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Rami Elhanan (l) und Bassam Aramim (r) direkt nach der Audienz bei Papst Franziskus Rami Elhanan (l) und Bassam Aramim (r) direkt nach der Audienz bei Papst Franziskus 

Rami und Bassam: Papst „einzige klare Stimme“ des Friedens

Die beiden „Friedens-Väter“, ein Israeli und ein Palästinenser, mussten den Tod ihrer beiden kleinen Töchter verkraften - die eine starb durch die Kugel eines israelischen Soldaten, die andere durch ein Attentat. Die beiden Männer konnten am Mittwoch Franziskus bei der Generalaudienz begrüßen. Anschließend berichteten sie im Interview mit Radio Vatikan über ihre „berührende und inspirierende“ Begegnung mit dem Papst.

Francesca Sabatinelli und Christine Seuss - Vatikanstadt

Papst Franziskus hatte sich bei der Begegnung die Gesichter der beiden jungen Mädchen auf dem Foto angesehen und sie gesegnet. „Er hat fast geweint, als wir das Foto der Mädchen gezeigt haben. Er war tief bewegt, er hat uns umarmt“, sagten Rami Elhanan und Bassam Aramin, die im Moment des Gesprächs immer noch erfüllt von der Begegnung mit dem Papst waren. Franziskus hatte sie beide am Ende seiner Katechese bei der Generalaudienz erwähnt.

Zum Nachhören - was die beiden Friedens-Väter sagen

Der eine ist Israeli, der andere Palästinenser aus Jericho. Ersterer verlor Smadar, die 1997 im Alter von 14 Jahren bei einem Anschlag im Zentrum Jerusalems getötet wurde, während Bassam Abir zu Grabe tragen musste, die 2007 im Alter von zehn Jahren von einem israelischen Soldaten erschossen wurde, als sie von der Schule nach Hause ging.

Ihre Begegnung mit dem Papst am Mittwochmorgen war unerwartet, sie wussten zwar, dass sie an der Generalaudienz teilnehmen würden, aber „ich hatte nicht erwartet, dass er uns persönlich begrüßen würde. Es war ein Treffen voller Menschlichkeit“, fuhr Rami fort. „Wir sprachen darüber, dass ich Jude bin, dass Bassam Aramin Muslim und dass der Papst Christ ist, dass wir aber alle Menschen sind, die Brüder sein können. Und er hat uns gebeten, für ihn zu beten, das war unglaublich.“

Ein Moment der Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt
Ein Moment der Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt

Nicht Freunde, sondern Brüder

„Unsere Freundschaft steht über jedem Konflikt, und wir haben den Papst gebeten, für ein freies Palästina, für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern und für einen Waffenstillstand zu beten, was das Wichtigste ist.“

„Es war eine große Überraschung für uns“, fügt Aramin hinzu, „wir hatten erwartet, ihm die Hand zu schütteln und nicht zu einem privaten Treffen gerufen zu werden, das sehr inspirierend und bewegend war. Er sagte uns, dass wir alle Brüder sind, und ich sagte ihm, dass - wie Jesus sagt, liebe deinen Feind - Rami und ich, die eigentlich Feinde sein sollten, einander lieben. Wir sind keine Freunde, sondern Brüder. Unsere Freundschaft steht über jedem Konflikt, und wir haben den Papst gebeten, für ein freies Palästina, für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern und für einen Waffenstillstand zu beten, was das Wichtigste ist.“

Die einzige Stimme für den Frieden in der Welt

„Einem Verbrechen tatenlos zuzusehen, ist ebenfalls ein Verbrechen.“

Die Stimme des Papstes ist von grundlegender Bedeutung für die beiden Männer, die seit dem Tod ihrer Töchter nicht nur Freundschaft, sondern auch ihr Engagement für Frieden und Gerechtigkeit durch die Vereinigung „The Parents Circle“ teilen. Eine Geschichte, die der irische Schriftsteller Colum McCann in seinem Roman Apeirogon erzählt, der 2022 auf Deutsch bei Rohwohlt erschien (in der Originalausgabe 2020) und der von der Kritik hoch gelobt wurde.

