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Erzbischof Erio Castellucci (mittig) mit Freiwilligen, Pädagogen und Vertretern von Coopattiva Erzbischof Erio Castellucci (mittig) mit Freiwilligen, Pädagogen und Vertretern von Coopattiva 

Weihnachten im Gefängnis: Arbeit als „einziges Geschenk“

Arbeit ist für die Häftlinge der Haftanstalt Sant’Anna das „beste Geschenk“ – vor allem zur Weihnachtszeit, wo vielen der Insassen buchstäblich die Decke auf den Kopf fällt. Das berichtet der Erzbischof der Diözese Modena-Nonantola, Erio Castelucci, im Interview mit Radio Vatikan.

Roberta Barbi und Anne Preckel - Vatikanstadt

Erzbischof Castelucci hat die Insassen der bei Modena gelegenen Haftanstalt in der Weihnachtszeit besucht. Die Sozialgenossenschaft Coopattiva führt dort ein Arbeitsprojekt für Häftlinge durch, das von der Diözese mitfinanziert wird. Acht Häftlinge nehmen seit September 2022 daran teil und montieren Teile für landwirtschaftliche Maschinen. Es ist ein Lichtblick, eine Perspektive in einem schwierigen Kontext:

„Im Moment sind es nur drei Stunden Arbeit pro Tag, aber viele Insassen haben mir gesagt, dass es die drei Stunden sind, die dem Tag einen Sinn geben“, berichtet Erzbischof Castellucci. „Trotz der Bemühungen der Gefängnisse ist eine Haftanstalt der Bildung nicht gerade förderlich... Die manuelle Arbeit ist in diesem Kontext, selbst wenn sie mit wenig Geld verbunden ist, das einzige Geschenk, das diesen Menschen Würde und Hoffnung zurückgeben kann.“

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Arbeit als Mittel der Wiedereingliederung

Einigen der Beschäftigten stehen im neuen Jahr sogar mögliche Festanstellungen in Aussicht. „Arbeiten, um zu vereinen“ ist das Motto der 1984 in Modena gegründeten Sozialgenossenschaft Coopattiva, die das Arbeitsprojekt im Sant’Anna-Gefängnis als Mittel der gesellschaftlichen Wiedereingliederung der straffällig Gewordenen anbietet. Im Leben der Haftanstalt bietet Arbeit die Chance, lange Wartezeiten zu überbrücken und den Alltag zu strukturieren. Besonders in der mit vielen Emotionen aufgeladenen Weihnachtszeit ist sie in hohem Maße sinnstiftend. Castelucci:

„Wichtig ist, dass diese Erwartungen (für die Häftlinge, Anm.) immer mit Sinn gefüllt sind. So wie wir Christen die Erwartungen auf Weihnachten und Ostern mit der Advents- und Fastenzeit, mit Gebet und Besinnung füllen. In der Tat sind die Zeiten der Festtage, mit der Entfernung von geliebten Menschen, während draußen alle zusammenkommen und feiern, für diejenigen, die drinnen sind, am schwierigsten zu bewältigen…“

Während seines Besuchs im Sant’Anna-Gefängnis von Modena sprach der Erzbischof mit sieben der derzeit etwa 460 Häftlinge.

„Im Gefängnis gibt es Christen verschiedener Konfessionen, auch anderer Glaubensrichtungen, Muslime, auch Ungläubige, aber alle haben sich, als ich sie darum bat, schweigend versammelt, weil sie wissen, dass wir 'alle im selben Boot sitzen', wie Papst Franziskus sagt“, so der Erzbischof. „Es herrschte eine Atmosphäre großer menschlicher Kommunikation; viele sprachen mit mir über ihre persönliche Situation innerhalb der Anstalt, aber auch mit ihren Familien. Auch war Dankbarkeit spürbar für die Möglichkeit der Arbeit, diese humanisierende Möglichkeit, die ihnen sehr guttut und Hoffnung gibt.“

Auch soll in der Haftanstalt bald eine Lebensmittelwerkstatt eröffnet werden, die von einer Genossenschaft aus Carpi geleitet werden soll, berichtet der Erzbischof von Modena weiter. Zudem soll die Möglichkeit sportlicher Aktivitäten für die Insassen ausgeweitet werden, wie zuletzt die Beobachtungsstelle für Rechte und Garantien im Strafvollzug „Antigone“ bekanntgab. Ausbaubedarf sieht das Observatorium gleichwohl im Bereich der Bildungsangebote für weibliche Insassen.

Papst Franziskus' Solidarität mit Häftlingen

Die Zustände in italienischen Gefängnissen gelten im europäischen Vergleich als miserabel. Probleme sind etwa Überfüllung und Gewalt. Papst Franziskus ruft regelmäßig zur Reform des Strafvollzugs auf, auch mit Blick auf Zustände in lateinamerikanischen Haftanstalten. Bereits öfter ist der Papst in italienischen Gefängnissen eingekehrt und hat männlichen und weiblichen Häftlingen verschiedener Religionen am Gründonnerstag die Füße gewaschen. Sein Vor-Vorgänger Johannes Paul II. besuchte vor genau 40 Jahren, am 27. Dezember 1983, den Attentäter Ali Agca im römischen Gefängnis Rebibbia, was damals als starkes Zeichen christlicher Vergebungskraft gewertet wurde.


(vatican news/coopattiva/antigone - pr)
 

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27. Dezember 2023, 11:25