Papst Franziskus Papst Franziskus 

„Fratelli tutti“: Einige Kernsätze

Zur neuen Normalität angesichts von Corona: „Wenn einer meint, dass es nur um ein besseres Funktionieren dessen geht, was wir schon gemacht haben, oder dass die einzige Botschaft darin besteht, die bereits vorhandenen Systeme und Regeln zu verbessern, dann ist er auf dem Holzweg.“ (7)

Auswahl: Stefan von Kempis - Vatikanstadt

Zur Globalisierung: „Wir sind einsamer denn je in dieser durch Vermassung gekennzeichneten Welt, welche die Einzelinteressen bevorzugt und die gemeinschaftliche Dimension der Existenz schwächt.“ (12)

Zur Demokratie: „Was bedeuten heute … Begriffe wie Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, Einheit? Sie sind manipuliert und verzerrt worden, um sie als Herrschaftsinstrumente zu benutzen, als sinnentleerte Aufschriften, die zur Rechtfertigung jedweden Tuns dienen können.“ (14)

Hier zum Nachhören

Zur Gerechtigkeit: „Teile der Menschheit scheinen geopfert werden zu können zugunsten einer bevorzugten Bevölkerungsgruppe, die für würdig gehalten wird, ein Leben ohne Einschränkungen zu führen.“ (18)

Zur Corona-Pandemie: „Wir haben gesehen, was mit den älteren Menschen an einigen Orten der Welt aufgrund des Corona-Virus geschehen ist. Sie sollten nicht auf diese Weise sterben.“ (19)

Franziskus während des Corona-Lockdowns auf dem leeren Petersplatz
Franziskus während des Corona-Lockdowns auf dem leeren Petersplatz

„In der gegenwärtigen Welt nimmt das Zugehörigkeitsgefühl zu der einen Menschheit ab, während der Traum, gemeinsam Gerechtigkeit und Frieden aufzubauen, wie eine Utopie anderer Zeiten erscheint.“

Zum Rassismus: „Die verschiedenen Ausprägungen des Rassismus erfüllen uns erneut mit Scham, denn sie zeigen, dass die vermeintlichen Fortschritte der Gesellschaft nicht so real und ein für alle Mal abgesichert sind… Rassismus ist ein Virus, der leicht mutiert, und, anstatt zu verschwinden, im Verborgenen weiter lauert.“ (20.97)

Zum Idealismus: „In der gegenwärtigen Welt nimmt das Zugehörigkeitsgefühl zu der einen Menschheit ab, während der Traum, gemeinsam Gerechtigkeit und Frieden aufzubauen, wie eine Utopie anderer Zeiten erscheint. Wir erleben, wie eine bequeme, kalte und weit verbreitete Gleichgültigkeit vorherrscht…“ (30)

Zu Migranten und Flüchtlingen: „Niemand wird behaupten, dass sie keine Menschen sind, in der Praxis jedoch bringt man mit den Entscheidungen und der Art und Weise, wie man sie behandelt, zum Ausdruck, dass man ihnen weniger Wert beimisst, sie für weniger wichtig und weniger menschlich hält.“ (39)

Zur digitalen Welt: „Alles wird zu einer Art Schauspiel, das belauscht und überwacht werden kann. Das Leben wird einer ständigen Kontrolle ausgesetzt… Die digitale Vernetzung genügt nicht, um Brücken zu bauen; sie ist nicht in der Lage, die Menschheit zu vereinen.“ (42-43)

„In vieler Hinsicht haben wir Fortschritte gemacht, doch wir sind Analphabeten, wenn es darum geht, die Gebrechlichsten und Schwächsten unserer entwickelten Gesellschaften zu begleiten, zu pflegen und zu unterstützen“

Zum Internet: „Die erdrückende Fülle von Information, die uns überschwemmt, bedeutet nicht mehr Weisheit. Weisheit entsteht nicht durch ungeduldiges Nachforschen im Internet und auch nicht durch eine Ansammlung von Information, deren Wahrheitsgehalt nicht erwiesen ist. Auf diese Weise reift man nicht in der Begegnung mit der Wahrheit.“ (50)

Zum Einsatz für andere: „Sagen wir es so, in vieler Hinsicht haben wir Fortschritte gemacht, doch wir sind Analphabeten, wenn es darum geht, die Gebrechlichsten und Schwächsten unserer entwickelten Gesellschaften zu begleiten, zu pflegen und zu unterstützen.“ (64)

Zum Einsatz für andere II: „Wir sind für die Fülle geschaffen, die man nur in der Liebe erlangt. Es ist keine mögliche Option, gleichgültig gegenüber dem Schmerz zu leben; wir können nicht zulassen, dass jemand ,am Rand des Lebens' bleibt. Es muss uns so empören, dass wir unsere Ruhe verlieren und von dem menschlichen Leiden aufgewühlt werden. Das ist Würde.“ (68)

