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Caritas-Griechenland: „Helft Flüchtlingen und Einheimischen auf Lesbos“

Die Direktorin von Caritas Hellas, Maria Alverti, bittet um Hilfe aus Europa für die Flüchtlinge, aber auch für die Einheimischen auf Lesbos. Die Situation vor Ort sei „sehr schwierig“, nachdem das größte Flüchtlingslager Europas niedergebrannt ist. Sie fordert deshalb die Länder Europas auf, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

Mario Galgano und Linda Bordoni - Vatikanstadt

Die Spannungen auf der griechischen Insel Lesbos sind weiterhin groß. Tausende von Migranten schlafen nach den Bränden im Flüchtlingszentrum in der vergangenen Woche im Freien, die Notversorgung lief nur schleppend an. Die Inseleinwohner haben Angst vor dem Coronavirus, mit dem einige der Flüchtlinge infiziert sind, und sind besorgt über die sozialen Unruhen vor Ort. Laut Medienberichten soll es auch zu Übergriffen auf Flüchtlinge gekommen sein.

Zum Nachhören

Die Behörden bauen derweil ein provisorisches Lager, um den Männern, Frauen und Kindern, die kein Dach über dem Kopf haben, Schutz zu bieten. Die Migranten demonstrieren jedoch, da sie befürchten, dass sich die unhaltbare Situation in dem überfüllten und unhygienischen Lager in Moria, das vier Mal so viele Menschen beherbergte wie vorgesehen, wiederholen wird.

Papst Franziskus reiste im April 2016 nach Lesbos, um seine Nähe zu den Männern, Frauen und Kindern auszudrücken, die vor Konflikten und Armut fliehen, und forderte die europäischen Nationen auf, sich auf eine gemeinsame Asylpolitik zu einigen, die die Menschen schützt und ihre Würde achtet.

Beim Angelusgebet am Sonntag hatte der Papst noch an diesen Besuch erinnert und seine Solidarität mit den Migranten zum Ausdruck gebracht.

Maria Alverti, Direktorin von Caritas Hellas - dem griechischen Büro der Hilfsorganisationen der katholischen Kirche - berichtet gegenüber Radio Vatikan, dass das Lager in Moria fast vollständig zerstört worden sei. Bis 12.000 Menschen seien obdachlos und stünden buchstäblich auf der Straße.

Alverti fügt an, dass die griechische Armee die Kontrolle über die Verteilung von Nahrungsmitteln übernommen habe und sich mit den Spannungen befasse, die durch einige Gruppen von Einheimischen auf der Insel verursacht würden, die die Migranten nicht in den Städten haben wollen.

„Wir glauben, dass dies Minderheiten sind, aber die Spannung ist greifbar, und die humanitären Helfer wurden angewiesen, keine selbstständigen Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb koordiniert jetzt die Regierung alle Hilfsmaßnahmen.“

Hilfe leisten

Die Caritas-Leiterin sagt, dass ihr Hilfswerk beschlossen habe, eine neue Struktur in der Nähe eines anderen Lagers auf der Insel zu schaffen, und dass sie derzeit ein provisorisches Aufnahmelager errichtet hätten. Es gehe darum, an der neuen Infrastruktur zu arbeiten, um etwa 1.000 Menschen aufnehmen zu können. In der Zwischenzeit funktioniere bereits das provisorische Aufnahmezentrum.

„Wir haben bereits einige gefährdete Familien dorthin verlegt, die alle darauf warten, auf Covid-19 getestet zu werden, bevor sie die neue Struktur betreten.“

Die Caritas habe, so Alverti, mit der Verteilung von Wasser begonnen und verfüge über etwa 1.000 Schlafsäcke, die auch der neuen Struktur für die Flüchtlingsbevölkerung zur Verfügung gestellt werden sollen.

Dringendster Bedarf

Es liege auf der Hand, dass das Hauptanliegen von Caritas Hellas derzeit die Bereitstellung von Hilfe im Bedarfsfall ist. Aber, so Alverti, sie stimme zu, dass der Vorfall der Brandkatastrophe auf Lesbos „wirklich die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Politik“ für die Umsiedlung und Integration von Flüchtlingen und Migranten unterstrichen habe. Der Fall Moria sei ein „mahnendes Beispiel“:

„Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass Moria viele Jahre lang eine tickende Bombe war. Wir haben schon seit Jahren davor gewarnt, dass es dort zu Unfällen oder Brandstiftung kommen könnte. Deshalb hätte Moria von vornherein nicht existieren dürfen.“

Eine Umsiedlung der Menschen solle auf jeden Fall geschehen, Europa müsse die Verantwortung teilen, erklärt Alverti. Es sei zugleich verständlich, dass die griechischen Behörden in naher Zukunft niemanden auf das Festland umsiedeln werden, erklärt sie weiter.

„Es ist nicht leicht zu sagen, dass man 12.000 Menschen über Nacht auf das Festland umsiedeln kann. Ich glaube wirklich, dass Europa dabei helfen sollte, eine gemeinsame Migrationspolitik zu entwickeln, die die Rechte der Menschen schützt.“

Besuch von Papst Franziskus 

Maria Alverti erinnert an den Besuch von Papst Franziskus auf Lesbos im Jahr 2016 und sagt, er sei sehr ermutigend für die Menschen auf der Insel gewesen: „Die Worte des Heiligen Vaters sind immer eine Inspiration und Orientierung.“ Der Papst sei für Caritas Griechenland „nicht nur auf spiritueller Ebene wichtig", so Alverti. Der Heilige Stuhl und das Dikasterium zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen „unterstützen unsere Arbeit seit vielen Jahren“. Auch das „Wissen, dass wir das Richtige tun, gibt uns Kraft“, fährt sie fort. 

Hoffnungen für die nahe Zukunft

Hinsichtlich ihrer Hoffnungen für die kommenden Stunden und Tage unterstreicht Alverti die Tatsache, dass Caritas Griechenland bereit sei, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium bei der Deckung der Grundbedürfnisse zu helfen.

„Vielleicht wäre es ein Wunschdenken, keine neuen Morias zu haben“, sagt sie und drückt ihre Hoffnung aus, dass der Brand Auswirkungen auf das Gewissen der europäischen Führungskräfte und auf die Mentalität der Politiker haben werde. Die Politiker in Europa sollten erkennen, dass das gegenwärtige System nicht funktioniere.

Es sei auch wichtig, die Herausforderungen zu berücksichtigen, vor denen einige lokale Gemeinschaften stünden: „Das ist dann der Fall, wenn einige extremistische Elemente der Gesellschaft nach vorne kommen und Raum finden, um Hassreden zu verbreiten.“

Es sei Aufgabe der politischen Führung zu verhindern, dass solche Menschen Ängste schürten und Unruhe verbreiteten, so Alverti abschließend. Sie erinnert an die erstaunliche Solidarität, die die Bevölkerung von Lesbos im Jahr 2015 auf dem Höhepunkt des Zustroms von Migranten demonstrierte, und stellt fest, dass die Mentalität heute nicht mehr dieselbe sei. Es sei deshalb wichtig, nach Wegen zu suchen, um die lokalen Gemeinschaften in ihrer Bereitschaft zur Solidarität zu unterstützen. 

(vatican news)

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15. September 2020, 10:27