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Der Kapuziner Paolo Martinelli auf einem Archivbild im Vatikan Der Kapuziner Paolo Martinelli auf einem Archivbild im Vatikan 

Vikar von Arabien: Religion in Konflikten nicht missbrauchen

Bald ist es soweit, Papst Franziskus wird zum COP28-Gipfel wird wieder auf die Arabische Halbinsel reisen. Unterdessen wirft der Krieg im Heiligen Land auch dort seine Schatten: Angesichts der Gefahr einer Ausweitung des Krieges in Gaza spricht der Vikar von Südarabien, Paolo Martinelli, mit Blick auf Dialoginitiativen wie das Abrahamitsche Haus von „prophetischen Werten“ und Orten der „Konfrontation und des Friedens“. Die Religion dürfe nicht zu einem „Mittel zur Eroberung“ verbogen werden.

Der neue Konflikt, der das Heilige Land entflammt, zeigt aus der Perspektive des Golfs von Arabien die zahlreichen Auswirkungen auf die gesamte Region des Nahen Ostens, wie Paolo Martinelli, Apostolischer Vikar von Südarabien (Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Jemen) gegenüber AsiaNews betont. Eine Verbindung, die zu einer direkten Verwicklung zu führen droht, denn von einem der Gebiete des Vikariats (Jemen) aus haben die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen in den letzten Tagen einen Drohnenangriff auf Eliat im Süden Israels gestartet. Ein „Vergeltungsschlag“, wie ein hochrangiger Vertreter der Gruppe erklärte, welcher jedoch die Befürchtung einer Ausweitung des Konflikts schürt. Irans oberster Führer hatte unterdessen die Muslime (und Araber) aufgerufen, geschlossen gegen den jüdischen Staat einzustehen und mit einem Wirtschaftsboykott zu beginnen.

Alles hängt zusammen

„Alles hängt zusammen“, meint Martinelli gegenüber Asianews. Auch zunächst gegensätzlich scheinende Bindungen und Allianzen „können eine Rolle spielen“, nicht nur bei Raketen- und Drohnenangriffen aus einem Land, sondern auch in einer Perspektive des „Dialogs“, auch mit Blick auf die Emirate und das Sultanat Oman selbst, welches solide Beziehungen zum Iran unterhält, so Martinelli. „Auch wenn es im Moment keine großen Hoffnungen gibt“, räumt er ein.

In den letzten Wochen hatte Paolo Martinelli sich in Rom aufgehalten, um an der Synode teilzunehmen, wobei er in ständigem Kontakt mit den Mitarbeitern des Vikariats stand, um die Entwicklung der Situation zu verfolgen und die Auswirkungen dieses neuen Konflikts zu bewerten. „Die Projekte gehen voran, auch weil die Emirate seit den abrahamitischen Verträgen gute Beziehungen zu Israel unterhalten. Und dann ist da noch das Haus der abrahamitischen Familie, in dem gearbeitet wird, auch wenn die Sicherheitsstufe im Allgemeinen erhöht wurde“. Der Kronprinz der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate hatte den Bau des „Abrahamic Family House“ beim Besuch von Papst Franziskus in Abu Dhabi 2019 angekündigt, im Februar diesen Jahres hat das Dialogzentrum seinen Betrieb aufgenommen.

Vereinigte Arabische Emirate als Vermittler

„Die Emirate“, bekräftigt der Vikar, „haben die Autorität, den Dialog zwischen den Parteien zu fördern“, da sie „in der Vergangenheit das Abrahamische Haus ins Leben gerufen und 2019 ein Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Großimam von al-Azhar ausgerichtet haben“, bei dem das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen unterzeichnet wurde. In einem Interview, das diesen Samstagabend ausgestrahlt wurde, bestätigte Franziskus seine Absicht, vom 1. bis 3. Dezember an der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai teilzunehmen.

