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In Nursultan, der einsamen Hauptstadt In Nursultan, der einsamen Hauptstadt 

Als Missionar in Kasachstan (1)

Missionare lernen fremde Länder ganz anders kennen als Diplomaten oder Auslands-Korrespondenten: von innen her. Sie müssen sich in der Regel ganz anders auf ein fremdes Land einstellen, schon weil sie dort womöglich den Rest ihres Lebens verbringen werden und nicht nur auf der Durchreise sind.

Pater Leopold Kropfreiter gehört zur Ordensgemeinschaft der Diener Jesu und Mariens. Seit 2008 lebt der Österreicher zwischen Russland und China – in Kasachstan.

„Das Land ist, sobald man auf dem Flughafen in Nursultan ankommt, einfach riesig groß“, erzählt er im Gespräch mit Radio Vatikan: „eine riesige Steppe, die sich um einen ausbreitet, wenig Vegetation, Gras, manchmal auch Halbwüste und Wüsten. Wenig Menschen - und viel, viel freie Fläche. Die Hauptstadt Astana (so hieß sie bis vor wenigen Jahren, 2019 wurde sie dann zu Ehren des scheidenden Präsidenten Nursultan Nasarbajew umbenannt) selber ist sehr modern, von den modernsten Architekten der Welt mitgestaltet. Ein Projekt des ehemaligen Präsidenten Nasarbajew: sehr modern, sehr viel Glas, sehr viel Beton.“

Eine riesige Steppe

Nursultan ist so etwas wie das Schaufenster von Kasachstan; wer nur die Hauptstadt kennt, der weiß wenig von diesem Land, sagt Pater Leopold. Das eigentliche, das authentische Kasachstan liege woanders.

„Sobald man die Hauptstadt verlässt, die manchmal die einsamste Hauptstadt der Welt genannt wird, werden die Straßen gleich viel schlechter. Die Steppe breitet sich vor einem aus. Manchmal begegnet man Pferden, Rinderherden, und wenig Ortschaften. Es kann sein, dass man manchmal 50, 70, 100 km fährt, ohne eine einzige Ortschaft zu finden oder einem Menschen zu begegnen.“

Viele kleine Minderheiten

Pater Leopold arbeitet zunächst in Zentral-Kasachstan, später in Karaganda, wo es eine katholische Gemeinde und auch die größte Kathedrale von ganz Zentralasien gibt. Das Land kennt er mittlerweile gut: Hochgebirge im Süden und Osten, das Kaspische Meer im Westen, die Ausläufer von Sibirien im Norden. Und dazwischen vor allem „eine einzige, riesige Steppe“, dünn besiedelt. Im Winter kann die Temperatur unter die -40 Grad fallen, im Sommer wird es gern über 40 Grad plus.

Die Bevölkerung ist ein Mosaik: „Es gibt über hundert verschiedene Nationalitäten in Kasachstan. Von den 18 Millionen Einwohnern gehören 12 Millionen zum Turkvolk der Kasachen; etwa 72 Prozent der Bevölkerung Kasachstans sind Muslime. Dann findet man viele slawische Völker, in erster Linie Russen. Und dann gibt es eben noch viele, viele kleine Minderheiten wie Ukrainer, Litauer, Deutsche, Polen, aber auch Tataren, Kirgisen, Usbeken, Uiguren und so weiter.“

Etwa 23 Prozent der Kasachen sind Christen – die meisten gehören der russisch-orthodoxen Kirche an. Die Katholiken liegen nur bei etwa einem Prozent, sind allerdings im Land sehr angesehen.

Eine katholische Pfarrei in Kaphagayah
Eine katholische Pfarrei in Kaphagayah

Gastfreundschaft und Offenheit

„Wenn man die Menschen kurz charakterisieren möchte, dann fällt auf, dass in Kasachstan die Gastfreundschaft einen ganz großen Stellenwert hat. Man kann im Prinzip zu jeder Tages- und Nachtzeit bei Menschen anklopfen – man wird immer aufgenommen und auch verpflegt! Das ist sehr angenehm. Gerade im Winter, wenn man unter Umständen auf der Straße nicht mehr weiterkann, kann man wirklich damit rechnen, dass man unkompliziert eine Unterkunft findet.“

Und noch etwas zeichnet die Kasachen nach der Beobachtung des österreichischen Missionars aus: ihre Offenheit für andere Menschen, andere Völker. An den kulturellen Mix von Menschen verschiedenster Hintergründe sei man hier gewöhnt.

