Wortlaut: Papst-Predigt zur Ökumene

Hier finden Sie die Predigt, die Papst Franziskus an diesem Freitag bei einer ökumenischen Vesper in Rom gehalten hat, in vollem Wortlaut.

Das ist allerdings nur eine Arbeitsübersetzung; den offiziellen Text finden Sie in Kürze auf der Homepage des Vatikans.

An Bord des Schiffes, das den gefangenen Paulus nach Rom bringt, gibt es drei verschiedene Gruppen. Die mächtigste Gruppe besteht aus den Soldaten, die einem Hauptmann unterstehen. Dann gibt es die Matrosen, auf die natürlich alle Mitreisenden während der langen Fahrt über das Meer angewiesen sind. Und schließlich gibt es die Schwächsten und Verwundbarsten: die Gefangenen.

Als das Schiff in der Nähe der Küste Maltas in Seenot gerät, nachdem es mehrere Tage lang dem Sturm ausgeliefert war, haben die Soldaten die Absicht, die Gefangenen zu töten, um sicherzustellen, dass niemand entkommt - aber sie werden von ihrem Hauptmann aufgehalten, der Paulus retten will. Tatsächlich hatte Paulus, obwohl er zur Gruppe der Schwachen gehörte, seinen Mitreisenden etwas Wichtiges angeboten. Während alle die Hoffnung auf ihr Überleben verloren, hatte der Apostel eine unerwartete Botschaft der Hoffnung überbracht. Ein Engel hatte ihn beruhigt, indem er ihm sagte: Fürchte dich nicht, Paulus: Gott will alle deine Mitreisenden bewahren und retten. (Apg 27,24).

Auf die Kleinen hören

Das Gottvertrauen des Apostels Paulus erwies sich als begründet, und am Ende wurden alle Reisenden gerettet - und als sie in Malta landeten, erlebten sie die Gastfreundschaft der Inselbewohner, ihre Freundlichkeit und Mitmenschlichkeit. Aus diesem zentralen Moment der Erzählung wurde das Motto der Gebetswoche, die heute zu Ende geht, entnommen.

Liebe Brüder und Schwestern, diese Erzählung der Apostelgeschichte sagt uns auch etwas über unseren ökumenischen Weg, der auf jene Einheit ausgerichtet ist, die Gott so sehr wünscht. Zunächst einmal sagt sie uns, dass diejenigen, die schwach und verletzlich sind, die materiell wenig zu bieten haben, aber ihren wahren Reichtum auf Gott gründen, wertvolle Botschaften haben, die zum Wohle aller dienen. Denken wir an die christlichen Gemeinschaften: Selbst diejenigen, die in den Augen der Welt klein und wenig relevant sind, haben, wenn sie offen für den Heiligen Geist sind, wenn sie in Liebe zu Gott und zum Nächsten leben, eine Botschaft für die ganze christliche Familie. Denken wir an marginalisierte und verfolgte christliche Gemeinschaften. Wie in der Geschichte vom Schiffbruch des Paulus sind es oft die Schwächsten, die die wichtigste Botschaft der Erlösung überbringen. Denn Gott hat es so gewollt: er wollte uns nicht mit der Kraft der Welt retten, sondern mit der Schwäche des Kreuzes (vgl. 1 Kor 1,20-25). Als Jünger Jesu müssen wir uns deshalb davor hüten, uns von der Logik der Welt anziehen zu lassen; wir sollten lieber auf die Kleinen und die Armen hören, denn Gott liebt es, durch sie seine Botschaften zu senden, da sie am meisten seinem menschgewordenen Sohn gleichen.

Über die Gruppeninteressen hinausschauen

Die Darstellung der Apostelgeschichte erinnert uns an einen zweiten Aspekt: Gottes tiefstes Verlangen ist die Rettung aller. Wie der Engel zu Paulus sagt: Gott will alle deine Mitreisenden bewahren und retten. Dies ist der Punkt, auf dem Paulus besteht. Auch wir müssen es uns selbst gegenüber immer wieder wiederholen: Es ist unsere Pflicht, diesen tiefsten Wunsch Gottes zu erfüllen - wie Paulus selbst an anderer Stelle schreibt: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Tim 2,4).

