Die Menge war müde und erschöpft - Jesus hatte Mitleid mit ihnen Die Menge war müde und erschöpft - Jesus hatte Mitleid mit ihnen 

Unser Sonntag: Das Programm des Erlösers

Die Evangelien - so sagt Professor Grohe in seiner Betrachtung zum Evangelium von diesem Sonntag - berichten von zahlreichen Begebenheiten, in denen Jesus barmherzig ist und den wahrhaftigsten Bedürfnissen der Menschen entspricht. Niemand, meint Grohe, der Jesu Barmherzigkeit begegnet ist, bleibt gleichgültig: Die erfahrene Güte wird zum Auftrag.

Prof. Dr. Johannes Grohe

Mk 6,34

Lesejahr B

Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange (Mk 6,34). Dem Evangelisten Markus gelingt es, uns in einem einzigen Satz so etwas wie ein Programm des Erlösers zu zeigen. Jesus sieht und erkennt – und setzt sich ohne zu zögern für die Armen ein, die im Elend sind.

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Das Jahr der Barmherzigkeit 2015/2016

Vor fünf Jahren hat Papst Franziskus das Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit ausgerufen und wollte damit im Leben der Kirche etwas in Erinnerung rufen, was er für wesentlich hält. In der Verkündigungsbulle schrieb er: Als Jesus sah, dass die vielen Menschen, die ihm folgten, müde und erschöpft waren, verloren und ohne Hirten, empfand Er tief im Innersten seines Herzens Mitleid mit ihnen (vgl. Mt 9,36). In der Kraft dieser mitleidenden Liebe heilte er die Kranken, die man zu ihm brachte (vgl. Mt 14,14), und mit wenigen Broten und Fischen machte er viele satt (vgl. Mt 15,37).

Jesu Barmherzigkeit und Mitleid

Was Jesus in all diesen Situationen bewegte, war nichts anderes als die Barmherzigkeit, mit deren Hilfe er im Herzen seiner Gegenüber zu lesen verstand und die es ihm erlaubte ihrem wahrhaftigsten Bedürfnis zu entsprechen. Als Er der Witwe von Naim begegnete, die ihren einzigen Sohn zu Grabe trug, empfand er ein solch starkes Mitleid mit diesem unendlichen Schmerz einer Mutter, die ihren Sohn beweinte, dass Er diesen vom Tod auferweckte und ihn ihr zurückgab (vgl. Lk 7,15) (Misericordiae Vultus, 11. April 2015).

Hier unsere Sonntags-Betrachtung im Video

Die erfahrene Güte wird zum Auftrag

Niemand, der Jesu Barmherzigkeit begegnet ist, bleibt gleichgültig: Die erfahrene Güte wird zum Auftrag, wie wir es schon in der vergangenen Woche bei der Ausendung der Jünger bedacht haben. Papst Franziskus führt zwei Beispiele an: Nachdem Er den Besessenen von Gerasa befreit hatte, gab Er ihm folgenden Auftrag: »Berichte alles, was der Herr für dich getan und wie er Erbarmen mit dir gehabt hat« (Mk 5,19). Das zweite Beispiel hat mit seinem eigenen Lebensweg zu tun: Auch die Berufung des Matthäus geschieht vor dem Horizont der Barmherzigkeit.

„Als Jesus an der Zollstelle vorbeikommt, fällt sein Blick auf Matthäus. Es ist ein Blick voller Barmherzigkeit, der die Sünden dieses Mannes vergab.“

Als Jesus an der Zollstelle vorbeikommt, fällt sein Blick auf Matthäus. Es ist ein Blick voller Barmherzigkeit, der die Sünden dieses Mannes vergab. Gegen den Widerstand der anderen Jünger wählt Er ihn, den Sünder und Zöllner, und macht ihn zu einem der Zwölf. Der heilige Beda Venerabilis schrieb in seinem Kommentar zu dieser Stelle des Evangeliums, dass Jesus den Matthäus mit barmherziger Liebe anschaute und erwählte: ‘miserando atque eligendo’. Dieses Wort hat mich so sehr beeindruckt, dass ich es zu meinem Wahlspruch machte (ebd.).

Was Jesus tut, das lehrt er und umgekehrt

Was Jesus tut, das lehrt er und umgekehrt. Johannes Paul II. hat mit Nachdruck darauf verwiesen: Im Rahmen der Bekundung der Gegenwart Gottes als Vater, Liebe und Erbarmen macht Jesus das Erbarmen zu einem der ‘Hauptthemen seiner Lehrtätigkeit’. Wie gewöhnlich, spricht er auch hier vor allem “in Gleichnissen”, da diese das eigentliche Wesen der Dinge besser zum Ausdruck bringen. Es genügt, in diesem Zusammenhang an die Gleichnisse vom verlorenen Sohn oder vom barmherzigen Samariter oder auch – als Gegensatz dazu – an das Gleichnis vom unbarmherzigen Diener zu erinnern.

