Im Wortlaut: Papstrede bei Treffen mit Jugendlichen in Panama

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus am Donnerstagabend (Ortszeit) bei einer ersten Begegnung mit Teilnehmern des Weltjugendtags in Panama-Stadt gehalten hat, in vollem Wortlaut und offizieller deutscher Übersetzung.

„Liebe Jugendliche! Guten Abend!
Was für ein schönes Wiedersehen – in diesem Land, das uns so farbenfroh und warmherzig empfängt! Der Weltjugendtag, der uns hier in Panama zusammenführt, ist wieder einmal ein Fest der Freude und der Hoffnung für die ganze Kirche. Und für die Welt ist er ein großes Zeugnis des Glaubens.

Ich erinnere mich, dass mich in Krakau einige Leute fragten, ob ich nach Panama kommen würde, und ich sagte: „Ich weiß nicht, ob ich da sein werde, aber Petrus wird sicher da sein. Petrus wird da sein.“ Heute freue ich mich, euch sagen zu können: Petrus ist bei euch, um den Glauben und die Hoffnung zu feiern und zu erneuern. Petrus und die Kirche gehen mit euch, und wir wollen euch sagen, dass ihr euch nicht davor fürchten braucht, mit dieser erfrischenden Energie und dieser bleibenden Sehnsucht weiterzumachen, die uns hilft und uns anspornt, freudiger und verfügbarer zu sein – und damit bessere „Zeugen des Evangeliums“. Weitermachen, nicht etwa um auf einer Jugendveranstaltung mit ein paar dekorativen Elementen eine etwas „spaßigere“ oder „coolere“ Parallelkirche zu errichten, als ob euch das glücklich machen könnte. So zu denken, würde bedeuten, euch und alles, was der Geist durch euch sagt, nicht ernst zu nehmen.

Die unablässige Neuheit und Jugendlichkeit der Kirche

Im Gegenteil! Wir wollen gemeinsam mit euch die unablässige Neuheit und Jugendlichkeit der Kirche wiederentdecken und wiedererwecken und uns für ein neues Pfingsten öffnen (vgl. JUGENDSYNODE, Abschlussdokument, 60). Das ist nur möglich, wenn wir uns, wie vor Kurzem bei der Synode, aufschwingen, voranzuschreiten, indem wir einander zuhören, und zuzuhören, indem wir zusammenkommen. Wir sollten ein Zeugnis geben können, indem wir den Herrn durch den Dienst an unseren Brüdern und Schwestern verkünden; in einem konkreten Dienst, versteht sich.

Ich weiß, dass es ganz sicher nicht einfach war, hierher zu kommen. Ich kenne die Mühen und Opfer, die ihr gebracht habt, um an diesem Ereignis teilnehmen zu können. Viele Tage Arbeit und Einsatz, die Treffen der Reflexion und des Gebets sorgen dafür, dass der Weg sich im Großen und Ganzen lohnt. Ein Jünger ist nicht nur der, der etwas erreicht, sondern derjenige, der mit Entschiedenheit anpackt, der keine Angst hat, Risiken einzugehen und sich auf den Weg zu machen. Das ist seine größte Freude: unterwegs zu sein. Ihr hattet keine Angst, Risiken einzugehen und euch auf den Weg zu machen. Wir können heute feiern, weil dieses Fest schon vor langer Zeit in allen euren Gemeinschaften begonnen hat.

Kultur der Begegnung

Wir kommen aus verschiedenen Kulturen und Völkern, wir sprechen verschiedene Sprachen und tragen unterschiedliche Kleidung. Jedes unserer Völker hat eine andere Geschichte und andere Verhältnisse erlebt. Wie viele Dinge können uns voneinander unterscheiden! Aber nichts davon hat uns daran gehindert, zusammenzukommen und glücklich darüber zu sein, dass wir zusammen sind. Das ist möglich, weil wir wissen, dass es etwas gibt, das uns verbindet, dass es jemanden gibt, der uns zu Brüdern und Schwestern macht. Ihr, liebe Freunde, habt viele Opfer gebracht, um einander begegnen zu können und so werdet ihr wahre Meister und Gestalter der Kultur der Begegnung. Mit euren Gesten und eurem Verhalten, mit euren Blicken, Wünschen und vor allem mit eurer Sensibilität widerlegt und entschärft ihr all jene Reden, die darauf bedacht sind, Spaltung hervorzurufen und die mit aller Kraft diejenigen ausschließen und vertreiben wollen, die „nicht wie wir sind“. Und das liegt daran, dass ihr ein Gespür dafür habt, dass »die wahre Liebe legitime Unterschiede nicht auslöscht, sondern sie in einer höheren Einheit miteinander in Einklang bringt« (vgl. BENEDIKT XVI., Predigt, 25. Januar 2006). Andererseits wissen wir, dass der Vater der Lüge ein gespaltenes und streitsüchtiges Volk lieber hat als ein Volk, das lernt, zusammenzuarbeiten.

Ihr zeigt uns, dass Begegnung nicht bedeutet, dass man sich verstellt, und auch nicht, dass man dasselbe denkt oder den gleichen Lebensstil pflegt, indem man dieselben Dinge tut und nachmacht, dieselbe Musik hört oder das Trikot derselben Fußballmannschaft trägt. Nein, das ist nicht gemeint. Die Kultur der Begegnung ist ein Aufruf und eine Einladung, mit Mut einen gemeinsamen Traum lebendig zu halten. Ja, einen großen Traum, der in der Lage ist, alle miteinzubeziehen. Es ist der Traum, für den Jesus am Kreuz sein Leben hingegeben hat und für den der Heilige Geist sich ergoss und das Pfingstereignis in die Herzen eines jeden Mannes und einer jeden Frau einbrannte, in deinem und in meinem Herzen, in der Hoffnung, dass er Raum findet, um zu wachsen und sich zu entfalten. Ein Traum namens Jesus, der vom Vater im Vertrauen darauf ausgesät wurde, dass er in jedem Herzen wachse und lebe. Ein Traum, der durch unsere Adern fließt, das Herz bewegt und jedes Mal neu bewegt, wenn wir die Worte hören: »Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Joh 13,34-35).

