Italien: Wie die Hilfe für die Ukraine eine Familie verändert hat
Svitlana Dukhovych und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Die Familie bringt seit dem Angriff auf die Ukraine regelmäßig auch persönlich Hilfsgüter in die Ukraine; in den vergangenen zwei Jahren waren sie schon sechs Mal in dem Kriegsland:
„Ich glaube, uns treibt vor allem der Wille an, zu helfen", sagt die 22-jährige Beatrice. „Ich denke, es ist menschlich, unseren Brüdern und Schwestern helfen zu wollen. Es hat uns angetrieben, dass wir etwas tun können: Das, was in unserer Macht liegt. Den Krieg stoppen können wir nicht, aber wir können das Leid lindern", so die junge Frau im Interview mit Radio Vatikan.
Liebe ist stärker als Angst
„Es gibt im Leben keine Zweiklassengesellschaft, A oder B. Nur weil die Menschen in der Ukraine unter Bombenangriffen leben müssen, heißt das nicht, dass wir da nicht hin sollen. Ihr Leben ist so wertvoll wie unseres. Sie halten es seit zwei Jahren aus. Also, warum sollten wir es nicht auch können?", fragt Beatrice.
Ihre jüngere Schwester Rebecca ist 20. Sie sagt, etwas Angst habe sie schon bei den Hilfsmissionen der Familie vor Ort: „Ein bißchen Angst hat man, du bist dir bewusst, dass du in ein Kriegsland gehst. Tag und Nacht gibt es dort Alarmsirenen und Bombenangriffe. Aber wir sagen auch immer, wenn wir wieder zurück daheim sind, dass Liebe, Freundschaft, Nächstenliebe und Solidarität stärker sind als die Angst. Wenn man dort ist und mit Kindern spielt, wenn ältere Frauen dich anlächeln, auch wenn sie nicht deine Sprache sprechen, nicht wissen, wie wir heißen. Sie sind dankbar, dass wir da sind. Und das wiegt am Ende mehr als die Angst, es ist stärker als alles."
Eine Mission, die das Leben verändert
Mit Beatrice und Rebecca sind auch Vater Luigi sowie Mutter Cristina in der Ukraine-Hilfe aktiv. Das erste Mal brach die Familie vor ziemlich genau zwei Jahren, zwischen März und April 2022, mit einem Hilfstransport in die Ukraine auf. Damals hatten sich rund 150 Italiener beim Netzwerk „StoptheWarNow" vereint, das unter Koordination der Vereinigung Papst Johannes XXIII. Hilfsgüter nach Lwiw (Lemberg) brachte.
„Unser erster Hilfskonvoi in die Ukraine ist für uns sicherlich ein Neubeginn gewesen, ein Jahr Null: So als habe es nichts davor gegeben und alles damit begonnen. Diese Erfahrung hat uns komplett verändert. Jetzt sind wir auch richtig in der Freiwilligenarbeit drin, das nimmt praktisch unsere ganze Zeit in Aspruch, aber wir sind sehr froh darüber", sagt Beatrice.
Der Krieg in der Ukraine sei Teil ihres Lebens auch in Italien geworden. Die Berichte aus der Ukraine verfolgt die Familie sehr aufmerksam; viele der Orte, die genannt werden, sind ihr nicht mehr fremd. Teils war sie schon selbst vor Ort; oft kennen sie Leute, die von dort fliehen mussten.
„Wir sind sicherlich aufmerksamer geworden, aber nicht nur für die Leute in der Ukraine, denn Leute, die Hilfe brauchen, die gibt es auch hier. Unser Blick hat sich also geweitet, auch für die Bedürfnisse hier in unserer Gegend sind wir sensibler geworden", berichtet Beatrice. Auch Schwester Rebecca sagt, dass sich ihr Leben durch die Ukraine-Hilfe verändert hat.
Krieg ist Realität, keine Seite im Geschichtsbuch...
„Eine Erfahrung dieser Art verändert dich. Das, was du sonst nur aus dem Geschichtsbuch kennst, wo es um Kriege geht, das waren Zahlen, das hast du dann vergessen. Aber wenn du es mit deinen eigenen Augen siehst, dann wird dir klar, dass es Krieg wirklich gibt, dass in der Ukraine, aber auch anderswo, Menschen kämpfen und sterben - dass das Realität ist auch jetzt und nicht nur eine Seite im Geschichtsbuch. Ältere Leute sagen oft, dass wir uns heute nicht bewusst sind, wie gut es uns eigentlich geht. Dass wir in die Schule gehen können, dass wir Trinkwasser haben. Und wenn du in einem Kriegsland bist, dann merkst du, was dieser Satz, den die anderen dir immer gesagt haben, wirklich bedeutet."
...und auch kein Videospiel
Seit zwei Jahren gehen Rebecca und Bianca deshalb auch in Grund- und weiterführende Schulen, um von ihrer Erfahrung zu berichten. „Oft ist es nicht leicht, mit den Jugendlichen darüber zu reden, denn wenn du nicht da warst und es erlebt hast, kannst du es kaum nachvollziehen. Besonders schwierig ist es, bei den elf bis 14-Jährigen, sie haben sich oft abgeschirmt angesichts all dessen, was passiert, sie schaffen es nicht, Kontakt zur Realität zu haben, auch wenn diese gar nicht so weit weg ist von uns. Es hat mich wirklich etwas erschüttert, als ein Jugendlicher zu einem Foto eines zerstörten Gebäudes gesagt hat: ,Das beeindruckt mich nicht, das bin ich aus Videospielen gewohnt.` Es geht also auch darum, dass die Jugendlichen wieder ein Bewusstsein entwickeln", sagt Beatrice. Abschließend fasst sie zusammen:
„Ganz sicher hat diese Erfahrung uns darüber nachdenken lassen, dass es nicht reicht, in den Gottesdienst zu gehen, um ein guter Christ zu sein. Gute Christen zu sein heißt handeln: Man muss sehen, dass es Menschen in Not gibt, und dann handeln."
(vatican news - sst)
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