Verteidigungsminister Pistorius Verteidigungsminister Pistorius  (AFP or licensors)

D: „Krieg ist schnell herbeigeredet“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sollte nach Ansicht des evangelischen Friedensbeauftragten Friedrich Kramer seine Worte im Bezug auf Aufrüstung sorgsamer wägen.

Wenn der Minister sage, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, sei das „grundfalsch, denn er macht nicht mehr deutlich, dass es um Verteidigung geht“. Das schreibt der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland in einem Gastbeitrag für die „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ von diesem Donnerstag. „Die Sprache muss präzise sein, denn ein Krieg ist schnell herbeigeredet, und das ist verantwortungslos.“

Es sei verständlich, dass Pistorius angesichts der Bedrohungslage, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine entstanden sei, Deutschland verteidigungsfähig machen wolle, so Kramer. „Aber 'kriegstüchtig' spricht nicht von einer Reaktion, sondern von einer Aktion, und dies hat kein Abschreckungs-, sondern ein Bedrohungspotenzial. Das ist nicht zu akzeptieren.“

„Wer Friedensverhandlungen fordert, wird lächerlich gemacht“

Gleichzeitig mahnte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an, dass es zur Verteidigung des Friedens vor allem eine Zivilgesellschaft brauche, die grundsätzlich Krieg ablehne. In diesem Zusammenhang kritisierte der Bischof, dass Menschen, die Friedensverhandlungen forderten, „hart angegangen und lächerlich gemacht werden“.

Der Ukraine einen gewaltfreien Widerstand verordnen zu wollen, sei vermessen, fügte Kramer hinzu. „Doch das heißt nicht, dass nicht auch in diesem Krieg wie auch sonst angesichts der zahllosen Konflikte in der Welt auf das große Potenzial des gewaltfreien Widerstands hingewiesen und über ernst zu nehmende Alternativen zu militärischen Konzepten der Verteidigung nachgedacht werden kann und darf, ja muss.“

An der Front in der Ukraine, an diesem Dienstag
An der Front in der Ukraine, an diesem Dienstag

Waffenlieferungen als Ultima Ratio

Der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hat derweil die evangelische Kirche aufgerufen, ihre ethischen Positionen zu Krieg und Frieden weiterzuentwickeln. „Der Beginn des Ukraine-Krieges vor zwei Jahren hat uns auf brutale Weise bewusst gemacht, dass sich friedensethische Positionen immer wieder neu den gegenwärtigen Bedrohungen durch Krieg und Gewalt stellen müssen“, sagte Gohl am Dienstag bei einer Tagung in Bad Boll.

Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei eine Zeitenwende verbunden gewesen. „Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass im Jahr 2022 ein souveräner Staat in Europa angegriffen wird“, sagte Gohl. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Waffenlieferungen beschäftige weiterhin viele Christen. Er habe sich 2022 für die Lieferung von Waffen an die Ukraine als „Ultima Ratio (letztes Mittel) christlichen Handelns“ ausgesprochen, „wohl wissend“, dass er damit eine theologische Position einnehme, die mit einem unbedingten Pazifismus nicht vereinbar ist.

„Keinen Automatismus, politische Fragen theologisch entscheiden zu können“

Mit Waffen könne jedoch eine das Recht erhaltende oder auch das Recht wiederherstellende Gewalt verbunden sein. „Die Ermordung Alexej Nawalnys zeigt einmal mehr, wie berechtigt das Anliegen ist, sich gegen die menschenverachtende Gewalt des Putin-Regimes mit diesen Möglichkeiten zu verteidigen“, sagte Gohl.

Die Debatte um Krieg und Frieden sei keine rein politische, sondern auch eine ethische und theologische Frage, betonte der Landesbischof. Es gebe zwar „keinen Automatismus, politische Fragen theologisch entscheiden zu können“. Umgekehrt müsse sich jede Theologie aber fragen lassen, ob sie eine Bedeutung für die Gegenwart habe, wenn sie sich aus politischen Fragen heraushalte.

Die Debatte der vergangenen zwei Jahre habe gezeigt, „dass wir als Kirche eine neue Position erarbeiten müssen, um den friedensethischen Grundanliegen, die wir teilen, weiter gerecht werden zu können“. Dazu gehöre es auch, präventiver Friedensarbeit größeres Gewicht zu verleihen. „Ich bin überzeugt, dass wir da als Kirchen noch mehr tun können und tun müssen“, sagte Gohl.

(kna – sk)
 

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21. Februar 2024, 10:48