Der BKU-Vorsitzende Ulrich Hemel im Radio-Vatikan-Studio Der BKU-Vorsitzende Ulrich Hemel im Radio-Vatikan-Studio 

Unternehmervertreter: „Für junge Menschen attraktiv werden“

Ulrich Hemel ist Unternehmer und Vorsitzender des Bundes katholischer Unternehmer (BKU) in Deutschland. Er war an diesem Freitag im Rahmen des UNIAPAC-Weltkongresses bei der Papst-Audienz für den internationalen Verband christlicher Unternehmer. Wir sprachen im Anschluss mit ihm.

Radio Vatikan: Herr Hemel, in der Audienz hat der Papst Sie sehr eindringlich dazu eingeladen, eine Allianz mit den jungen Teilnehmern an dem Forum „Economy of Francesco“ in Betracht zu ziehen. Ist das ein bisschen unrealistisch, oder inwieweit könnte Papst Franziskus mit dieser Aufforderung richtig liegen?

Ulrich Hemel, Unternehmer, Vorsitzender des BKU und Mitglied des Synodalen Weges: „Er hat ja in doppelter Hinsicht Recht. Denn junge Menschen sind unsere Zukunft, und noch mehr, wir haben Verantwortung für zukünftige Generationen. Das bedeutet: Gerade diese Verbindung mit den jungen Menschen weist auch auf unsere ökologische und soziale Verantwortung.

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Ein weiterer Teil seiner Rede bezog sich ja darauf, dass wir niemanden zurücklassen sollen, dass wir eine inklusive Wirtschaft brauchen, die auch Schwächere mitberücksichtigt. Und wir wissen ja selber, dass es gerade als junger Mensch nicht immer einfach ist, in die Arbeitswelt einzusteigen, den eigenen Weg zu finden, die eigenen Talente zu entfalten - bis hin zur massiven Jugendarbeitslosigkeit, die wir in einigen Ländern haben, zum Glück nicht in Deutschland, aber in vielen Ländern weltweit.“

Die Audienz der Teilnehmer am UNIAPAC-Kongress bei Papst Franziskus
Die Audienz der Teilnehmer am UNIAPAC-Kongress bei Papst Franziskus

Radio Vatikan: Inwieweit fühlen Sie sich denn beim Papst in Ihren Anliegen, die sie als katholischer Unternehmer im BKU und in der UNIAPAC vertreten, auch unterstützt und bestärkt?

Ulrich Hemel: „Da ist die Antwort ein klares teils teils… Viele Unternehmer und Unternehmerinnen waren schon bestürzt, als er gesagt hatte: ,Diese Wirtschaft tötet‘. Wobei es, wenn man die Texte genau liest, schon richtig ist, dass es Formen der Wirtschaft gibt, die ausbeuterisch sind, die töten, die Lebenschancen schmälern… Und er möchte ja mit seiner Economy of Francesco eine neue Form des Wirtschaftens, die soziale Gerechtigkeit, ökologische Anliegen und, wenn ich so sagen darf, Wohlstand für alle, soweit das möglich ist, verbindet.

Also, das war ein schwieriger Lernweg, aber ich glaube, dass er selber auch einen Lernweg zurückgelegt hat und verstanden hat, dass die kreativen Impulse aus der Unternehmerschaft wichtig sind. Ich mache das an einem Beispiel fest: Die christliche Soziallehre wäre nicht entstanden, wenn nicht vor über 100 Jahren christlich gesinnte Unternehmer gesagt hätten: ,Das, was hier passiert, ist ein Skandal', nämlich in Bezug auf die schlechte Industrialisierung am Anfang dieser großen Welle, auf der wir heute noch reiten.“

„Wie wollen wir den beispielsweise die Energiewende schaffen ohne zielführende Innovationen?“

Radio Vatikan: Inwieweit kann man denn derart hehre Ziele auch konkret unternehmerisch in die Tat umsetzen?

Ulrich Hemel: „Ja, das geht schon, wir haben ja in der Zwischenzeit einen ganz großen Strang in der Wirtschaft, der sich am Thema Gemeinwohl orientiert. Letzte Woche hatten wir in Hamburg unsere BKU-Jahrestagung mit dem Titel: Unternehmerisch Gemeinwohl schaffen. Da gibt es eine große Bandbreite von Positionen und die meisten denken, es geht nur darum, Steuern zu zahlen und Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.

