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Sr. Joana gemeinsam mit den Indigenen in Brasilia, am 7. Juni 2023, bei der Demonstration gegen den Gesetzesvorschlag des ,Marco Temporal'. (Bildnachweis: Archiv Sr. Joana Ortiz) Sr. Joana gemeinsam mit den Indigenen in Brasilia, am 7. Juni 2023, bei der Demonstration gegen den Gesetzesvorschlag des ,Marco Temporal'. (Bildnachweis: Archiv Sr. Joana Ortiz)  (archivio di suor Joana Ortiz)

Brasilien: „Ich habe das Gesicht Gottes in den indigenen Kindern gesehen“

Die Ordensfrau Joana Aparecida Ortiz lebt seit 2010 unter der zweitgrößten indigenen Bevölkerungsgruppe Brasiliens im Bundesstaat Mato Grosso do Sol und erzählt von ihrer Mission an der Seite „ihres Volkes“. Die Franziskanerin Unserer Lieben Frau von Aparecida hat einen Traum zu einer anspruchsvollen Realität gemacht.

Von Sr. Joana Aparecida Ortiz

Der Schmerz, den die Menschen fühlen, ist unser Schmerz. Als Franziskanerin Unserer Lieben Frau von Aparecida, als Tochter dieser Region Mato Grosso do Sul im zentralen westlichen Teil Brasiliens, wo die zweitgrößte Gruppe indigener Bevölkerung des Landes lebt, „wo ein Ochse mehr wert ist als ein indigenes Kind, wo Soja mehr wert ist als ein Zedernbaum“, fühlte ich mich 2010 berufen, diesem Volk, das mein Volk ist, nahe zu sein.

Inspiration durch einen Traum

Ich fühlte eine schreckliche Angst, ohne zu wissen, was mit mir geschah, als ich träumte, dass die indigene Bevölkerung zu unserem Haus kam und um Hilfe bat. Am nächsten Tag setzte sich der Traum fort, und in ihm erschien meine Mutter (die zweifellos indigenes Blut hatte), die mir einen Umschlag überreichte und mich bat, ihn zum Lager der Indigenen zu bringen. Am nächsten Tag ging der Traum weiter, ich übergab den Umschlag einem alten Mann aus einem Dorf an der Straße. Der alte Indio sagte mir: „Wir wollen nicht das Geld, wir wollen Präsenz.“

Als ich aufwachte, war ich erschüttert von diesem Traum und dachte, es sei um mich geschehen. Wie hätte ich einen solchen Auftrag erfüllen sollen, da wir als Kongregation kein Haus im Dorf hatten? Damals lernte ich mit Hilfe der Konferenz der Ordensleute Brasiliens den CIMI kennen: den Indigenen Missionsrat, eine Einrichtung der katholischen Kirche Brasiliens. So begann ich meine Touren durch die Dörfer im Bundesstaat Mato Grosso do Sul mit seinen landwirtschaftlichen Betrieben.

Die traurige Realität

Mein Gott, wie viel Schmerz und Leid habe ich gesehen! Von Dorf zu Dorf, von Lager zu Lager, am Straßenrand, in den indigenen Reservaten und auf dem Gelände der Fazendas. Ich sah, wie die Hütten vieler Menschen in Brand gesteckt wurden und dass Kinder unterernährt waren. Und in diesem Moment sah ich auch, wie sich CIMI-Missionare um ein kleines Mädchen kümmerten, das schwer unterernährt war und trotz der Behandlung am nächsten Tag starb.

Ich zweifelte nicht an dem eindringlichen Ruf, den Gott in diesem Moment an mich richtete, bei meinem Volk zu sein und dort eine solidarische und prophetische Präsenz zu sein, mich den Missionaren und Missionarinnen dieser Einrichtung anzuschließen. Ich erkannte, dass mich das Charisma meiner Kongregation in diese Richtung drängte: „Lasst uns den Namen von Aparecida ehren! Wir wollen die Plätze verlassen, wo bereits viele Menschen vorbeikommen. Wir wollen in die Keller gehen, wo es kein Gedränge gibt“, wie unsere Gründerin, Mutter Clara Maria de Azevedo e Souza, zu sagen pflegte.

2012 schloss ich den CIMI-Grundkurs ab. Als Missionarin dieser Organisation verstand ich nun, im Antlitz der indigenen Völker das Antlitz Gottes zu sehen. Als Mitglied einer Kongregation konnte ich mich nun an der Missionsarbeit beteiligen, indem ich vor Ort präsent war. Im Jahr 2015 wurde die CIMI wegen ihres Einsatzes für die Rechte der indigenen Gemeinschaften von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorgeladen. Ich war an diesem Prozess beteiligt und konnte zum Teil erleben, was Christus vor dem Hohen Rat aufgrund falscher Anschuldigungen erlebte, weil er die Freiheit seines Volkes wollte. Wir wurden verfolgt, verleumdet, diffamiert, aber nicht besiegt, weil wir überzeugt sind, dass der Herr mit uns geht. Wir haben diesen Kampf gewonnen.

An der Seite der indigenen Völker

Seit elf Jahren gehe ich diesen Weg mit den indigenen Völkern. Ich spüre, dass es noch viel zu tun gibt. Aber die größte Freude ist es, den Protagonismus der Indigenen zu sehen, die heute ihre eigenen Räume und Rechte erobern. „Nie wieder ein Brasilien ohne uns!“, sagte Sonia Guajajara, als sie Anfang des Jahres ihr Amt als Ministerin für die indigenen Völker Brasiliens antrat. Als Kongregation bekräftigen wir unsere Verpflichtung zur Unterstützung und Präsenz, damit das Land der indigenen Völker als eigenes abgegrenztes Gebiet und auch ihre Rechte respektiert werden.

Heute sehe ich als Frau mit indigenem Blut in meinen Adern diese Mission als einen eindringlichen Ruf Gottes in meinem Leben. Ich stamme aus diesem Volk, und zu ihm bin ich zurückgekehrt und ein anderer Mensch geworden. Auch wenn meinem Volk noch immer nicht die Abgrenzung seines Landes und seine Rechte garantiert werden, so hat es doch seine Rolle als Protagonist erobert.

(vatican news)

 

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20. Juli 2023, 09:52