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Getreide aus der Ukraine in Somalia... wird immer mehr zur Mangelwahre Getreide aus der Ukraine in Somalia... wird immer mehr zur Mangelwahre 

Ukraine-Krieg hat enorme Auswirkungen auf Afrika

Der Krieg in der Ukraine betrifft nicht nur Russland und Europa, auch der afrikanische Kontinent ist davon direkt betroffen. Das hat vor allem mit dem ausbleibenden Getreideexport aus der Ukraine zu tun, wie im Interview mit Radio Vatikan die deutsche Kommunikationsmanagerin der NGO Human Rights Watch, Birgit Schwarz*, sagt.

RV: Wir haben einen Krieg in Europa, aber das hat ja auch Konsequenzen für den afrikanischen Kontinent. Wir sprechen bereits von Hungersproblemen, von Spannungen, sogar von Flüchtlingsströmen. Davon spricht die UNO. Wie sieht es aus ihrer Sicht aus? 

Schwarz: Es stimmt, der Krieg in der Ukraine hat enorme Auswirkungen auf Afrika. Und zwar deswegen, weil die russische Invasion in der Ukraine die Handelsströme unterbrochen hat und weil die russische Armee die Häfen im Schwarzen Meer blockiert. Und das bedeutet, dass die Weizen-Exporte das Land nicht verlassen können. Es stimmt auch, dass die afrikanischen Länder zu 40 Prozent Weizen aus der Ukraine und aus Russland importieren. Diese Importe fallen jetzt weg und das hat nicht nur zu einer Nahrungsmittel-Verknappung geführt, sondern auch zu enormen Preissteigerungen.

Hier das Interview mit Birgit Schwarz von Human Rights Watch zum Nachhören

In Afrika leben aber viele unter der Armutsgrenze und diese Preissteigerungen können die meisten Menschen nicht mehr auffangen. Hinzu kommt, dass es auch keine sozialen Auffangsysteme gibt, so wie in Europa, dass also keine Mittel zur Verfügung stehen, um diese Preissteigerungen aufzufangen und Menschen zu helfen, trotzdem noch Brot und Öl kaufen zu können.

Und da sind jetzt auch die Geberländer gefragt, dass sie afrikanische Länder unterstützen, um diese Preissteigerungen finanziell aufzufangen, und dass auch keine Maßnahmen ergriffen werden, um die afrikanischen Länder zu zwingen, jetzt ihre Schuldenberge abzubauen. Das geht im Moment nicht. Die Länder sind ohnehin noch gebeutelt von der Covid-Krise.

RV: Wie sieht es diesbezüglich aus Sicht der Menschenrechte in Afrika aus?. Könnte der Krieg in der Ukraine auch hierzu Konsequenzen haben, also dass es noch Verschlechterungen geben wird? Oder sind wir an sich in einer eher schlechten Phase? 

Schwarz: Na ja, die Covid-Krise hat ja ohnehin schon negative Auswirkungen auf Freiheitsrechte gehabt. Und diese Hungerkrise könnte dazu führen, dass es weitere Migrationsströme gibt. Die UN spricht davon, wenn die Blockade nicht aufgehoben wird, dass es dann zu 1,4 Milliarden Flüchtlingen kommen könnte. Was in den Ländern selber passieren wird, müssen wir noch abwarten. Also im Tschad ist inzwischen schon der Notstand ausgerufen. In Südafrika gibt es Bestrebungen, einen Generalstreik auszurufen. Also es könnte dort zu Unruhen kommen. Wir wollen da auch nicht spekulieren, aber auf alle Fälle ist es so, dass natürlich durch die Covid-Krise schon alleine Freiheitsrechte eingeschränkt worden sind, und zwar erheblich teilweise.

RV: Gibt es noch etwas, was für Sie wichtig ist mitzuteilen, also was Sie unbedingt uns sagen wollen?

Schwarz: Es gibt natürlich auch noch enorm viele andere Krisen auf der Welt, die völlig vergessen werden. Denken wir an Äthiopien, wenn wir jetzt über Afrika reden. Der anhaltende Bürgerkrieg in der Region, wo auch erheblich Menschenrechte verletzt werden, wo es zu Vergewaltigungen, Vertreibungen und Exekutionen kommt. Das hat Human Rights Watch alles dokumentiert, doch ist das völlig vergessen in der westlichen Welt. Vergessen ist auch die ständige Krise in Somalia oder auch im Sudan, jetzt, wo wir ja im Prinzip wieder weitere Bestrebungen hin zu einem Zurück zu einem Militärregime haben.

„Natürlich muss auch Europa sich einigen auf andere Verteilungsmechanismus“

Vergessen ist auch die vom Westen verursachte Krise in Afghanistan, wo Frauen überhaupt keinerlei Selbstbestimmungsrecht mehr haben. Und das sind alles Krisen, die wir über dem Ukrainekonflikt auch weiterhin im Auge behalten müssen als westliche Länder. Und was man vielleicht auch noch sagen muss, ist: Es ist wahr, wir haben ukrainische Flüchtlinge mit offenen Armen in Europa aufgenommen. Aber jene Migrantenströmen und Flüchtlinge aus den Ländern in Afrika, die teilweise vor Verfolgung fliehen, teilweise aber eben natürlich auch vor schlimmen Hungersnöten fliehen, werden in Europa blockiert. Sie werden überhaupt nicht reingelassen, zurückgeschickt nach Libyen, wo sie Folter und Missbrauch ausgesetzt sind und teilweise sogar von Menschenhändlern gehandelt werden. Dass ukrainische Flüchtlinge hier integriert und aufgenommen werden, dass man dafür bestimmte Mechanismen in Kraft gesetzt hat, die das möglich machen, zeigt ja, dass es auch für andere Flüchtlinge möglich wäre. Und ich denke, wir müssen da auch wirklich unsere Politik ändern. Natürlich muss auch Europa sich einigen auf andere Verteilungsmechanismus, das ist auch klar.

Das Interview führte Mario Galgano.

*Birgit Schwarz ist für die Kommunikation bei Human Rights Watch tätig. Sie ist zuständig für die Medienstrategie in weiten Teilen Afrikas, aber auch für Italien, Polen und Griechenland.

(vatican news)

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13. Juni 2022, 12:41