Aber nein, es geht noch um viel mehr. Unterschätzt wird beispielsweise der Aspekt der Innovationen. Wie wollen wir den beispielsweise die Energiewende schaffen ohne zielführende Innovationen? Da gehen Unternehmer ins Risiko, sie scheitern manchmal, weil nicht alles gut läuft, wie man sich das vorstellen würde, aber manchmal haben sie eben auch Erfolg. Und das ist ein Beitrag des Unternehmertums zum Gemeinwohl, der häufig unterschätzt wird. Im Übrigen sind Unternehmer Menschen wie du und ich und möchten genauso in der Gesellschaft ankommen wie andere Leute auch. Also, insofern der Unternehmer als Feindbild - ich glaube, das ist ein Bild des 19. und 20. Jahrhunderts.“

„Der Unternehmer als Feindbild - ich glaube, das ist ein Bild des 19. und 20. Jahrhunderts“

Radio Vatikan: Zu einem ganz ähnlichen Thema, nämlich Gemeinwohl unternehmerisch schaffen, haben Sie ja jetzt auch Ihren Weltkongress hier in Rom. Inwieweit fühlen Sie sich da auf einer Linie mit dem Unternehmertum weltweit, mit dem katholischen Unternehmertum?

Ulrich Hemel: „Sehr stark. Die Verbindung untereinander ist deutlich, sie spürbar, sie ist auch emotional spürbar, weil wir alle als Bund katholischer Unternehmer, aber auch alle Partner- und Schwesterorganisation, wir stehen eben für eine wertorientierte Form des Unternehmertums, also eines Unternehmertums, der gerade nicht ökologisch und sozial blind ist, sondern der die Ganzheit des Lebens in den Blick nimmt.

Natürlich muss ein Unternehmen Gewinne erwirtschaften, sonst kann es nicht investieren, sonst kann es nicht überleben, das ist eine Grundvoraussetzung. Aber das Wesentliche ist doch, das Ganze nicht aus dem Blick zu nehmen. Und da gibt es sehr ermutigende Anzeichen, übrigens mit vielen jungen Menschen weltweit. Insofern haben wir uns das auch beim BKU zum Motto gemacht, dass wir für junge Menschen attraktiv sein wollen, für Männer und Frauen natürlich, das ist zwar banal, muss aber mitgesagt werden. Wir haben mittlerweile 70 junge Mitglieder im BKU, und wir haben uns als Strategie gewissermaßen eine Startup-Mentalität verschrieben. Es ist wichtig, dass wir hier lernen, aufzubrechen.“

Kontroversen in Freundschaft austragen

Radio Vatikan: Also insofern ja auch ganz auf einer Linie mit der Aufforderung des Papstes, junge Leute zu lehren, aber auch von ihnen zu lernen.

Ulrich Hemel: „Ich finde das enorm wichtig. Wir haben uns als BKU ja das Motto gegeben, wir halten Kontroversen aus und pflegen Freundschaft. Beide Seiten sind wichtig, dass es Marktplätze des Dialogs gibt, wo ganz unterschiedliche Meinungen wirklich zugelassen werden. Und wir haben das auch innerhalb des BKU, bei kirchlichen Positionen, auch teilweise bei unternehmerischen Positionen, aber uns verbindet doch ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Basis. Wir haben eine Basis in der christlichen Spiritualität und haben ein Ziel in einer Wirtschaft, die das Menschenleben fördert und die dem Menschenleben nützt - und nicht schadet.“

„Man darf nicht vergessen, die katholische Kirche als Weltkirche ist eben auch ein Hilfsmittel gegen Nationalismen aller Art“

Radio Vatikan: Wenn wir jetzt bei Deutschland bleiben wollen, Sie sind ja auch Mitglied im Synodalen Weg. Dort bringen Sie die unternehmerische Perspektive ein, aber auch die theologische, denn sie haben ja selbst Theologie studiert. Inwieweit kommt ihnen dieser Spagat zugute bei Ihrer Arbeit im Synodalen weg?

Ulrich Hemel: „Ich finde diese Brücke, wie es lieber nenne, unheimlich wichtig. Man darf nicht vergessen, die katholische Kirche als Weltkirche ist eben auch ein Hilfsmittel gegen Nationalismen aller Art. Jeder denkt zwar erst einmal an den eigenen Bereich, das kann manchmal zu engem Denken führen. Und ich finde, die Weite des Weges ist es, die viel ausmacht. Wir haben uns tatsächlich als BKU zunächst einmal auf organisatorische und finanzielle Fragen gestützt, da gibt es große Zukunftsaufgaben wie der katholischen Kirche in Deutschland. Wenn die Zahl der Katholiken von heute 22 Millionen auf morgen elf Millionen um die Hälfte sinkt, dann kann niemand erwarten, dass es keine Auswirkungen auf Finanzen, auf Aktivitäten, auf Verteilungsspielräume gibt.

