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Papst Benedikt kurz nach seiner Wahl Papst Benedikt kurz nach seiner Wahl  (ANSA)

Vatikan-Journalist: Benedikt XVI. war „eine komplexe Person“

Mehr Ambiguitätstoleranz im Blick auf den verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. wünscht sich der britische Vatikanjournalist der Zeitung „The Tablet“, Christopher Lamb.

Im Interview der Podcast-Reihe „Himmelklar“ zeigte sich der Journalist überrascht, dass es in Deutschland im Kontext des Todes von Benedikt XVI. direkt kritische Reaktionen gegeben hat.

„Wenn ich mir Deutschland angucke, hätte ich vielleicht doch erwartet, dass man sich mit der Kritik und den Urteilen zurückhält, bis der Papst beerdigt ist. Vielleicht bin ich da zu altmodisch, aber ich finde, der Zeitpunkt über einen Menschen zu richten ist nicht ausgerechnet die Stunde seines Todes. Ich finde es schon etwas schwer zu verstehen, warum man nicht alleine schon aus Nationalstolz das Leben eines deutschen Papstes feiert. Schauen wir uns Johannes Paul II. und Polen an.“

Einen Einfluss auf die Rezeption des deutschen Papstes sieht Lamb im Missbrauchsskandal. Auch in vielen anderen Ländern, etwa Irland und Großbritannien, hätten die Missbrauchsfälle im Raum der Kirche „die Menschen regelrecht traumatisiert“.

„Da ist es vollkommen selbstverständlich, dass das auch einen Einfluss auf den Tod eines Papstes hat. … Diese Reaktion ist also vollkommen verständlich. Das ist einfach der Punkt, an dem die Kirche im Moment steht.“

In Großbritannien habe er nach Benedikts Tod von negativen Reaktionen „nichts mitbekommen“, so Lamb weiter. „Die Menschen sind gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Es gab großen Zuspruch und große Würdigungen seines theologischen Erbes“.

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Insgesamt würde sich der Vatikan-Beobachter, der Benedikts Pontifikat lange Jahre als Journalist begleitet hat, mehr Ambiguitätstoleranz im Blick auf Benedikt XVI. wünschen – es brauche einen differenzierten Blick auf den ehemaligen deutschen Papst, findet Lamb:

„Ich glaube, das Problem ist, dass das Erbe von Benedikt irgendwie schwer zu greifen oder zu definieren ist. Er war eine komplexe Person, und in der heutigen Zeit gehen wir mit Nuancen nicht immer so gut um. Als Katholiken sollten wir lieber das ,und‘ als das ,entweder/oder‘ in den Blick nehmen. Entweder ist er der schlimmste Kardinal, oder der brillante Papst. Vielleicht hatte er Elemente von beiden Seiten. Er hat brillante Schriften verfasst, andere, die weniger brillant sind.“

Hinsichtlich des Umgangs mit Missbrauch sieht Lamb den Versuch Ratzingers, „angemessen zu reagieren“, wenn er auch „mehr hätte tun müssen“, findet der Beobachter. „Aber zur damaligen Zeit war das schon ein beachtlicher Schritt. Es bleibt also am Ende ein gespaltenes Bild von Joseph Ratzinger.“

Der 2013 vom Papstamt zurückgetretene Benedikt XVI. war an Silvester im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben. Am vergangenen Donnerstag leitete Papst Franziskus auf dem Petersplatz die Totenmesse für seinen deutschen Vorgänger. Anschließend wurde er in den Vatikanischen Grotten unter dem Petersdom beigesetzt.

Das Interview mit Christopher Lamb führte Renardo Schlegelmilch für die Podcast-Reihe „Himmelklar“.


(himmelklar/vatican news – pr)
 

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11. Januar 2023, 12:52