pandemie-Szenarien“: So lautet das Thema eines virtuellen Seminars, das Auswege aus der Coronakrise im Heimatkontinent des Papstes aufzeigen will. In einer Videobotschaft, die der Vatikan am Donnerstagnachmittag veröffentlicht hat, erinnert Franziskus die Teilnehmer daran, dass es neben der Pandemie auch die sozialen Übel zu bekämpfen gilt.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

„Ich danke den Organisatoren für diese Initiative und hoffe, dass sie Wege und Impulse anregen wird, die notwendig sind, um unseren Völkern – insbesondere den am stärksten ausgegrenzten – durch die Erfahrung der Brüderlichkeit und den Aufbau sozialer Freundschaft ein menschenwürdiges Leben zu sichern,“ leitet der Papst seine Botschaft ein.

Zum Nachhören - der Bericht zur Papst-Videobotschaft

Die Covid-Pandemie habe die sozioökonomischen Ungerechtigkeiten, unter denen ganz Lateinamerika leide, verstärkt und die soziale Kluft noch größer werden lassen, bringt der Papst die traurige Situation in seiner Heimat auf den Punkt. Und die Krise habe auch gezeigt, dass nicht jeder über die notwendigen Mittel verfüge, um die elementaren Maßnahmen zum Schutz gegen Covid-19 zu ergreifen: „Ein Dach über dem Kopf, wo soziale Distanzierung praktiziert werden kann, Wasser und Sanitärprodukte zum Desinfizieren, eine feste Arbeit, die den Zugang zu Dienstleistungen garantiert,“ listet der Papst diese Maßnahmen auf und stellt fest: „Die Pandemie hat bereits bestehende Übel noch deutlicher gemacht.“

Und das gelte auch für das Ökosystem, beklagt Franziskus mit Blick auf „die Waldbrände, die weite Gebiete wie das Pantanal und den Amazonas zerstören, die die Lungen Lateinamerikas und der Welt sind.“

Solidarität und kreative Vorschläge

Angesichts der verheerenden Auswirkungen der Pandemie seien Solidarität und kreative Vorschläge nötig, die die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise eindämmen können. „Im Reich Gottes, das bereits in dieser Welt beginnt, reicht das Brot für alle, ist sogar im Überfluss vorhanden; beruht die soziale Organisation auf Zusammenarbeit, Teilen und Versorgen, und nicht auf Besitzen, Ausgrenzen und Anhäufen.“ Und deshalb seien wir auch alle gerufen, unsere Arbeit oder Mission einzeln und gemeinsam mit Verantwortung, Transparenz und Ehrlichkeit zu erfüllen.

„Die Pandemie hat das Beste und das Schlimmste unseres Volkes, das Beste und das Schlimmste eines jeden Menschen ans Tageslicht gebracht. Das Virus erinnert uns daran, dass wir am besten für uns selbst sorgen können, wenn wir lernen, für die Menschen um uns herum zu sorgen und sie zu schützen,“ resümiert der Papst und verweist auf die sozialen Schwachstellen, derer es außer der Covid-19-Pandemie noch Herr zu werden gilt und die er mit den „drei berühmten T's“ (techo, tierra, trabajo) beschreibt: Wohnung, Boden, Arbeit.

Angesichts dieses düsteren Panoramas lehrten uns die Völker Lateinamerikas, dass sie Völker seien, die Krisen mutig begegnen, beschreibt der Papst eine charakteristische Eigenschaft seiner Landsleute. Der Weg der Solidarität und der Gerechtigkeit sei der beste Ausdruck von Liebe und Verbundenheit.

Politik: Eine der wertvollsten Formen der Nächstenliebe, weil sie das Gemeinwohl anstrebt

An dieser Stelle nimmt der Papst mit dem Verweis darauf, dass die Politik „eine hohe Berufung und eine der wertvollsten Formen der Nächstenliebe“ sei, weil „sie das Gemeinwohl anstrebt“, auch die Politiker in die Pflicht: „Es ist an der Zeit, dass das Markenzeichen derer, die von ihren Völkern in die Regierung gewählt werden, der Dienst am Gemeinwohl ist und sie das Gemeinwohl nicht länger in den Dienst ihrer Interessen stellen. Wir alle kennen die Dynamik der Korruption in dieser Richtung. Und das gilt auch für die Männer und Frauen der Kirche; denn diese Dynamik innerhalb der Kirche ist ein Aussatz, der das Evangelium krank macht und es tötet,“ warnt Franziskus und richtet abschließend folgende Bitte an seine Zuhörer:

„Ich fordere euch auf, euch – vom Licht des Evangeliums getrieben – mit allen Menschen guten Willens auch weiter auf die Suche nach jenen zu machen, die um Hilfe bitten, und wie der Barmherzige Samariter zu sein, der die Schwächsten umarmt und eine neue Zivilisation aufbaut, denn „das Gute, ebenso wie die Liebe, die Gerechtigkeit und die Solidarität erlangt man nicht ein für alle Male; sie müssen jeden Tag neu errungen werden“ (Fratelli tutti, Nr. 11).

Den vollen Wortlaut der Videobotschaft des Papstes finden Sie demnächst auf der offiziellen Homepage des Vatikans.

(vatican news)
 

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19. November 2020, 16:30