Diesen Aufgaben hat sich die katholische Kirche in Deutschland in meinen Augen noch unzureichend gestellt. Sie muss es mutig anpacken, auch mit dem Mut, alte Zöpfe abzuschneiden, denn nichts ist gelöst mit der ,Rasenmähermethode‘, es muss ganz klar gesagt werden wo die Priorität liegt und wo gerade nicht. Das eine heikle Aufgabe, die zu vielen Kontroversen führen wird. Ich hoffe, dass wir diese Kontroversen einen guten Geist bewältigen können.“

„Wir wollen eine zukunftsfähige Kirche, wir wollen Fragen stellen und diese Fragen müssen beantwortet werden“

Radio Vatikan: Mit was für einer Erwartung gehen Sie dann in die nächste Synodale Versammlung, die kommendes Jahr in Frankfurt starten wird?

Ulrich Hemel: „Zunächst einmal war der Synodale Weg eine große Lernerfahrung für viele von uns. Das fängt an mit der Sitzordnung. Wir sitzen ja alphabetisch geordnet, das heißt, da hängt es eben von Ihrem Buchstaben im Alphabet ab, ob sie neben einem Bischof sitzen oder neben einer jungen Person aus dem BDKJ. Und die Menschen kommen ins Gespräch, sie sind ja neugierig. Diese kleinen Lernprozesse, das ist die eine Seite.

Die großen Lernprozesse sind die andere Seite, nämlich, dass wir alle gespürt haben, wir wollen eine zukunftsfähige Kirche, wir wollen Fragen stellen und diese Fragen müssen beantwortet werden. Ich denke, wir brauchen hier noch viel mehr Dialog. Wir brauchen mehr Kommunikation auch in die ausländischen Kirchen, jetzt aus deutscher Perspektive gesehen, wir brauchen viel mehr Dialog mit der Gesellschaft, aber auch einen Dialog zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und den Menschen, die im Vatikan und auch über den Vatikan hinaus Verantwortung tragen. Dieser Dialog hat kaum noch begonnen, er muss gestärkt werden.“

Verlängerung des Synodalen Prozesses als Chance 

Radio-Vatikan: Der Ad-limina-Besuch der Bischöfe Im November wird sicher eine gute Gelegenheit auch für diesen Dialog darstellen. Wie ist bei ihnen denn die Verlängerung des weltweiten Synodalen Weges angekommen?

Ulrich Hemel: „Ich glaube, und das ist nicht nur meine Meinung, das ist als eine große Chance angekommen, noch besser zuzuhören und noch mehr Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Wertschätzung fängt ja an mit Wahrnehmung. Und es wäre eine Fehlwahrnehmung zu meinen, dass die Herausforderungen der katholischen Kirche in Deutschland so ganz anders wären als die von anderen Ortskirchen. Die Probleme sind teilweise sehr, sehr ähnlich. Wir haben einen Bedeutungsverlust von Kirche im öffentlichen Raum, wir haben zu wenig spirituelle Strahlkraft - das ist ein großes Thema - und wir haben zu wenig Meinungsführerschaft in großen Bereichen des Lebens, sei es Öffentlichkeit und Medien, sei es aber eben auch durchaus Wirtschaft und Politik… Da gibt es ganz viel Nachholbedarf und viel Raum für Selbstbesinnung, auch kritische Selbstbesinnung.“

Radio Vatikan: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Ulrich Hemel: „Sehr gerne.“

Hintergrund

Der Bund katholischer Unternehmer (BKU) hat über 1000 Mitgliedsunternehmen und versteht sich als Stimme werteorientierter Unternehmer und Unternehmen in Deutschland. Er fußt insbesondere auf der Grundlage der christlichen Soziallehre und der sozialen Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft wird dabei als Friedensprojekt verstanden, insofern sie den freien Markt und die Suche nach Problemlösungen im Wettbewerb mit sozialen Mindeststandards verbindet. Mitglieder des Bundes sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Firmeninhaber, Selbstständige und leitende Angestellte.

Der BKU ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), im Internationalen Dachverband Christlicher Unternehmerverbände (UNIAPAC) und assoziiertes Mitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

(vatican news - cs)

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21. Oktober 2022, 16:40