Unser Sonntag: Auch wir sind ausgesandt

Wir leben in Zeiten nicht geringer Unsicherheit, meint Prof. Grohe. Er zeigt die Notwendigkeit einer besseren religiösen Bildung auf - und die Notwendigkeit, jede apostolische Sendung mit dem Gebet zu begleiten.

Prof. Dr. Johannes Grohe

Mk 6, 7-13

Lesejahr B

Jesus schickt seine Freunde aus, um als Zeugen von Gottes Güte aufzutreten. Er sendet sie, um jede Art von Krankheit und Gebrechen zu heilen, und er gibt ihnen Vollmacht über die Dämonen.

Hier zum Nachhören

Sie sollen auftreten wie er: einfach, arm, ganz auf ihre Sendung konzentriert: er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen (Mk 6,8-9).

Große Wirksamkeit, weil die Jünger auf Jesus hören

Die Jünger haben so gehandelt, und ihre Wirksamkeit war groß: Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie (Mk 6, 12-13). Als sie später zurückkommen, berichten sie beeindruckt und voll Freude, von dem was sie erlebt haben. Bei Lukas heißt es: sie kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen (Lk 10, 17). Nun bestand ihre Sendung natürlich nicht darin, Jesu Namen wie eine magische Formel einzusetzen, sondern den Herr selbst gegenwärtig zu machen.

„Wer Jesus nahe kommt, lernt vom Meister die Barmherzigkeit, mit der er einen jeden behandelt“

Sie haben ihn erlebt, wie er Anteil nahm, wenn er die Menschenmengen müde und erschöpft sah, wie Schafe ohne einen Hirten (vgl. Mk 6,34). Wer Jesus nahe kommt, lernt vom Meister die Barmherzigkeit, mit der er einen jeden behandelt, besonders die Armen, die Kranken, die Kinder und die reuigen Sünder. Das haben die Menschen gespürt, zu denen die Jünger kamen, und genau das hat sich immer wieder dann ereignet, wenn sich im Laufe der Jahrhunderte Männer und Frauen aufgemacht haben, um den Menschen nichts anderes als Christus selbst zu bringen.

Papst Franziskus mahnt zum Aufbruch

Bekanntlich ist dies eines der Anliegen des Heiligen Vaters: Papst Franzikus wird seit Beginn seines Pontifikats nicht müde, immer wieder zum Aufbruch zu mahnen: zum uscire: Als der Heilige Geist auf die Apostel herabkommt, lässt er sie herausgehen aus dem Raum, in dem sie sich aus Furcht eingeschlossen hatten, er lässt sie aus sich selbst herausgehen, und er verwandelt sie in Verkündiger und Zeugen von “Gottes großen Taten” (Audienz vom 22. Mai 2013). Nun sollte sich die Szene der Aussendung, die uns das heutige Evangelium vor Augen führt, in unserem Leben wiederholen.

Jeder von uns ist gerufen, persönlich!

Wir sind es, die in die Gegenwart des Herrn gerufen werden – eine jeder persönlich, mit seinem Namen – um von Jesus zu lernen, ein offenes Herz für die Nöte der Menschen zu haben, und dann zu ihnen aufzubrechen.
Niemand sollte einwenden, er sei auf diese Aufgabe nicht vorbereitet: ähnlich wie es Amos bezeugt: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter, und ich ziehe Maulbeerfeigen. Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel! (Am 7, 14-15). Worte, die sich jemand zu eigen machen und sagen könnte: “Ich ein Apostel? – Ich widme mich meinem Beruf, und es gibt niemanden in meiner Familie, der eine geistliche Berufung hat, Priester oder Ordensfrau, niemanden, der Katechet ist oder Mitarbeiter in einer kirchlichen Struktur” oder so ähnlich.

„Aber war es nicht von Anfang an in der Kirche so, dass das Evangelium von jedem weitergegeben wurde?“

Aber war es nicht von Anfang an in der Kirche so, dass das Evangelium von jedem weitergegeben wurde: Männer und Frauen, jung und alt und in den unterschiedlichsten Berufen: Haben nicht gerade die Menschen unterwegs damals die Frohe Botschaft in der ganzen damals bekannten Welt verbreitet: Missionare die reisten, und Reisende die missionierten, weil sie das, was sie empfangen hatten, nicht für sich behalten konnten. Beim unvergessenen Weltjugendtag in Köln 2005 rief Papst Benedikt den Jugendlichen zu: Wer Christus entdeckt hat, muss andere zu ihm führen.

