Menschen in Caracas am 4. Januar Menschen in Caracas am 4. Januar 

Papst Franziskus betet für das leidgeprüfte Venezuela

Einen ungewöhnlichen Brief hat der venezolanische Kardinal Baltazar Porras Cardozo jetzt aus dem vatikanischen Staatssekretariat bekommen. Nicht nur der Papst, sondern auch der Kardinalstaatssekretär und sein Substitut gratulieren ihm zu seinem Namenstag.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Papst Franziskus nutzt die Gelegenheit, um in dem Schreiben mit dem Briefkopf des Staatssekretariats dem venezolanischen Volk seine Nähe zu versichern. Dieses Volk erlebe gleich in mehrfacher Hinsicht eine schwere Prüfung, so der lateinamerikanische Papst: „durch die Geißel der Corona-Pandemie, die Arroganz der Mächtigen und die wachsende Armut, die es stranguliert“.

Expliziter wird Franziskus, der in der Vergangenheit mehrfach zum Gebet für Venezuela aufgerufen hat, in dem Schreiben nicht. Allenfalls sein Hinweis, Weihnachten feiere „die Demut Gottes, dessen Licht die Finsternisse der Welt vertreibt“, lässt sich noch auf die immer verfahrenere Lage in Venezuela beziehen.

Politische Kontrahenten: Maduro und Guaidó
Politische Kontrahenten: Maduro und Guaidó

„Die Finsternisse vertreiben“

Der Vatikan hat sich in den letzten Jahren mehrmals vergeblich darum bemüht, einen Dialog zwischen dem Regime von Nicolás Maduro und den oppositionellen Kräften in Venezuela in Gang zu bringen. Eine wichtige Rolle spielte dabei der jetzige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der vor seiner Berufung in den Vatikan päpstlicher Nuntius in Caracas war.

Die Tatsache, dass Parolin den Namenstags-Glückwunsch mit unterzeichnet hat, spricht dafür, wie sehr Venezuela dem Vatikan weiter am Herzen liegt. Der dritte Unterzeichner des Briefs ist übrigens Erzbischof Edgar Peña Parra, Substitut im Staatssekretariat – und wie der Papst ein Lateinamerikaner.

Am 5. Januar trat das neugewählte Parlament zusammen
Am 5. Januar trat das neugewählte Parlament zusammen

„Corona verschlimmert wirtschaftlichen Zusammenbruch“

Kardinal Porras Cardoso ist Erzbischof von Mérida; er nimmt diese Woche an der Video-Vollversammlung der venezolanischen Bischofskonferenz teil. Zum Auftakt der Arbeiten hat sich der Präsident des Verbands, Erzbischof José Luis Azuaje von Maracaibo, vor allem besorgt über die Corona-Pandemie geäußert. Durch sie werde „der wirtschaftliche Zusammenbruch“ des Landes noch schlimmer. Die Inflation galoppiere, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im freien Fall, die Arbeitslosigkeit steige. Nach offiziellen Angaben starben in Venezuela bisher 1.052 Menschen an oder mit dem Corona-Virus; das BIP ist zwischen 2013 und 2019 um zwei Drittel gesunken.

Verantwortlich für den Zusammenbruch ist nach Azuajes Diagnose „die juridische Unsicherheit, die der Staat durch Kontroll- und Zwangsmaßnahmen in die Wirtschaft getragen“ habe. Zur politischen Dauerkrise Venezuelas bemerkte der Erzbischof: „Nichts wird sich erreichen lassen, solange dem Volk nicht endlich bewusst wird, dass es ein Volk ist.“ Derzeit verhielten sich die Venezolaner „wie eine Herde ohne Hirten“.

Straßenszene in Caracas
Straßenszene in Caracas

„Herde ohne Hirten“

Maduro hat unlängst unter zweifelhaften Umständen Parlamentswahlen durchführen lassen; dadurch hat er das Parlament, bisher eine Hochburg der Opposition, in die Hand bekommen. Bisheriger Parlamentspräsident war der Oppositionelle Juan Guaidó, den einige westliche und lateinamerikanische Staaten als legitimen Präsidenten anerkannt haben; ihm ist jetzt eine wichtige Legitimationsgrundlage weggebrochen. Zerstritten ist die Opposition im Land ohnehin (wieder), seit sich gezeigt hat, dass das Regime das Militär hinter sich hat und weiter fest im Sattel sitzt.

Am Montag, zum Abschluss ihrer Beratungen, wird sich die Bischofskonferenz – wie üblich – mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit wenden. Dabei wird sie nicht mit deutlichen Worten in Richtung Regime sparen. Zugleich herrscht unter den Kirchenführern aber auch Ratlosigkeit, was sich denn noch tun ließe, um aus der Krise wieder herauszukommen. Erzbischof Azuaje hat die Parole ausgegeben, die Kirche müsse jetzt in erster Linie an ihre „Option für die Armen“ denken. Subtext: Solange wir keine Rezepte für politische und wirtschaftliche Verbesserungen haben, müssen wir eben die soziale Karte spielen und den Menschen helfen, für die schon die reine Bewältigung des Alltags immer herausfordernder wird.

Starb in der Haft: Salvador Franco
Starb in der Haft: Salvador Franco

Der Fall Salvador Franco

Bei den Beratungen der Bischöfe wird wohl auch der Fall Salvador Franco eine Rolle spielen. Der Ureinwohner vom Pemón-Volk war im Dezember 2019 zusammen mit weiteren zwölf „Indígenos“ festgenommen worden und ist am letzten Sonntag in der Haft verstorben. Ihm wurde vorgeworfen, am Angriff auf eine Kaserne im Süden des Landes beteiligt gewesen zu sein.

Die venezolanische Bischofskonferenz und 15 weitere katholische Verbände bzw. Einrichtungen rügten in einer Erklärung, die Ureinwohner seien „willkürlich verhaftet und festgehalten“ worden; ihr Prozess habe außerdem zu spät begonnen – und dann auch noch vor einem Anti-Terror-Tribunal, das „die Anweisungen der Verfassung und die menschenrechtlichen Standards“ im Umgang mit Indigenen missachtet habe. Die staatlichen Behörden hätten sich „unverantwortlich“ verhalten und gegen die UNO-Menschenrechtscharta verstoßen.

(vatican news/sir – sk)
 

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08. Januar 2021, 13:01