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Eine chilenische Zeitung berichtet am 5. September über das Ergebnis des Referendums Eine chilenische Zeitung berichtet am 5. September über das Ergebnis des Referendums 

Chile: Klares Nein zur Verfassungsreform

Mit einer überraschend deutlichen Niederlage für das Regierungslager um den linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric ist in Chile das mit Spannung erwartete Referendum über eine neue Verfassung ausgegangen. Bei einer hohen Wahlbeteiligung von über 80 Prozent lehnten laut lokalen Medienberichten 61,86 Prozent der Stimmen den Entwurf ab.

„Wir sind sehr erfreut über die breite Beteiligung der chilenischen Bevölkerung an dieser Abstimmung im Hinblick auf die neue Verfassung.“ Mit diesen Worten kommentiert Alberto Lorenzelli, Weihbischof von Santiago de Chile, das Verfassungsreferendum vom Sonntag. Nur 38,14 Prozent waren für die erarbeitete Neufassung der Verfassung. Besonders hoch war mit 73,7 Prozent die Ablehnung des Entwurfs in der seit Jahren von Gewalt betroffenen Unruheprovinz La Araucania, in der radikale indigene Gruppen immer wieder Brandanschläge verüben.

In einer ersten Reaktion rief Präsident Boric zur Einheit des Landes auf, kündigte eine baldige Kabinettsumbildung an und erklärte, er habe die Botschaft des Volkes verstanden. Das chilenische Volk sei mit dem Verfassungsvorschlag, der vom Verfassungskonvent vorgelegt worden sei, nicht zufrieden.

Nach den Worten von Weihbischof Lorenzelli „gab es eine rege Beteiligung und auch eine sehr klare Neigung zu dem, was die Seele Chiles und die Seele der Chilenen ist, die Einheit wollen, die Geschwisterlichkeit wollen, die jede Art von Spaltung und vor allem jede Form von Gewalt überwinden wollen“. Es sei der Wunsch, „sich wieder zu treffen“, fügt er hinzu, und der Wunsch, „dass die Verfassung den Wunsch und den Willen der Chilenen respektiert, in einem geschwisterlichen Land zu leben, in einem Land, das offen ist für die Zeiten, in denen wir leben, und das ein Land ist, das in Sicherheit, in Ruhe und in Geschwisterlichkeit leben kann“.

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Wie geht es weiter?

Unklar ist, wie es nun weitergeht. Die Befürworter einer neuen Verfassung berufen sich auf den klaren Wählerauftrag von Oktober 2020, als sich die deutliche Mehrheit der Chilenen für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aussprach, da die alte in Teilen noch aus der Zeit der rechtsextremen Militärdiktatur von Augusto Pinochet stammt. Sie fordern nun einen neuen Anlauf, um eine überarbeitete Version des Entwurfes vorzulegen. Für diesen Montag hat Boric alle Parteiführer des Landes zu einem Treffen eingeladen, um über die aktuelle Lage zu beraten.

Ausgearbeitet hatte den Entwurf, der das Land nach Angaben der Befürworter sozial gerechter machen, die Umweltrechte besser schützen, die Indigenen- und Frauenrechte festschreiben sollte, ein verfassungsgebendes Konvent aus 155 gewählten Vertreterinnen und Vertretern. Die Einberufung des Verfassungskonvents war das Ergebnis einer anhaltenden Protestbewegung in dem südamerikanischen Land, die 2019 begann und schließlich in dem Auftrag, eine neue Verfassung zu erarbeiten, und im Wahlsieg eines Linksbündnisses mündete. Nach knapp einem Jahr im Amt ist die Zustimmung für die Boric-Regierung allerdings deutlich gesunken.

Erzbischof Chomali: „Polarisierung überwinden"

„Es ist gut, dass alle Chilenen eine neue Verfassung wollen und dass die Art und Weise, wie sie umgesetzt werden soll, gestaltet wird“, erklärte Erzbischof Chomali. „Dieser demokratische Prozess ist positiv für das Land und ein guter Anfang, um die derzeitige Polarisierung zu überwinden, so dass die verschiedenen Bereiche des Staates weiter daran arbeiten können, für Ruhe zu sorgen.“ Er begrüßte zudem, dass die Ergebnisse ohne Gewaltanwendung akzeptiert worden seien.

Bischof González: Elemente sollten beibehalten werden

Der Bischof von San Bernardo, Juan Ignacio González, wies darauf hin, dass die Chilenen mit dem Referendum einen Schrei ausgestoßen hätten, der sich vor allem an die Politiker richte. Die Kirche bekräftige ihr Engagement, stets ein Faktor der Einheit und des Friedens zu sein. Er fordere alle auf, „zuzuhören, die Ohren und den Geist zu öffnen und sich von der Idee zu verabschieden, ideologische Visionen aufzuzwingen, die der Realität fremd sind“.

Der abgelehnte Verfassungsentwurf erhalte durchaus Elemente, die beibehalten werden sollten, etwa im Bereich des Umweltschutzes, der sozialen Rechte, eines Abkommens mit den indigenen Völkern und der Dezentralisierung. „Aber sie müssen in einem anderen Ton und mit größtmöglicher Offenheit behandelt werden“, so Bischof González. „Das ist die aktuelle Herausforderung.“

(vatican news/kna/fides – hk/mg)

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07. September 2022, 12:53