„Franziskus", erklären die beiden Väter, „ist die wichtigste Stimme des Friedens in der Welt“. Sie hoffen, dass die „freie und zivilisierte Welt“ nicht tatenlos zusehe, wie es vor 80 Jahren geschah, als „sie meine Großeltern in Auschwitz in die Öfen brachten“, so Rami Elhanan. Auch heute stehe die „zivilisierte Welt weiterhin abseits, während die Gräueltaten in Gaza stattfinden. Einem Verbrechen tatenlos zuzusehen, ist ebenfalls ein Verbrechen“, so die einvernehmliche Klage der beiden Männer, die sich seit dem erlittenen unsäglichen Schmerz für Frieden einsetzen. Ein Unterfangen, bei dem sie den Papst an ihrer Seite wissen: „Inmitten dieses Schweigens ist Franziskus die einzige klare Stimme, um Frieden zu schaffen und diesen Gräueltaten ein Ende zu setzen“, fügt Aramin hinzu.

Schmerz hört nie auf

Rami und Bassam bekräftigen ihren Respekt für Franziskus, dafür, „dass er unserer Geschichte zugehört“ hat, die „sehr, sehr traurig“ war. Dass er sich auch mit ihrem Schmerz identifiziert habe, „der sich im Laufe der Zeit nicht verändert hat und nicht aufgehört hat, 24 Stunden am Tag, denn ein Sohn oder eine Tochter ist dein Herz“.

Doch letztlich ist es genau dieser grausame und unendliche Schmerz, der ihnen die Motivation dazu verschafft, was sie tun: nicht zu schweigen und die Botschaft des Friedens und der Geschwisterlichkeit weiter zu verbreiten. Ein Schmerz, den sie als „Energie“ ansehen, die genutzt werden kann, „um Dunkelheit, Zerstörung, Schmerz und Tod über die Menschen zu bringen“, oder aber, „um Licht, Wärme und Hoffnung zu bringen“: „Die Mädchen, die hinter uns stehen, die uns vorwärts treiben, die uns in Bewegung bringen und uns einen Grund geben, morgens aufzustehen, um etwas für den Frieden zu tun, und nicht, um andere Menschen zu töten“,  gäben ihnen die Kraft dazu, weiterzumachen, um nie aufzuhören. Dazu gehöre auch, mit gemeinhin als „Feinden“ betrachteten Menschen über den Frieden zu sprechen - denn „in Wirklichkeit ist der wahre Feind der Hass, den man fühlt. Wenn man nur das fühlt, bringt man sich selbst um“, so Bassam.

Nein zur Rache

Wut und Hass sollten genutzt werden, „um die Botschaft des Friedens und des Lichts zu verbreiten, und nicht, um sich zu rächen, denn wenn man sich rächen will, muss man zwei Gräber schaufeln, eines für den Feind und eines für sich selbst“, so die beiden Männer: „Selbst wenn wir alle Araber auf der Welt töten würden, oder alle Juden auf der Welt oder alle Christen auf der Welt, unsere Mädchen werden nicht zurückkehren und der Schmerz wird derselbe sein, nichts wird ihn ändern“, so Rami.

„In einem Staat, in zwei Staaten, in 10.000 Staaten, sonst werden wir weiterhin unsere Kinder unter diesem Land begraben.“

Gerade um zu verhindern, dass ein anderer so sehr leidet, wie sie gelitten haben und immer noch leiden, wiederholen Rami und Bassam, dass der einzige Weg darin besteht, „Hoffnung zu zeigen und nach vorne zu schauen und zu verstehen, dass die Palästinenser nirgendwo hingehen und dass die Israelis auch nirgendwo hingehen“. Dass man „dazu verurteilt ist, in diesem unserem Heiligen Land zu leben“ und dass man „dazu verurteilt ist, es auf die eine oder andere Weise zu teilen: in einem Staat, in zwei Staaten, in 10.000 Staaten, sonst werden wir weiterhin unsere Kinder unter diesem Land begraben“.

Helfen, die Herzen zu verändern

Rami und Bassam sagen, wie viele andere Israelis und Palästinenser auch, unpopuläre Dinge, schwimmen gegen den Strom, aber sie tun das schon seit 26 Jahren - und jetzt, nach dem 7. Oktober, noch mehr. Auf ihrem Weg haben sie Freunde verloren und neue gefunden, und auch neue Brüder. Denn die beiden haben entschieden, „auf welcher Seite der Geschichte“ sie stehen müssten und „den Schmerz positiv zu nutzen, trotz der Konsequenzen“. Damit wollen sie ihren Beitrag dazu leisten, „die Herzen und Köpfe der Menschen zu verändern, damit sie zeigen können, dass sie zusammenleben können. Ich bin überzeugt, dass die Verräter von heute die Helden von morgen sind", schmunzelt Rami in dem Wissen, dass es Menschen gibt, die ihn für einen Verräter halten.

(vatican news)

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27. März 2024, 17:49