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Indigene Indigene 

„Werte indigener Völker können unseren Gesellschaften helfen"

Was haben uns in Europa die traditionellen Indigenenkulturen zu sagen? Der Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität Vincenzo Buonomo wirkt seit 30 Jahren in der Arbeitsgruppe für indigene Völker bei der UNO in Genf mit. Er ist überzeugt: Die Werte dieser erdverbundenen Völker können ein Vorbild sein, mehr noch: ein Korrektiv.

In seiner Rede an die Leiter von Behörden, die Vertreter der indigenen Völker und das diplomatische Korps in der Zitadelle von Québec hat Papst Franziskus indigene Völker in ihrer Fähigkeit gewürdigt, auf Gott, die Menschen und die Schöpfung zu hören und sich abzuwenden von einer ausbeuterischen, rein auf Profit ausgerichteten Mentalität. Der Völkerrechtler Vincenzo Buonomo, heute Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität und langjähriger Büroleiter der Vertretung des Heiligen Stuhles bei den Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen, kann dem nur zustimmen:

„Wenn man sich die heutige Realität anschaut, sind Individualismus, Profitstreben und die Zerstörung des ökologischen Systems, einschließlich des indigenen Systems, die Ziele, denen wir uns gewissermaßen verschrieben haben. Die Rede des Papstes bringt uns da auf eine andere Realität zurück: nämlich wie die Realität der indigenen Völker stattdessen ein Faktor sein kann, der uns versöhnt mit der Situation“, erklärt der Indigenen-Fachmann in unserem Interview.

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Indigene Erdverbundenheit ist auch Modell des Zusammenlebens

Drei Elemente, so Buonomo, kennzeichneten die indigenen Kulturen: Identität, Gemeinschaft und Beziehung zum Land. In seinen Kanada-Reden habe Papst Franziskus alle drei Elemente hervorgehoben. Der Jurist sieht die starke Beziehung von Indigenen zu ihrem Stammland keineswegs erschöpft in Fragen von Restitution oder Umweltschutz.

„Es geht auch um eine bestimmte Art und Weise des Umgangs mit der Umwelt, ein Modell des Zusammenlebens“, erklärt Buonomo. „Dies ist meiner Meinung nach vor allem für uns wichtig, die wir von außen die indigene Realität als etwas wahrnehmen, das eher der Vergangenheit als der Zukunft anzugehören scheint. Der Papst kehrt diese Ansicht um.“

Vincenzo Buonomo
Vincenzo Buonomo

„Die indigene Gemeinschaft ist nicht alleinige Eigentümerin von Vermögenswerten, sondern sie legt die Vermögenswerte gemeinsam an“

Gerade die indigene Auffassung von geteiltem Besitz könnte für westliche Kulturen heilsame Wirkung entfalten, erklärte Buonomo. Geteilter Besitz treibe eine Gesellschaft nicht immer tiefer in Konflikte hinein, sondern verleihe im Gegenteil soziökonomische Stabilität. „In dieser Hinsicht kann uns das Bild der indigenen Gemeinschaft helfen. Die indigene Gemeinschaft ist nicht alleinige Eigentümerin von Vermögenswerten, sondern sie legt die Vermögenswerte gemeinsam an. Dies ist bereits ein Ansatzpunkt, um die Ursachen von Konflikten zu ergründen. Die indigene Gemeinschaft und Kultur sieht keine Möglichkeit für Konflikte, da diese in einer Beziehung zwischen den Generationen gelöst werden müssen: zum Beispiel zwischen den Ältesten und dem Rest der Gemeinschaft.“

Die Bußwallfahrt von Papst Franziskus ist deshalb, sagt der Rektor der Lateran-Universität, eine Erinnerung an die vielen Herausforderungen, vor denen gerade die westlichen Gesellschaften stehen, aber auch „eine Inspiration und eine Warnung.“

(vatican news – gs)

 

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29. Juli 2022, 14:30