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Der Vizepräsident der Italienischen BIschofskonferenz (CEI), Bischof Francesco Savino, bei einem Gebet für die ertrunkenen Migranten Der Vizepräsident der Italienischen BIschofskonferenz (CEI), Bischof Francesco Savino, bei einem Gebet für die ertrunkenen Migranten  (ANSA)

Ertrunkene Migranten vor Kalabrien: Mehr als 100 Tote befürchtet

Nach dem Bootsunglück vom Sonntag vor der süditalienischen Küste, bei dem mindestens 60 Migranten ertrunken sind und bisher mehr als 80 gerettet wurden, suchen Helfer weiter nach Überlebenden. Die Opferzahl könnte weiter steigen, da rund 170 Menschen auf dem Flüchtlingsboot gewesen sein sollen.

Die katholische Basisgemeinschaft Sant'Egidio rief besonders Europa auf, seine „Abschottungspolitik" zu überwinden, neue Möglichkeiten legaler Einreise und EU-weite Verteilmechanismen für die Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen zu schaffen. Es brauche zudem einen „Sonderplan" Für Hilfe und Entwicklung in den Herkunftsländern der Migranten auf der anderen Seite des Mittelmeers und in Afrika südlich der Sahara.

„Angesichts des Todes ganzer Familien mit Kindern und verwundaberer Menschen, die aus Ländern wie Iran, Pakistan und Afghanistan fliehen, können wir uns nicht mit bloßer Empörung begnügen. Wir müssen die Rettung der Menschen, die sich im Mittelmeer in Gefahr befinden, fortsetzen und unterstützen und diese Menschen willkommen heißen", hieß es in einer Presseerklärung vom Sonntag. Dies hatte auch Papst Franziskus mehrfach gefordert, erinnerte Sant'Egidio. Das katholische Kirchenoberhaupt hatte bei seinem Angelusgebet am Sonntag zu Gebeten für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden aufgerufen und allen Helfern gedankt.

„Strukturelle Antwort, die von allen Institutionen und Ländern gemeinsam getragen wird“

Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), Kardinal Matteo Zuppi, forderte „entschlossene Entscheidungen und Politiken, auf nationaler und europäischer Ebene", damit sich ähnliche Situationen nicht wiederholten. Er erinnerte etwa an die inzwischen eingestellte staatliche Seenotrettungsoperation „Mare Nostrum" die Italien zwischen 2013 und 2014 gestartet hatte und an die ebenfalls inzwischen eingestellte Marine-Operation „Sophia" der EU auf dem Mittelmeer. Dies seien nur Beispiele, letztlich sei wichtig, dass es „eine strukturelle Antwort, die von allen Institutionen und Ländern gemeinsam getragen wird", gebe. Europa dürfe niemanden allein lassen und müsse seiner „Tradition des Schutzes der Menschen und ihrer Aufnahme" gerecht werden. 

Zum Nachhören

Der italienische Innenminister, Matteo Piantedosi, erklärte am Sonntag, laut „ersten Rekonstruktionen gab es einen Frontex-Bericht, eine vage Sichtung. Es war die unsichere Ausgangslage, mit der diese Überfahrt organisiert wurde, die die Tragödie verursachte. Als das Boot wieder auftauchte, war es aufgrund der Seewetterbedingungen praktisch unmöglich, ein Annäherungsmanöver durchzuführen." Frontex ist die EU-Grenzschutzagentur; sie ist seit 2015 auch für Küstenwach-Einsätze da. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Rettungsaktion weder für die Retter noch für die zu rettenden Personen eine zusätzliche Gefahr darstellen dürfe, gab Italiens Innenminister zu bedenken. 

Schleppern den Boden entziehen

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella erklärte, es handele sich um die „X.te Tragödie im Mittelmeer, die keinen gleichgültig lassen kann". Er rief die EU auf, „endlich konkrete Verantwortung für die Steuerung des Migrationsphänomens" zu übernehmen, um Menschenhändlern den Boden zu entziehen, indem sich die EU „direkt in der Migrationspolitik engagiert und die Zusammenarbeit für die Entwicklung der Länder unterstützt, aus denen junge Menschen aufgrund mangelnder Perspektiven fliehen müssen". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte nach dem Bootsunglück alle Beteiligten dazu auf, sich noch mehr um Fortschritte in der EU-Migrationspolitik zu bemühen. 

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte, es sei „kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken". Die rechte Politikerin ergänzte, ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Italienische Oppositionsparteien kritisierten, die Meloni-Regierung erschwere die Arbeit von Rettungsorganisationen auf dem Mittelmeer.

Mutmaßliche Schlepper festgenommen

Bereits am Sonntag hatte die Polizei einen türkischen Staatsbürger festgenommen, der beschuldigt wird, einer der Schlepper zu sein, die das Boot gesteuert haben.  Am Montag wurden laut Medienberichten zudem zwei weitere mutmaßliche Schleuser festgenommen.

Hintergrund

Es war eine der vielen Reisen der Hoffnung entlang der türkischen Route, die am häufigsten von Migranten aus dem Nahen Osten und am wenigsten von NGO-Schiffen befahren wird. Das mit Männern, Frauen und Kindern beladene Fischerboot konnte der Wucht der rauen See nicht standhalten und brach am Sonntag wenige Meter vor der Küste Kalabriens buchstäblich in zwei Teile. Nach Angaben der Behörden stammen die Flüchtlinge des jüngsten Unglücks offenbar vorwiegend aus Pakistan, der Türkei, Afghanistan und Somalia. Menschen aus Iran, Irak und Syrien seien nicht darunter, hieß es. Unter den Todesopfern sollen viele (Klein)Kinder sein; etwa 14 Minderjährige gelten als vermisst. 

Laut  dem italienischen Innenministerium sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5.273).

(vatican news/pm/sir/diverse - sst)

 

 

 

 

 

 

 

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27. Februar 2023, 10:43