Merkwürdige Gottvergessenheit

Eine große Freude kann man nicht für sich selbst behalten. Man muss sie weitergeben. Heute gibt es in großen Teilen der Welt eine merkwürdige Gottvergessenheit. Es scheint auch ohne ihn zu gehen. Aber zugleich gibt es auch ein Gefühl der Frustration, der Unzufriedenheit an allem und mit allem: Das kann doch nicht das Leben sein! (Predigt auf dem Marienfeld, 21. August 2005).
Man möchte der Kirche heute wünschen, dass sich wirklich alle an der Verkündi¬gung des Wortes beteiligen: Das Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst, heißt es in Lumen Gentium. Und weiter: Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. …

Besondere Berufung der Laien

Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann (LG 33). Harrt nicht diese wichtige Aussage des II. Vatikanums gerade heute einer beherzten Umsetzung? Manchmal hat man den Eindruck, dass Glieder der Kirche sich mehr um ein Amt in der Kirche sorgen, als den Auftrag wahrzunehmen, der ihnen bereits zukommt. Bereits zukommt, weil der Herr einen jeden von uns aussendet – und wie wir mit dem Epheserbrief sagen können – uns seit aller Ewigkeit dazu berufen hat: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel … in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen.

Wir sind Kinder Gottes

Wenn wir bereit sind, hinausgehen und die frohe Überzeugung, Kinder Gottes zu sein, mit anderen teilen, können wir vielen eine Hilfe ein. Vielleicht entdecken wir in der eigenen Familie, dass ein Kind, ein Verwandter, Zweifel an seinem Glauben hat, und wir geben – trotz unserer eigenen Unzulänglichkeiten – einen guten Rat. Wenn wir das tun, begreifen in Zeiten nicht geringer Unsicherheit in der Lehre deutlicher die Notwendigkeit einer besseren religiösen Bildung und die Notwendigkeit, jede apostolische Sendung mit dem Gebet zu begleiten.
Vor einigen Wochen haben wir das Herz-Jesu Fest gefeiert und uns vielleicht dabei an die Werke der Barmherzigkeit als Konkretisierung der Gottes- und Nächstenliebe erinnert.

„Neben den leiblichen Werken der Barmherzigkeit können wir auch mit geistlichen Werken helfen“

Neben den leiblichen Werken der Barmherzigkeit können wir auch mit geistlichen Werken helfen: diejenigen unterweisen, denen es an menschlicher und religiöser Bildung mangelt, einen guten Rat geben, wenn jemand im Zweifel ist, jemanden trösten, der einen besonderen Schicksalsschlag erlitten hat, der angesichts so vieler Probleme des Lebens den Lebensmut verloren hat... Für eine hochherzige Seele ist es immer ein Grund zu großer Freude, wenn ein Mensch an unserer Seite Frieden und Glück findet. Wir können alle mit Gebet, mit unserem Mitgefühl, mit ein wenig Mut wie die von Jesus ausgesandten Jünger den ein oder anderen Dämon der Entmutigung, der Verzweiflung, des fehlenden Glaubens an Gott, der törichten Abhängigkeit an eitle Dingen usw. verjagen.

Gottes Barmherzigkeit in der Welt gegenwärtig machen 

Es kommt auf einen Versuch an. Dann würde die Aussendung am Ende der Sonntagsmesse der Aussendung der Jünger ähneln. Der Schlussgruß Ite in pace, glorificando vita vestra dominum (Gehet in Frieden, verherrlicht den Herrn mit eurem Leben) dann nicht nur das Ende der Messfeier – das tut er natürlich –, sondern er gibt uns auch einen Auftrag für den folgenden Tag oder die folgende Woche: Gottes Barmherzigkeit in der Welt gegenwärtig zu machen.

(radio vatikan - claudia kaminski)

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10. Juli 2021, 11:00