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Deutscher Botschafter: Diplomatie kommt nicht ohne Kritik aus

Bei der großen Ansprache des Papstes an die Diplomaten war der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Michael Koch, live dabei. Im Interview mit uns zieht er Bilanz aus deutscher Sicht.

Er sieht Übereinstimmungen in vielen Bereichen - etwa beim Thema Völkerrecht, Menschenrechte oder Multilateralismus - „dem Prinzip, dass wir füreinander Verantwortung wahrzunehmen haben". Mit Blick auf die Spannungen zwischen USA und dem Iran sei er „sehr sicher, dass die päpstliche Diplomatie in diesem Sinne genauso wie die deutsche Diplomatie ihren Beitrag leistet".

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Radio Vatikan: Herr Botschafter, Franziskus hat viele Themen angesprochen. Was war aus Ihrer Sicht für Deutschland besonders wichtig?

Koch: Die Rede hat alle Regionen der Welt in irgendeiner Form angesprochen, aber auch eine Reihe von geschichtspolitischen Daten. Darunter auch der 30 Jahre vergangene Fall der Berliner Mauer. Für Deutschland ist aber vor allem eine außerordentlich große Übereinstimmung bei der Definition der Grundlinien internationaler Politik wichtig. Dazu hat sich der Papst dieses Mal besonders ausgeprägt geäußert: Zur Herrschaft des Rechts, zum Völkerrecht, aber natürlich auch wieder zu den Themen Multilateralismus - dem Prinzip, dass wir füreinander Verantwortung wahrzunehmen haben -, Menschenrechte. Er hat eine ganze Reihe von Themen der global governance angesprochen, das Thema Migration. Bei all diesen Themen gibt es große Übereinstimmung des Heiligen Stuhls mit den Positionen unseres Landes.

Das Interview zum Nachhören

Radio Vatikan: Der Papst hat konkret von einer „Krise des Multilateralismus“ gesprochen. Wie kann Deutschland den Papst hier unterstützen?

Koch: Diese Aussage war sicher eine der besonders interessanten Passagen. Die Vereinten Nationen hat er als weit überwiegend erfolgreich in ihren wesentlichen Zielen beschrieben. Aber dass Multilateralismus als Grundgedanke der internationalen Politik unter Druck steht, liegt auf der Hand. Da ist dem Papst zuzustimmen. Deutschland hat bereits vor langer Zeit begonnen, eine Allianz für den Multilateralismus zu organisieren - also sich besonders mit den Länden abzustimmen - um zu überlegen, was man dem entgegenhalten kann. Gerade in diesem Punkt stimmen wir völlig überein.

Radio Vatikan: Außenpolitisch beschäftigt auch ein anderes Thema im Moment sehr und bereitet vielen Sorge: Die Spannungen zwischen USA und dem Iran. Auch darauf ist der Papst heute noch einmal eingegangen. Die Situation ist heikel – inwieweit kann der Franziskus da erfolgreich vermitteln?

Koch: Der Papst hat in seiner Rede heute ja keine Namen genannt, als er sich zu dem Konflikt geäußert hat. Wenn man es sich im Einzelnen anhört, ist aber unverkennbar, dass sich verschiedene generische Aussagen darauf beziehen: Etwa der Hinweis, dass ein solcher Konflikt unter Beachtung des Völkerrechts zu lösen sei und Ähnliches mehr. Die Hoffnung auf Frieden als dem überragenden Ziel jedweder Außenpolitik. In dieser schwierigen Phase – auch wenn wir seit gestern Abend ja Grund zur Annahme haben, dass es sich vielleicht ein ganz kleines bisschen entspannt hat – gibt es ganz viele Kontakte durch die deutsche Außenpolitik. Ich bin sicher, die gibt es auch von Seiten des Heiligen Stuhls, um auf alle Seiten einzuwirken, zu überlegen, wie man auch wieder ins Gespräch kommen kann. Ich bin sehr sicher, dass die päpstliche Diplomatie in diesem Sinne genauso wie die deutsche Diplomatie ihren Beitrag leistet.

„Sehr viel mehr kann man glaube ich kaum von einer solchen Rede erwarten.“

Radio Vatikan: Gab es ihrer Meinung nach ein Thema, dass in der Rede des Papstes an die Diplomaten gefehlt hat, oder einen Punkt, an dem er noch deutlicher sein könnte?

Koch: Irgendwelche Dinge fallen immer unter den Tisch. Aber ich glaube, es war eine sehr umfassende tour d'horizon – auch sehr differenziert, der Stoff wurde auf verschiedenen Ebenen behandelt: einerseits Länder, andererseits Themen, drittens geschichtspolitische Daten. Sehr viel mehr kann man, glaube ich, kaum von einer solchen Rede erwarten.

„natürlich muss Diplomatie auch Kritik äußern können. Das hat der Papst in dieser Rede getan. Das wird auch wahrgenommen, von denjenigen, die es betrifft.“

Radio Vatikan: Und wie war während der Rede die Stimmung unter Ihnen und den Kollegen, der Papst hat ja auch einige kritische Sachen gesagt… Wie kam diese Rede an?

Koch: ich glaube, sehr gut. Solche Diktionen sind im diplomatischen Verkehr üblich. Es ist ja auch nicht so, dass Diplomatie ohne Kritik auskommt. Sie wird nur in einer zurückgenommenen Form geäußert und entpersonalisiert. Aber natürlich muss Diplomatie auch Kritik äußern können. Das hat der Papst in dieser Rede getan. Das wird auch wahrgenommen von denjenigen, die es betrifft. Das ändert aber nichts an der guten Stimmung. Das sind professionelle Diplomaten - das gehört zum Geschäft dazu.

(vatican news)

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09. Januar 2020, 16:18