Eine blinde afghanische Studentin, die die Blindenschrift in Kabul lernt... das war im September 2012 Eine blinde afghanische Studentin, die die Blindenschrift in Kabul lernt... das war im September 2012 

„Wir hoffen auf Rückkehr nach Kabul“

Auch wenn mit Abreise der Christen die Präsenz der Kirche in Afghanistan stark dezimiert ist, zeigen Christen Entschlossenheit, irgendwann in das Land zurückzukehren und die leidenden Menschen vor Ort - so gut es eben geht - tatkräftig zu unterstützen. Radio Vatikan sprach mit dem italienischen Priester Giovanni Scalese und der Mit-Organisatorin einer weltweiten Solidaritätsaktion für afghanische Frauen, Olena Komisarenko.

Mario Galgano und Gabriella Ceraso – Vatikanstadt

Fast sieben Jahre lang war Pater Giovanni Scalese der einzige katholische Priester in Kabul. Am Donnerstagnachmittag kehrte der Barnabit gemeinsam mit fünf Ordensschwestern und 14 Kindern, die diese betreuen, in seine Heimat Italien zurück. Der Rückflug der Gruppe markiert einen traurigen, vorläufigen Endpunkt der Präsenz der katholischen Kirche in dem Land, die unter Papst Pius XI. vor einhundert Jahren nach Afghanistan kam. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt Pater Scalese seine Geschichte nach diesen letzten aufgewühlten Tagen:

„Sicherlich hat sich niemand vorgestellt, das Land auf diese Weise verlassen zu müssen. Ich hätte nach sieben Jahren an eine Ablösung denken können, aber nicht auf diese Weise, sondern auf eine normalere Art und Weise. Aber das Leben hält auch diese Überraschungen für uns bereit. Was ich in diesem Moment am meisten spüre, ist die Genugtuung, dass alles gut gegangen ist, dass wir es geschafft haben, mit den Schwestern und den Kindern anzukommen, und dass es uns allen gut geht. Wir danken dem Herrn dafür. Es tut uns leid, dass wir ein Land in großer Not verlassen mussten und unseren Dienst nicht fortsetzen konnten. Wir hoffen, dass alles in kurzer Zeit geklärt wird und dass die Voraussetzungen gegeben sind, um die Arbeit der Kirche in Afghanistan wieder aufzunehmen.“

Zum Nachhören - was ein Priester und eine Aktivistin über Afghanistan sagen

Riskantes Unterfangen

Pater Scalese war für die katholische Mission in Afghanistan zuständig. Es seien sehr schwierige Jahre gewesen, hält der Barnabit fest: Die meiste Zeit habe er gar nicht den Sitz der italienischen Botschaft verlassen können - nicht weil es jemand verhindert hätte, sondern weil es keine Sicherheitsbedingungen dafür gab, erläutert der Pater.

Symbol der Frauen in Afghanistan: das blaue Kleid
Symbol der Frauen in Afghanistan: das blaue Kleid

„Wir hoffen jedoch, dass wir die Arbeit bald wieder aufnehmen können“

„Und dann gab es in den letzten zwei Jahren zusätzlich zu den Sicherheitsgründen auch noch gesundheitliche Gründe wegen Covid, die zu einer totalen Abriegelung sogar in der Botschaft führten; die Gläubigen konnten nicht einmal zur Messe kommen. Es waren also schwierige Jahre, und ich war zwar anwesend, aber ich konnte keine pastorale Arbeit leisten wie in anderen Zeiten. Die Ordensschwestern hingegen konnten ihre soziale und karitative Arbeit bis zum Schluss ausüben. Nun mussten leider auch sie alles unterbrechen, was wir sehr bedauern. Wir hoffen jedoch, dass wir die Arbeit bald wieder aufnehmen können.“

Er hoffe und glaube fest daran, dass Christen wieder nach Afghanistan zurückkehren können.

Solidarität mit Frauen in Afghanistan

Besonders schwierig ist es für Frauen in Afghanistan. Deshalb hat jetzt die Friedensinitiative „The Economy of Francesco“ eine Aktion gestartet. Man könne der Notlage der afghanischen Frauen nicht gleichgültig gegenüberstehen, so Scalese. Alle seien eingeladen, am Samstag aktiv an der Initiative teilzunehmen. Olena Komisarenko ist Mitglied von „Economy of Francesco“. Sie erläutert im Gespräch mit Radio Vatikan, dass afghanische Frauen und Mädchen wieder einmal Sklavinnen geworden seien, die ihrer Rechte und ihrer Freiheit beraubt wurden. 

„Wir haben ein Ziel: der heutigen Wirtschaft eine Seele zu geben. Die Anerkennung und Beteiligung der Frauen in der heutigen Gesellschaft sind grundlegend und zwar überall auf der Welt. Es braucht eine Wirtschaft, die nachhaltig und gerecht ist. Die Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan kann uns heute nicht gleichgültig lassen.“

Es seien Frauen, die jetzt mutig in den Straßen von Kabul um ihre Rechte kämpfen müssten. Es seien auch afghanische Frauen, die uns im Westen fragen würden, ob wir sie konkret unterstützten, so Komisarenko.

„Die UNO hat festgestellt, dass das Vorrücken der Taliban auch dazu geführt hat, dass vermehrt willkürliche Tötungen ausgeführt wurden. Frauen wurden nicht nur getötet, sondern viele sind verschwunden oder wurden eingesperrt. Heute scheint es wieder undenkbar zu sein, dass Frauen in Afghanistan eine Universität betreten können. Das können wir nicht hinnehmen. Mit unserer Solidaritätsaktion wollen wir darauf aufmerksam machen. Das ist unsere einzige Möglichkeit, die wir zur Verfügung haben.“

An diesem Samstag, dem 28. August, werden die Mitglieder von „Economy of Francesco“ in ihren Städten auf die Straße gehen und rufen: „Es gibt afghanische Frauen. Gemeinsam stehen wir auf.“ Dazu lädt Komisarenko alle ein. In den Händen und an den Fenstern der Häuser sollen blaue Tücher geschwenkt werden, als Erkennungszeichen und Symbol der Frauen Afghanistans.

„Wir werden den Marsch jeden Samstag wiederholen, so lange wie nötig.“

„Wir werden den Marsch jeden Samstag wiederholen, so lange wie nötig. Wir tragen jeden Tag ein Stück blaues Tuch, um den afghanischen Frauen zu sagen: Wir sind bei euch, wir sehen euch, wir hören euch. Lassen Sie uns gemeinsam diese Aktionen sichtbar machen, lassen Sie uns denen eine Stimme geben, die manche zum Schweigen bringen wollen.“

(vatican news)

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27. August 2021, 11:04