Laien-Vertreterin: Würde der Missbrauchsopfer achten
Mario Galgano - Vatikanstadt
Wenn man über Kinderschutz in der Kirche spreche, dann müsse man auch über Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz sprechen, so Ghisoni, die von ihrer Ausbildung her Kirchenrechtlerin ist und vor ihrer Berufung an den Vatikan als Richterin am Diözesangericht Rom arbeitete. Man müsse immer die Opfer und ihre Familien vor Auge haben und dürfe nicht vergessen, dass es Täter gebe, die durch Komplizen oder Verleugner „geschützt“ wurden und werden.
Sie habe den Papst oder die Bischöfe nicht zu belehren, so Ghisoni weiter. Vielmehr glaube sie, „dass wir uns gemeinsam, indem wir aufeinander hören und aktiv werden, verpflichten, daran zu arbeiten, dass in Zukunft ein Ereignis wie dieses Treffen nicht mehr für so viel Aufsehen sorgen muss“. Sie hoffe, dass künftig „das Volk Gottes“ „verantwortungsbewusst und liebevoll“ mit den betroffenen Menschen umgehe. Prävention solle nicht einfach „mit einem guten Programm“ enden, „sondern zu einer gewöhnlichen pastoralen Haltung“ werden.
Wissen als grundlegender Ausgangspunkt
Die Kenntnis der Missbräuche und ihres Ausmaßes sei „der grundlegende Ausgangspunkt“, führte Ghisoni aus. Sie spüre in der Kirche „oft eine Ungeduld“, nur weil sie dem Thema des sexuellen Kindesmissbrauch Aufmerksamkeit schenke. Vor ein paar Tagen habe sie ein Priester angerufen und wörtlich gesagt: „Was? Schon wieder? Wir sprechen weiter über Missbräuche! Die Aufmerksamkeit der Kirche für dieses Thema ist übertrieben.“ Auf solche Einwände antworte sie, dass es keine Fixierung sei, sich des Phänomens bewusst und der eigenen Verantwortung gerecht zu werden. Es gehe nicht einfach darum, „bloße soziale Bedürfnisse zu befriedigen“, sondern es handle sich um eine Forderung, die sich aus dem Wesen der Kirche als Geheimnis der in der Dreifaltigkeit begründeten Gemeinschaft ergibt, so Ghisoni.
Man müsse nun tiefgründig über einige Aspekte nachdenken. Als erstes nannte sie die Frage nach der Rolle eines jeden Gläubigen in der Kirche. Daraus folge die Frage nach der Bedeutung der eigenen Rolle. Und schließlich führe dies zur Bewusstseinsbildung, dass jeder – egal, welche Rolle sie oder er in der Kirche konkret spielt – zu einer Gemeinschaft gehöre. Bischöfe und Priester hätten zwar andere Verantwortung als Laien, doch müsse man nichtsdestotrotz gemeinsam das Thema des Kinderschutzes angehen.
Zwei falsche Einschätzungen
Ghisoni nannte zwei falsche Einschätzungen, die verbreitet seien: Zum einen sei es falsch, wenn Bischöfe ständig wiederholten, dass man Missbrauch nur auf bischöflicher Ebene behandeln solle. Umgekehrt sei es aber auch falsch, wenn man das Gegenteil behaupte und sage, dass nur Laien die Missbrauchsfälle aufarbeiten könnten.
Sie nannte daraufhin drei Vorschläge. Erstens müsse man auf die „bisherigen guten Erfahrungen“ zurückgreifen. Es gelte gar nicht, das Rad neu zu erfinden; stattdessen solle man auf jene Prozeduren schauen, die sich als erfolgreich erwiesen hätten. Zweitens sprach sich Ghisoni für Verbesserungen von Richtlinien auf der Ebene der Bischofskonferenzen aus. Und drittens hofft sie, dass auf Ortskirche-Ebene überall Bezugspersonen eingesetzt würden, die den Bischöfen – und auch den Laien – bei diesem Thema helfen können. Auch müsse man über die Schweigepflicht nachdenken, wenn es darum gehe, die Würde der Menschen zu wahren und zu schützen.
Einen letzten Punkt widmete Ghisoni der Kommunikation. Hierbei seien Schnelligkeit und Transparenz zwei wichtige Aspekte, doch gehe es vor allem darum, die Würde der Betroffenen zu achten.
Linda Ghisoni ist eine von neun Personen, die bei der Kinderschutzkonferenz Referate im Plenum halten. Drei davon sind Frauen.
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(vatican news)
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