„Die Hoffnung ist“, so Vikar Martinelli weiter, „dass der Krieg den eingeschlagenen Weg nicht unterbricht, denn das wäre ein Rückschritt, den wir auf jeden Fall vermeiden müssen“. Vielmehr hätten die entstandenen Beziehungen und Früchte einen „zutiefst prophetischen Wert, der heute noch mehr Bedeutung erlangt. Durch die Überwindung von Konflikten können nämlich Orte der Konfrontation und des Friedens kultiviert werden, an denen das Gemeinwohl angestrebt wird und die Beziehung zwischen den Religionen positiv empfunden wird. Deshalb ist es umso wichtiger, sie zu unterstützen“, betont Martinelli gegenüber Asianews.

Konkretes Dialog-Projekt

Das „Abrahamic Family House“ ist ein konkreter Ausdruck des Dialogs zwischen den Religionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Es beherbergt eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee. Bei dem Projekt handelt es sich um eines der Vermächtnisse des Besuchs des Papstes, bei dem auch das gemeinsam mit dem Großimam von al-Azhar, Ahmed el-Tayyeb, verfasste Dokument über die menschliche Brüderlichkeit in Anwesenheit von mehr als 400 Religionsführern unterzeichnet wurde. Ziel des Dokumentes ist es, das Zusammenleben zwischen den Völkern zu fördern und (religiös motivierten) Extremismus zu bekämpfen.

Das „Haus“ könne ein „positives“ Modell für das Heilige Land sein, meint Martinelli: „Wo heute gekämpft wird, mussten die drei Religionen mit den Schwierigkeiten des Zusammenlebens fertig werden, sie sind von Gegensätzen ausgegangen und mussten versuchen, diese zu überwinden“, bemerkt der Prälat. In Abu Dhabi, fügt er hinzu, „wurde diese Beziehung positiv gewünscht, sie geht nicht von einem Problem aus, sondern von einem Wunsch, nämlich für die Welt ein Zeichen zu sein, dass wir zusammenleben können, nicht nur im Dialog, sondern wirklich zusammenleben“. Auf diese Weise, sagt er, lernen Abrahams Nachkommen „einander kennen, indem sie Vorurteile überwinden und einen Weg des Teilens auf der Grundlage gemeinsamer Werte gehen“. In dieser Perspektive ist ein „starker, autoritärer Staat“ wichtig, wofür die Emirate „ein Beispiel“ seien, während anderswo - angefangen bei der israelisch-palästinensischen Situation und einer Zweistaatenlösung, die nie umgesetzt wurde - die Bedingungen andere seien.

Religion als Element des Konfliktes

Der neu erhobene Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Patriarch des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem, hatte bereits darauf hingewiesen, dass der Konflikt, der nach dem Hamas-Anschlag vom 7. Oktober und der darauf folgenden militärischen Reaktion Israels ausgebrochen ist, zunehmend mit religiösen Elementen angereichert wird.

Erst vor wenigen Stunden hatte der Oberste Führer des Iran die muslimische (und arabische) Welt gegen Israel aufgebracht, angefangen mit der Blockade von Lebensmittel- und Öleinfuhren. Zunehmend sind in der angeheizten Atmosphäre – je nach Standort - auch Angriffe auf Juden oder Muslime und ein steigende Spannung in den Beziehungen unter den Glaubensgemeinschaften zu beobachten.

Der Vikar von Arabien erinnert daran, wie das Dokument des Papstes und des Imams „genau auf diesem Element besteht: zu vermeiden, dass Konflikte in der religiösen Sphäre wurzeln“, und ausschließe, dass Gewalt „im Namen Gottes“ begangen werden kann. „Religion“, so schließt er, „kann sehr tiefe Gefühle und Kräfte bewegen, sie sind die letzten Fragen des Menschen. Sie ist das intimste Element des Menschen, und sie für einen Eroberungszweck zurechtbiegen zu wollen, bedeutet, die religiöse Erfahrung in ihrer Wahrheit zu verraten“.

(asianews - cs)

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02. November 2023, 16:02