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Das war noch vor Corona: Frankreichs Kirchenchefs tagen Ende 2019 in Lourdes Das war noch vor Corona: Frankreichs Kirchenchefs tagen Ende 2019 in Lourdes 

Frankreich: Bischöfe beraten über Missbrauch

Zu einer außerordentlichen Vollversammlung kommen die französischen Bischöfe von diesem Montag an zusammen. Bis Mittwoch beraten sie virtuell über das Thema Missbrauch.

Stefan von Kempis und Olivier Bonnel – Vatikanstadt

Dabei wollen sie das Phänomen von allen möglichen Seiten beleuchten – auch eine theologische Reflexion gehört dazu. Vor allem aber geht es um die heikle Frage der Zahlung von Entschädigungen oder Anerkennungsleistungen an Überlebende von Missbrauch im kirchlichen Raum. In den meisten Fällen sind bisher noch keine Gelder geflossen; nur das Erzbistum Lyon hat erste Zahlungen angekündigt.

Eine unabhängige Kommission unter Jean-Marc Sauvé hat für die Jahrzehnte seit 1950 Tausende von Missbrauchs-Opfern ermittelt. Die Prüfer konnten in Bistumsarchiven forschen; außerdem ermunterten sie über eine Homepage Missbrauchs-Überlebende, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Im Herbst will die Kommission ihren Abschlussbericht veröffentlichen.

Kardinal Barbarin
Kardinal Barbarin

Streit um Verantwortung

„Wir haben schon einiges geleistet, aber das ist wohl nie genug, wenn man an die Notwendigkeit denkt, für Wahrheit und Gerechtigkeit zu sorgen.“ Das sagt uns die Moraltheologin und Dominikanerin Véronique Margron, Präsidentin der französischen Ordensoberen-Konferenz, in einem Interview. „Es war sehr wichtig, dass eine unabhängige Kommission alle Fälle untersucht hat – so etwas hat es in Frankreich noch nie gegeben. Da ist zutage getreten, was im System Kirche teilweise jahrzehntelang passiert ist.“

In Frankreich ist das Thema Missbrauch vor allem mit dem Namen Philippe Barbarin verbunden. Dem Erzbischof von Lyon wurde vorgeworfen, schwere Missbrauchstaten eines Priesters in seinem Erzbistum nicht angezeigt zu haben. Ein Gericht sprach den Kardinal zwar von diesem Vorwurf frei, doch trat Barbarin letztes Jahr dennoch von seinem Amt als Erzbischof von Lyon zurück.

„Die Kirche bereitet sich jetzt auf diesen Bericht vor, und auf die Massnahmen, die sie zu treffen hat. Es geht vor allem um eine geistliche Unterscheidung – und dann um die konkreten Konsequenzen. Vor allem über das Thema der Verantwortung soll verstärkt nachgedacht werden, das ist ein unter den Bischöfen stark diskutierter Begriff.“

Zum Nachhören: Die Kirche von Frankreich und die Missbrauchs-Skandale - ein Interview

„Es kommt ja darauf an, dass hinterher bei den Entscheidungen jeder mitzieht“

Die Frage dabei lautet zum Beispiel: In welcher Hinsicht ist heute ein Ortsbischof verantwortlich für Verbrechen, die vor dreißig, vierzig Jahren begangen worden sind? Vor der Online-Sitzung sollte jeder Bischof schriftlich seine Gedanken zum Thema Verantwortung einreichen.

Schwester Véronique Margron ist davon überzeugt, dass die Kirche über die „juridische“ Verantwortung hinaus auch eine „politische Verantwortung“ hat. „Unsere Kirche hat über einen langen Zeitraum Taten vertuscht und sich manchmal sogar zur Komplizin von Tätern gemacht. Das ist wirklich schwerwiegend für eine Kirche, die eigentlich dazu da ist, das Evangelium, die Gute Nachricht zu verkünden. Und dazu kommt auch noch eine spirituelle Verantwortung: Man darf nicht vergessen, dass die Opfer bis heute unter den Folgen der Verbrechen leiden.“

Noch keine Entscheidungen

Bei der virtuellen Vollversammlung wollen die Bischöfe mit den Opferbeauftragten der einzelnen Bistümer sprechen. Entscheidungen sollen nicht getroffen werden; das ist der nächsten, ordentlichen Vollversammlung vorbehalten, die im April stattfinden soll.

„Ich hoffe auf einen ehrlichen Austausch“, betont Margron. „Es kommt ja darauf an, dass hinterher bei den Entscheidungen jeder mitzieht – darum muss jetzt erstmal ein möglichst breiter Konsens hergestellt werden. Es wird später nur in dem Maß etwas passieren, als sich jeder verantwortlich fühlt.“

(vatican news – sk)
 

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22. Februar 2021, 12:21