Papst Franziskus und der heilige Eifer
Stefan von Kempis und Christine Seuss – Vatikanstadt
„Es gibt so etwas wie eine heilige Empörung. (...) Jesus hat sie mehrmals in seinem Leben gekannt: Er hat nie auf Böses mit Bösem geantwortet, aber in seiner Seele hat er dieses Gefühl verspürt, und im Fall der Händler im Tempel hat er eine starke und prophetische Tat vollbracht, die nicht vom Zorn, sondern vom Eifer für das Haus des Herrn bestimmt war (vgl. Mt 21,12-13). Da müssen wir gut unterscheiden: Das eine ist der Eifer, heiliger Eifer, das andere ist Zorn, der böse ist.“
Zorn, das war das Hauptthema der Überlegungen des Papstes; seit kurzem beschäftigt er sich in den Ansprachen seiner Mittwochsaudienz mit Tugenden und Lastern, an diesem Mittwoch war die sechste Katechese zu dem Thema an der Reihe. „Es liegt an uns, mit Hilfe des Heiligen Geistes das richtige Maß für die Leidenschaften zu finden. Sie gut zu erziehen, dass sie sich dem Guten zuwenden und nicht dem Bösen“, bemerkte der Papst.
Eigentlich aber sei Zorn „ein besonders dunkles“ Laster, so Franziskus. Und ein allgegenwärtiges: „Er ist in der Lage, uns den Schlaf zu rauben und uns zu ständigen Intrigen zu verleiten, ohne dass wir eine Begrenzung für unsere Überlegungen und unser Denken finden“.
Wenn man anfängt, den anderen zu verabscheuen
Besonders schlimm am Zorn sei, dass er menschliche Beziehungen zerstöre. „Er drückt die Unfähigkeit aus, die Andersartigkeit des anderen zu akzeptieren, vor allem, wenn seine Lebensentscheidungen von den unseren abweichen. Er bleibt nicht beim falschen Verhalten einer Person stehen, sondern wirft alles in einen Topf: Es ist der andere, einfach so wie er ist, der Wut und Ressentiments hervorruft. Man fängt an, den Tonfall seiner Stimme zu verabscheuen, seine banalen Alltagsgesten, seine Art, zu denken und zu fühlen.“
Und noch etwas sei besonders besorgniserregend am Zorn: die Tatsache, dass er oft mit der Zeit nicht schwächer, sondern nur noch stärker werde. Darum empfehle der Apostel Paulus im Epheserbrief zu Recht: „Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen" (Eph 4,26).
Menschliche Beziehungen, ein Minenfeld
„Im Vaterunser lässt uns Jesus für unsere menschlichen Beziehungen beten, die ein Minenfeld sind: ein Plan, der nie perfekt aufgeht. Im Leben haben wir es mit Schuldnern zu tun, die uns etwas schuldig sind; genauso wie wir sicher nicht immer alle im richtigen Maß geliebt haben… Wir sind schuldig und deshalb müssen wir alle lernen, zu vergeben, um Vergebung zu erhalten. Menschen bleiben nicht zusammen, wenn sie nicht auch die Kunst des Verzeihens üben, soweit das menschlich möglich ist.“
Auch einen Schwenk ins Klassische machte Franziskus bei seinen Überlegungen; er erinnerte nämlich daran, dass der Trojanische Krieg nach Darstellung der ersten Zeilen von Homers „Ilias“ durch den „Zorn des Achilles“ ausgelöst worden sei. „Die Leidenschaften. Sie sind unbewusst und kommen vor. Wir sind nicht für die Entstehung von Wut verantwortlich, aber immer für ihre Entwicklung.“
Auch in der klassischen Kunst
Eigentlich hätte der Papst auch auf Mose hinweisen können. Die berühmte Sitzstatue des Mose, die Michelangelo geschaffen hat, zeigt den Propheten im Moment, in dem ihn Ärger über den Abfall der Israeliten vom Herrn überkommt; die riesigen Gesetzestafeln, auf die er sich stützt, wird er gleich im Zorn zerschmettern. Die Statue lässt sich in der römischen Basilika San Pietro in Vincoli besichtigen.
(vatican news)
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