Es ist eine Einladung, uns nicht ausschließlich unseren eigenen Glaubensgemeinschaften zu widmen, sondern uns dem Wohl aller zu öffnen, dem universellen Blick Gottes, der Mensch geworden ist, um die ganze Menschheit zu umarmen, und der für das Heil aller gestorben und auferstanden ist. Wenn wir uns mit seiner Gnade seine Vision zu eigen machen, können wir unsere Spaltungen überwinden. In der Erzählung vom Schiffbruch trägt jeder einzelne zur Rettung aller bei: Der Hauptmann trifft wichtige Entscheidungen, die Matrosen setzen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten ein, der Apostel ermutigt die Hoffnungslosen. Auch bei uns Christen hat jede Gemeinschaft Gaben, die sie den anderen anbieten kann. Je mehr wir über unsere Gruppeninteressen hinausschauen und je mehr wir das trennende Erbe der Vergangenheit in unserem Wunsch nach einem gemeinsamen Landeplatz überwinden, desto spontaner werden wir diese Gaben erkennen, uns darüber freuen und sie teilen.

Die unerwartete Wärme

Und wir kommen zum dritten Aspekt, der im Mittelpunkt dieser Gebetswoche stand: die Gastfreundschaft. Der Evangelist Lukas sagt im letzten Kapitel der Apostelgeschichte über die Bewohner Maltas: Sie behandelten uns mit Freundlichkeit oder mit ungewöhnlicher Menschenfreundlichkeit (V. 2). Das Feuer, das an der Küste angezündet wurde, um die Schiffbrüchigen zu wärmen, ist ein schönes Symbol für die menschliche Wärme, die sie unerwartet umgibt. Auch der Gouverneur der Insel zeigt sich gastfreundlich gegenüber Paulus, der seinerseits erst den Vater des Gouverneurs und dann noch viele andere Kranke heilt (vgl. V. 7-9). Als der Apostel und seine Begleiter schließlich nach Italien aufbrachen, versorgten die Bewohner von Malta sie großzügig mit Vorräten (V. 10).

Von dieser Gebetswoche möchten wir lernen, gastfreundlicher zu sein, zunächst unter uns Christen, d.h. auch gegenüber Brüdern und Schwestern anderer Konfessionen. Gastfreundschaft gehört zur Tradition der christlichen Gemeinden und Familien. Unsere Vorfahren haben uns gelehrt, dass auf dem Tisch eines christlichen Hauses immer ein Teller Suppe steht - für einen unerwartet kommenden Freund oder einen Armen, der bei uns anklopft. In den Klöstern wird jeder Gast mit großem Respekt behandelt - als ob er Christus wäre. Achten wir darauf, dass wir diese Bräuche nicht verlieren, sondern erwecken wir sie neu zum Leben. Sie haben den Geschmack des Evangeliums!

Beten um das Geschenk der Einheit

Liebe Brüder und Schwestern, mit diesen Worten richte ich meine herzlichen und brüderlichen Grüße an Seine Eminenz Metropolit Gennadios, Vertreter des Ökumenischen Patriarchats, an den hochwürdigsten Herrn Erzbischof Ian Ernest, den persönlichen Vertreter des Erzbischofs von Canterbury hier in Rom, und an alle hier versammelten Vertreter der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Ich begrüße auch die Studenten des Ökumenischen Instituts von Bossey, die Rom besuchen, um ihre Kenntnisse über die katholische Kirche zu vertiefen, und die jungen Menschen, die hier mit einem Stipendium des Katholischen Komitees für kulturelle Zusammenarbeit mit den orthodoxen Kirchen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen studieren. Ich grüße und danke allen, die beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen arbeiten. Gemeinsam, ohne jemals müde zu werden, lasst uns weiter beten, dass Gott das Geschenk der vollen Einheit unter uns Wirklichkeit werden lasse.

(Übersetzung: Schwester Anna Eichhorn OSB - Vatican News)
 

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25. Januar 2020, 19:00