Erbarmende Liebe unter immer neuen Gesichtspunkten

Zahlreich sind die Abschnitte in der Unterweisung Christi, welche die erbarmende Liebe unter immer neuen Gesichtspunkten schildern. … Diese Themen der Lehre Christi werden besonders vom Evangelisten Lukas behandelt, dessen Evangelium den Ehrennamen “Evangelium des Erbarmens” bekam (Dives in Misericordiae, 3).
Wenn wir davon ausgehen, dass die Jünger diesen Blick der Liebe und Barmherzigkeit von ihrem Meister gelernt haben, und auch wir uns in seiner Nachfolge um diese Haltung bemühen wollten, müssen wir dabei berücksichtigen, dass es sich um einen schrittweisen Prozess handelt. Im Evangelium finden wir immer wieder Passagen, die eine lieblose Haltung der Freunde Jesu gegenüber anderen Menschen zeigen.

„Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus“

Man kann sich vorstellen, dass die Begeisterung der Apostel zu diesem Zeitpunkt, von dem im heutigen Evangelium die Rede ist, nicht sehr groß gewesen sein dürfte. Sie sind gerade von ihrer erstem ersten Missionsauftrag des Meisters zurückgekehrt. Es gibt so viele Dinge aus dem Apostolat zu berichten, eine große und anspruchsvolle Aufgabe, die ihr Leben verändert hat. Erschöpft von der Strapaze und zugleich glücklich über die Sendung haben sie die Hoffnung, endlich eine Weile mit Jesus allein zu sein: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen (Mk 6, 31) – und dann wurde wieder nichts daraus.

Menschen verstecken sich hinter Zuständigkeiten

Liebe Schwestern und Brüder! In unserer Wohlstandsgesellschaft verstecken sich die Menschen gerne hinter Zuständigkeiten – man redet sich gerne ein, dass es immer jemanden geben wird, der sich um das Elend der anderen kümmert, der gewissenmaßen dafür da ist, dafür ‘zuständig’ ist. Wenn wir den Blick der Barmherzigkeit vom Meister lernen, dann werden wir immer das Klopfen an der Tür unseres Herzens hören, wenn wir Menschen begegnen, die leiden.

Das Herz des Christen muss reagieren

Das kann ein Mensch mit einer Behinderung sein, ein Kranker ohne Hoffnung auf Genesung, ein Drogenabhängiger, ein Bettler, ein Obdachloser, ein Flüchtling. Das Herz des Christen sollte reagieren; wir können nicht einfach vorbeigehen, ohne etwas zu tun, wie es das Gleichnis des Samariter uns lehrt. Wenn der Herr das Vorbild, der Bezugspunkt ist, müssen wir zumindest Mitgefühl haben, ein Gebet zum Himmel richten. Es gibt zweifellos Situationen, in denen wir selbst nicht in der Lage sind, materiell im konkreten Augenblick zu helfen. Aber auf der anderen Seite werden diejenigen, die gewöhnlich den ersten Schritt tun, das heißt sich nicht abwenden, sondern sich wenigstens dem Menschen in Not zuwenden, wenigstens über die Notlage nachdenken und beten, die vielleicht zunächst nur ein paar Worte sagen, dann aber mit Gottes Hilfe zur richtigen Zeit das passende Wort finden, ein Wort, das tröstet: die werden auch sicherlich dann das Werk der Barmherzigkeit tun, das möglich ist und dem Notleidenden hilft.

„Dives in Misericordia: Maria …kennt am tiefsten das Geheimnis des göttlichen Erbarmens.“

Schließen wir mit einem Blick auf Maria: Der hl. Johannes Paul II. schreibt in Dives in Misericordia: Maria …kennt am tiefsten das Geheimnis des göttlichen Erbarmens. Sie kennt seinen Preis und weiß, wie hoch er ist. In diesem Sinn nennen wir sie auch Mutter der Barmherzigkeit, Unsere Liebe Frau vom Erbarmen oder Mutter des göttlichen Erbarmens. Diese Namen haben einen tiefen theologischen Gehalt; denn Maria besaß die besondere Fähigkeit der Seele und der ganzen Persönlichkeit, in den verworrenen Ereignissen der Geschichte Israels und dann des Menschen und der ganzen Menschheit jenes Erbarmen wahrzunehmen, das uns nach dem ewigen Plan der heiligsten Dreifaltigkeit ‘von Geschlecht zu Geschlecht’ geschenkt wird (Dives in Misericordia 9).

(radio vatikan - claudia kaminski)

 

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17. Juli 2021, 09:49