Franziskus bei einem Besuch in Bolivien
Franziskus bei einem Besuch in Bolivien

„Bücken wir uns, um die Wunden der anderen zu berühren und zu heilen?“

Zum biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter: „Es ist die Stunde der Wahrheit. Bücken wir uns, um die Wunden der anderen zu berühren und zu heilen? Bücken wir uns, um uns gegenseitig auf den Schultern zu tragen? Dies ist die aktuelle Herausforderung, vor der wir uns nicht fürchten dürfen.“ (70)

Zum Engagement in der Gesellschaft: „Jeder Tag bietet uns eine neue Gelegenheit, ist eine neue Etappe. Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir haben Möglichkeiten der Mitverantwortung, die es uns erlauben, neue Prozesse und Veränderungen einzuleiten und zu bewirken… Mögen andere weiter an die Politik oder an die Wirtschaft für ihre Machtspiele denken. Halten wir das am Leben, was gut ist, und stellen wir uns dem Guten zur Verfügung.“ (77)

„Es gibt Gläubige, die meinen, ihre Größe bestünde darin, anderen ihre Ideologien aufzuzwingen...“

Zur Sklaverei: „Manchmal betrübt mich die Tatsache, dass die Kirche … so lange gebraucht hat, bis sie mit Nachdruck die Sklaverei und verschiedene Formen der Gewalt verurteilte. Durch die Weiterentwicklung von Spiritualität und Theologie haben wir heute keine Entschuldigung mehr.“ (86)

Zur religiösen Gewalt: „Es gibt Gläubige, die meinen, ihre Größe bestünde darin, anderen ihre Ideologien aufzuzwingen, sei es in der gewaltsamen Verteidigung der Wahrheit, sei es in großen Machtdemonstrationen. Wir Gläubige müssen alle dies erkennen: An erster Stelle steht die Liebe…“ (92)

Zum Individualismus: „Die bloße Summe von Einzelinteressen ist nicht in der Lage, eine bessere Welt für die gesamte Menschheit zu schaffen.“ (105)

Zur Menschenwürde: „Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu leben und sich voll zu entwickeln, und kein Land kann dieses Grundrecht verweigern. Jeder Mensch besitzt diese Würde, auch wenn er wenig leistet, auch wenn er mit Einschränkungen geboren oder aufgewachsen ist; denn dies schmälert nicht seine immense Würde als Mensch, die nicht auf den Umständen, sondern auf dem Wert seines Seins beruht.“ (107)

Zur Werte-Weitergabe: „Jede Gesellschaft muss für die Weitergabe von Werten sorgen, denn wenn dies ausbleibt, werden Egoismus, Gewalt und Korruption in ihren verschiedenen Formen sowie Gleichgültigkeit verbreitet, ein Leben letztlich, das jeder Transzendenz verschlossen ist und sich in individuellen Interessen verschanzt.“ (113)

Mit Schülern und Studenten
Mit Schülern und Studenten

„Andere Kulturen sind keine Feinde, gegen die man sich verteidigen muss, sondern spiegeln auf verschiedene Weise den unerschöpflichen Reichtum menschlichen Lebens wider.“

Zur Grenzenlosigkeit der Menschenrechte: „Niemand darf aufgrund seiner Herkunft ausgeschlossen werden und schon gar nicht aufgrund der Privilegien anderer, die unter günstigeren Umständen aufgewachsen sind. Auch die Grenzen und Grenzverläufe von Staaten können das nicht verhindern. So wie es inakzeptabel ist, dass eine Person weniger Rechte hat, weil sie eine Frau ist, so ist es auch nicht hinnehmbar, dass der Geburts- oder Wohnort schon von sich aus mindere Voraussetzungen für ein würdiges Leben und eine menschenwürdige Entwicklung liefert.“ (121)

Zur internationalen Zusammenarbeit: „Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam oder gar nicht bewältigen werden. Armut, Verfall und die Leiden eines Teils der Erde sind ein stillschweigender Nährboden für Probleme, die letztlich den ganzen Planeten betreffen.“ (137)

Zur Weltoffenheit: „Es gibt eine falsche Offenheit für das Universale, die von der leeren Oberflächlichkeit derjenigen herrührt, die nicht in der Lage sind, ihr eigenes Heimatland wirklich zu verstehen, oder von denen, die einen nicht überwundenen Groll gegen ihr eigenes Volk hegen.“ (145)

Zur Weltoffenheit II: „...andere Kulturen sind keine Feinde, gegen die man sich verteidigen muss, sondern spiegeln auf verschiedene Weise den unerschöpflichen Reichtum menschlichen Lebens wider.“ (147)

Zum internationalen Finanzsystem: „Der Markt allein löst nicht alle Probleme, auch wenn man uns zuweilen dieses Dogma des neoliberalen Credos glaubhaft machen will. Es handelt sich um eine schlichte, gebetsmühlenartig wiederholte Idee, die vor jeder aufkeimenden Herausforderung immer die gleichen Rezepte herauszieht.“ (168)

