Polizisten auf Patrouille am Strand zwischen Ambleteusse und Wimereux Polizisten auf Patrouille am Strand zwischen Ambleteusse und Wimereux 

Frankreich: Jesuit in Calais im Hungerstreik

Man nennt ihn nur den „Dschungel“. Wie viele Migranten und Flüchtlinge sich auf diesem Gelände im nordfranzösischen Calais aufhalten, weiß keiner so genau. Sie wollen von hier aus Großbritannien erreichen, doch die französischen Behörden gehen mit aller Härte gegen sie vor.

Immer wieder werden Zelte abgerissen, die Habseligkeiten von Migranten beschlagnahmt oder zerstört, Ausweisungen verhängt. Fast täglich eine neue Maßnahme. Auch die Verteilung von Lebensmitteln und Wasser wird erschwert; schon zirkulieren Berichte über Demütigungen und Schläge von Polizisten gegenüber den Migranten.

Drei Personen, darunter ein engagierter Jesuit, sind deshalb seit dem 11. Oktober in einer Kirche in Calais im Hungerstreik. Damit wollen sie auf die unmöglichen Lebensbedingungen der Menschen im „Dschungel“ aufmerksam machen. Sie fordern, dass die Maßnahmen gegen die wilden Camps wenigstens im Winter ausgesetzt werden.

„Es reicht!“

„Wir haben uns an viele Dinge in Calais gewöhnt, an die alltägliche Misshandlung von Flüchtlingen, und es ist wichtig, dass die Bürger jetzt sagen: Es reicht!“ Das sagt Jesuitenpater Philippe Demeestere. Der 72-Jährige arbeitet für die Hilfsorganisation „Secours Catholique“ in Calais.

„Wir sind geistig wie betäubt durch die Gewohnheit, betäubt durch die Vorsicht, die weit verbreitet ist, auch in unseren Kirchen. Keiner will Unordnung schaffen. Darum ist unser Hungerstreik wichtig: Wir wollen nicht, dass dies so weitergeht!“

„Psychische und physische Gewalt gegen Migranten“

„Secours Catholique“ gehört zum Verband „Faim aux frontières“ (Hunger an den Grenzen). Dieser Verband hat eine Online-Petition gestartet. „Schon seit Jahren machen Helfer und Aktivisten auf die unmenschlichen Zustände in der Region Calais aufmerksam“, heißt es darin. Der Text prangert die täglichen Formen von „psychischer und physischer Gewalt gegen Migranten“ an.

„Unsere Forderungen sind ganz einfach: Sie betreffen nur die Winterzeit“, erklärt uns der Jesuit. „Es geht einfach darum, die einfachste Menschlichkeit zu respektieren und die Migranten hier wenigstens den Winter über nicht zu verjagen, ihre Zelte oder ihr persönliches Eigentum nicht zu beschlagnahmen. Die Regierung tut nur das Nötigste und das auch noch schlecht, weil es keinen wirklichen Willen gibt, etwas für diese Menschen zu tun. Hier geht es darum, den Menschen das Leben zur Hölle zu machen, damit sie in Frankreich bleiben.“

Zum Nachhören: Jesuit im Hungerstreik macht auf Lage von Migranten in Calais aufmerksam

„Unmenschlich gewordener Mechanismus“

„Secours Catholique“ wirft den Behörden vor, jeden Versuch eines Dialogs abzuwürgen. Der Priester berichtet, er habe am 14. Juli bei der Unterpräfektur einen Antrag auf ein Aussetzen von Ausweisungen gestellt – und keine Antwort darauf bekommen. Die Abschiebung von Asylbewerbern habe kurz darauf trotzdem stattgefunden.

Pater Demeestere spricht deshalb von einem „unmenschlich gewordenen Mechanismus“ des Staates. Seiner Meinung nach erklärt das Wahlkampfklima zum Teil diese rein sicherheitspolitische Reaktion auf eine humanitäre Tragödie. In Frankreich wird nächstes Jahr ein neuer Präsident gewählt.

Migranten als Verhandlungsmasse

„Frankreich hat Großbritannien versprochen, Migranten, die über den Kanal übersetzen wollen, schon auf französischer Seite zu stoppen; im Gegenzug gab es finanzielle Unterstützung Großbritanniens für den Bau von Mauern und Zäunen um die Stadt Calais. Die Migranten sind damit zu einer Verhandlungsmasse geworden: Vor uns stehen keine Menschen, die frei sind.“

Die Behörden bedenken die Lage im „Dschungel“ nach Beobachtung des Jesuiten mit schönen Worten – doch dahinter stehe überhaupt nichts

„Die Regierung behauptet, sie betreibe eine Politik der Aufnahme und der Entschlossenheit, aber von Aufnahme ist überhaupt nichts zu sehen! Die Regierung kümmert sich lediglich um minimale Maßnahmen, die von den Justizbehörden angeordnet werden. Mit dem Fuß auf der Bremse und dem eingelegten Rückwärtsgang tut die Regierung immer nur das Allernötigste… Was hier geschieht, geschieht nicht in einem 10.000 Kilometer entfernten Land, zu dem wir sagen könnten, ‚da kann man nichts machen.‘“

(vatican news – sk)
 

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18. Oktober 2021, 10:54