„Das Christentum ist Christus“

Ein Heiliger von hier sagte gerne: »Das Christentum ist nicht eine Ansammlung von Wahrheiten, die zu glauben sind, und von Geboten und Verboten, die zu beachten sind. So verstanden ist es keineswegs attraktiv. Das Christentum ist eine Person, die mich so sehr geliebt hat und die meine Liebe ersehnt und verlangt. Das Christentum ist Christus« (OSCAR ROMERO, Predigt, 6. November 1977); es besteht darin, den Traum fortzuführen, für den er sein Leben hingegeben hat, es besteht darin, mit derselben Liebe zu lieben, mit der er uns geliebt hat.

Wir fragen uns: Was hält uns zusammen? Warum sind wir zusammen? Was bringt uns dazu, zusammenzukommen? Es ist die Gewissheit, dass wir zutiefst geliebt sind, und diese Liebe wollen und können wir nicht verschweigen. Sie bringt uns vielmehr dazu, auf die gleiche Weise zu antworten: mit Liebe. Es ist die Liebe Christi, die uns antreibt (vgl. 2 Kor 5,14).

Glaubst du an die Liebe?

Diese Liebe ist nicht aufdringlich und nicht erdrückend, sie grenzt nicht aus und bringt nicht zum Schweigen, sie demütigt nicht und unterwirft nicht. Die Liebe des Herrn ist eine alltägliche Liebe, diskret und respektvoll, sie liebt die Freiheit und sie befreit, sie ist eine Liebe, die heilt und erhebt. Die Liebe des Herrn kennt sich eher mit dem Wiederaufstieg als mit dem Fall aus, mehr mit der Versöhnung als mit Verboten, mehr mit dem Gewähren neuer Möglichkeiten als mit der Verdammnis, mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit. Es ist die stille Liebe einer dienend und hingebungsvoll ausgestreckten Hand, die sich ihrer Verdienste jedoch nicht rühmt.

Glaubst du an diese Liebe? Ist das eine Liebe, die „sich lohnt“?

Dieselbe Frage und derselbe Ruf erging an Maria. Der Engel fragte sie, ob sie diesen Traum in ihrem Schoß tragen und ihm Leben schenken, ihm zu einem leibhaftigen Menschen machen wolle. Sie sprach: »Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38). Maria vermochte „Ja“ zu sagen. Sie war in der Lage, den Traum Gottes mit Leben zu erfüllen. Und es ist das Gleiche, was der Engel dich, dich und mich fragen möchte: Willst du, dass dieser Traum wahr wird? Willst du ihn mit deinen Händen und Füßen, mit deinem Blick und deinem Herzen wirklich werden lassen? Möchtest du, dass die Liebe des Vaters dir neue Horizonte eröffnet und dich auf Pfaden führt, die du dir nie vorgestellt und erdacht hättest, die du dir nie erträumt oder von denen du nie erwartet hättest, dass sie dein Herz so erfreut singen und tanzen ließen?

Kein Dokument, kein Programm

Werden wir wie Maria zum Engel sagen können: „Siehe, wir sind Knechte und Mägde des Herrn, uns geschehe...“?

Liebe Jugendliche, dieser Weltjugendtag wird nicht zu einer Quelle der Hoffnung durch ein Abschlussdokument, durch eine Übereinkunft oder ein Programm. Diese Begegnung strahlt Hoffnung aus dank eurer Gesichter und eures Gebets. Jeder wird mit dieser neuen Kraft nach Hause zurückkehren, die immer dann entsteht, wenn wir uns mit anderen und mit dem Herrn treffen, erfüllt vom Heiligen Geist, um jenen Traum zu erinnern und am Leben zu erhalten, der uns zu Brüdern und Schwestern macht und den wir – das ist unsere Berufung – im Herzen der Welt nicht erstarren lassen wollen: Egal wo wir sein werden, egal was wir tun werden, immer können wir nach oben schauen und sagen: „Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast.“ Wollen wir das gemeinsam wiederholen? „Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast.“

Wir können diese erste Zusammenkunft nicht beenden, ohne zu danken. Danke allen, die diesen Weltjugendtag mit großer Begeisterung vorbereitet haben. Danke, dass ihr den Mut hattet, alles herzurichten und Gäste aufzunehmen, dass ihr „Ja“ gesagt habt zu dem Traum Gottes, seine Söhne und Töchter vereint zu sehen. Danke an Erzbischof Ulloa und alle seine Mitarbeiter, die dazu beigetragen haben, dass Panama heute nicht nur ein Kanal ist, der die Meere verbindet, sondern auch ein Kanal, in dem der Traum Gottes weitere kleine Kanäle findet, um zu wachsen, sich weiter zu verzweigen und in alle Ecken der Erde auszustrahlen.

Liebe Freunde, Jesus segne euch und Unsere Liebe Frau von Antigua begleite euch immer, sodass wir wie sie ohne Angst sagen können: »Hier bin ich, so soll mir geschehen«.“

(vatican news – sk)


 

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25. Januar 2019, 07:40