Vertriebene Familien in einem Lager nördlich von Aleppo Vertriebene Familien in einem Lager nördlich von Aleppo 

Syrien: „Wir sind gefangen und isoliert vom Rest der Welt“

Der Obere des Franziskanerklosters in Aleppo, Pater Ibrahim Alsabagh, warnt vor einer neuerlichen Aufrüstung islamistischer Milizen in der Rebellenhochburg Idlib. Darüber hinaus spricht er von einem „Hungerkrieg“ in Syrien. Indessen hat die jüngste internationale Geberkonferenz für das Land im Jahr elf des Krieges weniger Mittel als erhofft gesammelt.

„Wir sind gefangen und isoliert vom Rest der Welt." - Mit diesen drastischen Worten hat der Obere des Franziskanerklosters von Aleppo, P. Ibrahim Alsabagh, die Stimmung und Lage in der nordsyrischen Metropole Aleppo zusammengefasst. Im Interview mit dem französischen katholischen Wochenmagazin „Famille Chrétienne" sprach Alsabagh von einer dramatischen humanitären Situation, die von den westlichen Wirtschaftssanktionen, dem immer noch andauernden Krieg und Covid noch verschärft würden.

Die Situation sei nun wieder so schlimm wie vor 2016, als in Aleppo ein erbitterter Krieg zwischen islamistischen Rebellen und Regierungstruppen tobte: „Wir erleben gerade einen Hungerkrieg", sagte der Franziskaner. Besonders schwer treffe die Krise Kinder und Jugendlichen, die keine Zukunftsperspektiven haben. Viele Eltern könnten sich das Schulgeld nicht mehr leisten, „oft können sie nicht einmal mehr Kleidung oder Schuhe für ihre Kinder kaufen, damit diese in die Schule gehen können".

Geberkonferenz erbrachte weniger als erhofft

Die Weltgemeinschaft hat bei einer Geberkonferenz am Dienstag für das kriegszerrüttete Syrien Finanzhilfen in Gesamthöhe von umgerechnet 5,4 Milliarden Euro zugesagt. Dies waren rund 1,6 Milliarden Euro weniger als bei der Konferenz 2020. Den Vereinten zufolge leben heute neun von zehn Menschen in Syrien unterhalb der Armutsgrenze. UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock sagte, die Gewalt im Land habe zwar nachgelassen, das Leid aber zugenommen.

Pater Alsabagh warnte in dem Interview auch davor, dass der militärische Konflikt noch nicht zu Ende sei. In der Rebellen-Hochburg Idlib würden die verschiedenen islamistischen Milizen gerade wieder aufgerüstet.

Muslime interessieren sich für das Christentum

Zur Frage nach den Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in Aleppo meinte Alsabagh, dass dieses Verhältnis vor der Krise und auch aktuell friedlich sei. Der Ordensmann berichtet zudem davon, dass es immer mehr Muslime gebe, die sich aufgrund der Erfahrungen des Krieges für das Christentum und seine Botschaft des Friedens interessieren würden.

P. Alsabagh ist nicht nur Oberer der Franziskaner, sondern zugleich auch Pfarrer der örtlichen römisch-katholischen Pfarre. Gemeinsam mit seinem Team ist Alsabagh in der Seelsorge und im sozialen Bereich tätig. Die Pfarre bzw. das Kloster haben zahlreiche Hilfsprojekte für die Not leidende Bevölkerung gestartet.

(pro oriente/agenturen – gs)

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31. März 2021, 09:35