„Während jemand einem älteren Menschen hilft, einen Fluss zu überqueren – und das ist wahre Liebe – so erbaut der Politiker ihm eine Brücke, und auch dies ist Liebe.“

Zur Politik als Nächstenliebe: „Während jemand einem älteren Menschen hilft, einen Fluss zu überqueren – und das ist wahre Liebe – so erbaut der Politiker ihm eine Brücke, und auch dies ist Liebe. Während jemand einem anderen hilft, indem er ihm zu essen gibt, so schafft der Politiker für ihn einen Arbeitsplatz und übt eine sehr hochstehende Form der Liebe, die sein politisches Handeln veredelt.“ (186)

Zur Gewissenserforschung von Politikern: „Denn wenn wir nach einigen Jahren über die eigene Vergangenheit nachdenken, wird die Frage nicht lauten: ,Wie viele haben mir zugestimmt, wie viele haben mich gewählt, wie viele hatten ein positives Bild von mir?' Die vielleicht schmerzlichen Fragen werden sein: ,Wie viel Liebe habe ich in meine Arbeit gelegt? Wo habe ich das Volk vorangebracht? Welche Spur habe ich im Leben der Gesellschaft hinterlassen? Welche realen Bindungen habe ich aufgebaut? Welche positiven Kräfte habe ich freigesetzt? Wie viel sozialen Frieden habe ich gesät? Was habe ich an dem Platz, der mir anvertraut wurde, bewirkt?'“ (197)

Zum Dialog: „Häufig wird der Dialog mit etwas ganz anderem verwechselt, nämlich einem hitzigen Meinungsaustausch in sozialen Netzwerken, der nicht selten durch nicht immer zuverlässige Medieninformationen beeinflusst wird. Das sind nur parallel verlaufende Monologe…“ (200)

Zum Relativismus: „Der Relativismus ist keine Lösung. Unter dem Deckmantel von vermeintlicher Toleranz führt er letztendlich dazu, dass die Mächtigen sittliche Werte der momentanen Zweckmäßigkeit entsprechend interpretieren.“ (206)

Zur Menschenwürde II: „Damit eine Gesellschaft eine Zukunft besitzt, muss sie eine tiefe Achtung vor der Wahrheit der Menschenwürde entwickeln, der wir uns unterwerfen. Dann wird man es nicht aus Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung und vor der Last des Gesetzes, sondern aus Überzeugung unterlassen, jemanden zu töten.“ (207)

Zum sozialen Frieden: „Der soziale Frieden erfordert harte Arbeit, Handarbeit. Es wäre einfacher, die Freiheiten und Unterschiede mit ein wenig List und verschiedenen Ressourcen im Zaum zu halten. Aber dieser Frieden wäre oberflächlich und brüchig, und nicht die Frucht einer Kultur der Begegnung, die ihn stützen sollte. Unterschiede zu integrieren ist viel schwieriger und langsamer, aber die Garantie für einen echten und beständigen Frieden.“ (217)

„Jeder Krieg hinterlässt die Welt schlechter, als er sie vorgefunden hat.“

Zur Vergebung: „Vergeben heißt nicht zuzulassen, dass die eigene Würde und die Würde anderer weiterhin mit Füßen getreten wird oder dass ein Krimineller weiterhin Schaden anrichten kann.“ (241)

Zur Vergebung II: „Diejenigen, die vergeben, vergessen nämlich nicht. Aber sie weigern sich, von der gleichen zerstörerischen Kraft besessen zu werden, die ihnen Leid zugefügt hat. Sie durchbrechen den Teufelskreis und stoppen das Vordringen der zerstörerischen Kräfte.“ (251)

 Der Papst 2019 in Hiroshima
Der Papst 2019 in Hiroshima

Zum Krieg: „Jeder Krieg hinterlässt die Welt schlechter, als er sie vorgefunden hat. Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschheit, eine beschämende Kapitulation, eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen… Fragen wir die Opfer.“ (261)

Zur Stimme der Religionen in der Gesellschaft: „Wir dürfen nicht zulassen, dass nur die Mächtigen und die Wissenschaftler eine Stimme in der öffentlichen Debatte besitzen. Es muss einen Raum für die Reflektion geben, der auf einen religiösen Hintergrund zurückgeht, der die jahrhundertelange Erfahrung und Weisheit sammelt.“ (275)

Zum Wesentlichen des Glaubens in allen großen Religionen: „Als Gläubige sind wir herausgefordert, zu unseren Quellen zurückzukehren, um uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Anbetung Gottes und die Nächstenliebe, damit nicht einige Aspekte unserer Lehren, aus dem Zusammenhang gerissen, am Ende Formen der Verachtung, des Hasses, der Fremdenfeindlichkeit und der Ablehnung des anderen fördern.“ (282)

(vatican news)
 

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04. Oktober 2020, 12:16