„Das führt dann unter Umständen dazu, dass man die verschiedenen religiösen Feste, die die größeren Religionsgruppen haben, auch gemeinsam feiert. So sind manche muslimische Feste staatliche Feiertage, an denen man auch unseren muslimischen Freunden selbstverständlich gratuliert und unter Umständen auch bei ihnen zu Hause ein Festmahl hält. Gleichzeitig wird z.B. das russisch-orthodoxe Ostern ebenfalls als Staatsfeiertag gehandhabt. Und dann kann es sein, dass auch Muslime einem zu Ostern gratulieren und dabei sagen: Christus ist auferstanden!“

Zum Nachhören: Der österreichische Missionar Leopold Kropfreiter erzählt von seiner Arbeit in Kasachstan

Christen lebten schon vor dem Islam in Zentralasien

Die katholische Kirche in Kasachstan ist zwar sehr klein, aber in der Region doch tief verwurzelt. Christliche Spuren im heutigen Kasachstan reichen ins dritte und vierte Jahrhundert zurück – das heißt, das Christentum war hier schon lange vor dem Islam präsent. Immer wieder entstehen im Lauf der Jahrhunderte christliche Strukturen, aufgebaut vor allem von nestorianischen Missionaren.

„Christen sind in Kasachstan und in Zentralasien also schon seit sehr vielen Jahrhunderten gegenwärtig. Sprunghaft stieg aber die Anzahl der katholischen Christen erst im 20. Jahrhundert an: durch die sowjetischen Verfolgungen. Die erste Welle der Deportationen fand 1936 statt, als Stalin viele Menschen, Katholiken aus der Westukraine und aus Polen, nach Kasachstan zwangsdeportierte. Die zweite Deportationswelle folgte 1941, als Hunderttausende von Wolgadeutschen innerhalb von kürzester Zeit nach Kasachstan verfrachtet wurden.“

Johannes Paul II. besuchte 2001 Kasachstan
Johannes Paul II. besuchte 2001 Kasachstan

Geschichten von Leid und Unterdrückung

Es ist also unter dem Druck schwerer Verfolgungen und Repressionen, dass im letzten Jahrhundert auf einmal eine ganze Reihe katholischer Gemeinden in Kasachstan begründet werden.

„Die Geschichten, die die Menschen erzählen, sind natürlich sehr berührend… Wie sie es irgendwie geschafft haben, ihre Gebetbücher und ihre Bibeln heimlich mitzunehmen, aus denen sie dann vorlasen. Es waren vor allem Laien und da vor allem die Großmütter, die den Glauben an die nächste Generation weitergaben.“

Grundsätzlich werden die Katholiken damals auf dem ganzen Gebiet Kasachstans verstreut angesiedelt. Dennoch gibt es auch einige Zentren, etwa Karaganda. Dort leben Wolgadeutsche, also deutschstämmige Katholiken aus Russland; sie müssen in den Kohlebergwerken arbeiten. „Die Gemeinde traf sich nur nachts im Untergrund. Manchmal erhielten sie Besuche von Priestern, die von ihnen gehört hatten.“

Stetiger Strom von Auswanderern

In den frühen neunziger Jahren zerfällt die Sowjetunion – Kasachstan erringt seine Unabhängigkeit. Daraufhin verlassen Hunderttausende von deutsch- und polnischstämmigen Katholiken aus Kasachstan das Land in Richtung Deutschland bzw. Polen – ein Exodus, der immer noch anhält. „Wir merken das besonders bei den jungen Leuten, die nach guter Ausbildung streben oder auch eine bessere Perspektive für sich selber sehen, wenn sie nach Polen oder nach Europa gehen.“

Doch neben diesen sozusagen „traditionellen“ gibt es allmählich auch Katholiken aus der kasachischen Bevölkerung, die sich bekehrt haben. Vor allem in den Städten wachsen da neue, kleine Gemeinden.

„Mittlerweile versuchen wir auch für die kasachisch sprechenden Katholiken Gebete wie den Rosenkranz oder auch Teile der Heiligen Messe auf Kasachisch abzuhalten. Das ist eine große Herausforderung für die Missionare, die oft Schwierigkeiten mit Russisch haben und Kasachisch dann ebenfalls noch erlernen müssen.“

--- Dies ist der erste Teil einer Mini-Serie über die Kirche in Kasachstan: Der zweite Teil folgt bald ----

(vatican news - sk)
 

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17. Mai 2021, 09:14