Ukraine: Fast 23.000 Personen werden vom Roten Kreuz gesucht
Marine Henriot und Mario Galgano – Vatikanstadt
„Nicht zu wissen ist entsetzlich“, erklärt Claire Kaplun, Kommunikationsmanagerin für das Suchbüro des IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz), gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Aus diesem von den Angehörigen der Vermissten erlebten Leid heraus entstand die neue Struktur des IKRK, das Büro der zentralen Suchagentur für den internationalen bewaffneten Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine, mit dem Hauptziel, Klarheit über den Verbleib vermisster Personen zu erhalten und das Leid der Familien zu lindern, die ohne Nachricht von ihren Angehörigen bleiben.
„Die Familien möchten lieber wissen, ob ihr Angehöriger verstorben ist, als nichts zu wissen“, unterstreicht die Kommunikationsbeauftragte des Büros, „nichts zu wissen, lässt einen nicht los, quält einen“. Und für jede vermisste Person gebe es Dutzende von besorgten Menschen.
Das „Büro“ sucht derzeit nach fast 23 000 Personen. In den ersten Monaten nach März 2022 betrafen die meisten Fälle Personen, die die Ukraine zu Beginn des Jahres überstürzt verlassen hatten. Nunmehr handele es sich bei den gesuchten Fällen hauptsächlich um Soldaten, die in den Kampf gezogen seien.
Dank Genfer Konvention
Das IKRK konnte eine solche Struktur dank der Genfer Konventionen einrichten, die die Kriegsparteien dazu verpflichten, Informationen über vermisste Personen zu zentralisieren und weiterzuleiten. Darüber hinaus arbeitet das Büro eng mit den Delegationen des Roten Kreuzes in der Ukraine und in Russland zusammen.
„Die Besonderheit ist, dass wir arbeiten, während der bewaffnete Konflikt weitergeht", erläutert die Leiterin. Eine Einzigartigkeit, die die Recherchearbeit vor Ort erschwert. Interviews mit Familien, Rückmeldungen von lokalen Delegationen, Besuche in Gefängnissen und Krankenhäusern, interaktive Karten, Datenbanken über Bombenangriffe... Das „Büro“, das derzeit 60 Personen beschäftigt, von denen die meisten Ukrainer und Russen sind, sammelt Informationen, die mehrfach abgeglichen werden müssen.
Wenn eine Person ausfindig gemacht werde, gebe es oft zwei Möglichkeiten: Die Person sei entweder in Kriegsgefangenschaft oder getötet worden. „Wenn wir eine Familie anrufen und ihr mitteilen, dass ihr Angehöriger inhaftiert ist, ist das natürlich nicht die beste Nachricht, aber für manche Familien, die glauben, dass ihr Angehöriger gestorben ist, ist das eine gute Nachricht“, kommentiert Claire Kaplun.
Eine akribische, aber kolossale Suche, die Tage, Monate oder Jahre dauern kann. „Es liegt nicht alles in unseren Händen“, bedauert die Kommunikationsbeauftragte.
(vatican news – mg)
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