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Mauricio López, REPAM-Exekutivsekretär Mauricio López, REPAM-Exekutivsekretär 

Amazonien, Pandemie und Schöpfungszeit: Ein Interview

Knapp ein Jahr nach der Sondersynode für Amazonien zieht der Exekutivsekretär des kirchlichen Amazonasnetzwerkes REPAM, Mauricio López, im Gespräch mit Radio Vatikan eine recht bittere Bilanz. Nicht nur die Auswirkungen der Coronapandemie insbesondere für die indigenen Völker seien zu beklagen, sondern auch und vor allem eine allgemeine Verschärfung ihrer Situation unter sozialen und politischen Gesichtspunkten.

Mehr als eine Million Covid-19-Fälle sind bereits in der Panamazonas-Region bekannt, doch gerade bei den indigenen Bevölkerungen dürfte die Anzahl weit über den offiziell kommunizierten Infektionen liegen, gibt López zu bedenken. „Wie überall auf der Welt hat die Pandemie auch für den Amazonas ein Vorher und ein Nachher markiert“, meint der Generalsekretär. Besonders besorgniserregend sei aber die Tatsache, dass all die Probleme, über die bereits bei der Synode gesprochen wurde und die auch im Apostolischen Schreiben des Papstes „Querida Amazonía“ dargelegt seien, nun mit noch größerer Dringlichkeit zum Ausdruck kämen:

„Wir haben es mit Situationen zunehmender Gewalt, Mord, Verfolgung, Kriminalisierung von Führern und Verteidigern des Territoriums zu tun. Wir sehen eine starke Ausdehnung der Grenzen für Landwirtschaft und Viehzucht, eine Zunahme der Brände im Vergleich zum letzten Jahr, und wir sehen auch den Druck der von den Regierungen unterstützten Wirtschaftsmächte, eine schnelle Lösung in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu finden.“ 

Zum Nachhören

Insbesondere die indigenen Völker seien nicht nur von der schnellen Ausbreitung des Coronavirus betroffen, sondern auch den Begehrlichkeiten der Wirtschaft besonders ausgeliefert, betont López und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund: „Die Regierungpolitik besteht in einer Komplizenschaft, die von den Völkern selbst als Ethnozid und Ökozid bezeichnet wird. Und währenddessen verschlechtert sich die Situation.“

Neue Amazonas-Konferenz als Hoffnungszeichen

Ein Hoffnungszeichen in dieser düsteren Gemengelage sei die Gründung der kirchlichen Amazonas-Konferenz, die es sich vorgenommen hat, die Richtlinien und Vorschläge der Synode umzusetzen. Auch REPAM habe viele Projekte bereits angestoßen, erläutert der Exekutivsekretär des kirchlichen Netzwerkes - doch für deren konkrete Umsetzung brauche es einen übergreifenden Organismus, der die Kräfte bündeln und Erfahrungen weitergeben könne, so seine Einschätzung. „Es gibt viele Maßnahmen, die ergriffen wurden, aber im Rahmen der Pandemie sind sie alle unzureichend. Mehr denn je bedarf es heute einer Kraft der Gemeinschaft, in der die Kirche im synodalen Geist ihre Aufgabe wahrnehmen kann, jener ethische Garant zu sein, jene Stimme der prophetischen Anklage, die diesen Prozess begleitet.“ 

Dabei sei trotz der bereits eingeleiteten Projekte noch ein langer Weg zu beschreiten, meint López. Zu den Themen, über die es nachzudenken und die es zu besprechen gelte, gehörten beispielsweise die Piloterfahrungen zum Dienst im Amazonasgebiet, die verschiedenen Ausdrucksformen und Formen der Präsenz der Kirche im Gebiet und der Amazonas-Ritus, aber auch die konkrete Hilfe für die verschiedensten sozialen und politischen Probleme der Ureinwohmer, gibt er einen Überblick. In der neuen Amazonas-Konferenz CEA finden sich nicht nur die Präsidenten der wichtigsten kirchlichen regionalen Vereinigungen, sondern auch Vertreter der Amazonas-Bischofskonferenzen und indigener Völker. 

Schöpfungszeit ökologisch und sozial ausdeuten

Zu den Initiativen, die die Kirche begleitet, gehöre auch die mehrwöchige Schöpfungszeit, zu der Papst Franziskus in diesem Jahr besonders dringlich eingeladen hatte, berichtet López weiter. „Jubiläum für die Erde: neue Rhythmen, neue Hoffnung“ ist das Thema der diesjährigen ökumenischen Aktionstage. Dies beziehe sich keinesfalls nur auf die Ökologie, erläutert der REPAM-Mann: „Der ganze Begriff des Jubiläums in der Tradition des Glaubens, in der Tradition unserer Heiligen Schrift, ist ein wesentliches Element der Gerechtigkeit, der sozialen Gerechtigkeit, des Strebens nach Gleichheit, einer bevorzugten Option für die Ärmsten, ja sogar einer viel harmonischeren Beziehung zum gemeinsamen Haus. Diese gesamte Vision, der Erde eine Zeit der Ruhe zu lassen, damit sie sich regenerieren kann, hängt heute mit der Situation der Pandemie zusammen, in der die Erde zum Ausdruck bringt, wie wir an die Grenzen stoßen, wie sie die Möglichkeit braucht, sich zu regenerieren, sich neu zu gestalten, weiterhin Leben und Leben in Fülle zu schenken.“

„Es geht um den Erlass von Schulden“

Doch es gehe auch darum, „das Land nicht in Beschlag zu nehmen“ und die Ärmsten nicht dazu zu missbrauchen, das Land unter unwürdigen Bedingungen zu bearbeiten, weist López auf einen weiteren Aspekt des Jubiläums hin: „Es geht um den Erlass von Schulden, um die Umverteilung von Land, und das ist heute ein dringendes Element der Solidarität für alle Bevölkerungen der Ärmsten, das im Gegensatz zu diesem Modell der Anhäufung, des Hortens, der unbegrenzten Zerstörung steht, das auch uns an den Rand des Abgrunds gebracht hat. Es ist noch Zeit für Veränderungen, aber wir müssen diese Jubiläumshaltung einnehmen. Nicht als eine etwas ritualistische oder feierliche Vorstellung, sondern als ein Element wahrer sozialer Gerechtigkeit.“

(vatican news - cs)

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08. September 2020, 11:05