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Marsch in Erinnerung an die römischen Deportationen Marsch in Erinnerung an die römischen Deportationen  (ANSA)

Italien: 1000 Schritte gegen das Vergessen

Das Gedenken an die Shoa und der Schutz jüdischen Lebens sind eine große Aufgabe. Sie kann aber auch im Kleinen, im Privaten geschehen. Zahlreiche Initiativen widmen sich dem Andenken an das Vergangene und der Warnung an kommende Generationen. Ein Beispiel sind Friederike und Tobias Wallbrecher.

Wenzel Widenka - Vatikanstadt

Das in Rom lebende Ehepaar hat vor über zehn Jahren den Verein „Gedenken wir gemeinsam" gegründet. Christen und Juden organisieren hier gemeinsam jedes Jahr einen Gedenkmarsch. Ausschlaggebend für die Gründung des Vereins war eine Begegnung mit den jüdischen römischen Schwestern Grazia, Rivka und Sara Spizzichino. Sie sind die Großnichten von Settimia Spizzichino, der einzigen Römerin, die die Deportationen vom 16. Oktober 1943 überlebt hatte. Gemeinsam beschloss man, zusammenzuarbeiten.

„Jedes Jahr im Oktober veranstalten wir erstens ein gemeinsames Treffen von Juden und Christen im Zentrum des Petersplatzes,“ erklärt Tobias Wallbrecher. „Dann den Marsch der 1000 Schritte vom Vatikan zum Palazzo Salviati, in dem damals das Gefängnis war. Heute ist es eine Militäruniversität. Drittens den Moment des persönlichen Gedenkens an diesen dem Vatikan so nahe gelegenen Ort.“

Ester Liber, Holocaustüberlebende, zeigt ein Foto von ihr und hrer Schwester
Ester Liber, Holocaustüberlebende, zeigt ein Foto von ihr und hrer Schwester

Gerade heute sei es wieder geboten, als Christen aufzustehen und des Geschehenen zu gedenken. Teile davon wiederholten sich allerdings auch heute, warnt Friederike Wallbrecher. Gedenken beginne vor allem bei sich selbst. Dazu gehöre auch zu klären, wo man in den aktuellen Kontroversen steht. Auf Zeitzeugen kann man dabei immer weniger zurückgreifen, weil diese versterben. Dadurch verändert sich auch das Gedenken. Es sei Aufgabe der zweiten und dritten Generation, die Wahrheit in der eigenen Familie aufzudecken und davon zu berichten. Auch diese Zeugnisse seien wichtig, genau wie es die Zeugnisse der ersten Generation waren.

Vieles hat sich in den letzten Jahrzehnten getan. Das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Erklärung „Nostra Aetate“ zum Verhältnis zum Judentum sei ein großer Schritt gewesen. Doch es müsse mehr getan werden. Das erfordere auch kontinuierliche Bildung, meint Tobias Wallbrecher: „So haben wir uns entschlossen, hier in Rom, nahe dem Vatikan, ein Zentrum für kontinuierliche Studien, Reflexionen und zur Aufklärung über den uralten Antijudaismus, den christlichen Antisemitismus, zu eröffnen, in dem Juden und Christen zusammenarbeiten können."

Zaun im Lager Auschwitz
Zaun im Lager Auschwitz

Es sind persönliche Begegnungen zwischen Juden und Christen, die Friederike und Tobias Wallbrecher motivieren, trotz allem weiterzumachen. Jeder könne damit beginnen, sich zu verändern und zur Heilung der Welt beizutragen. Denn, so ist sich Friederike Wallbrecher sicher: „Nach dem 7. Oktober 2023 können wir nicht mehr so weitermachen wie bisher.“

(vn - ww) 

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26. Januar 2024, 15:15