Lernen statt Leiden: Der Nuntius in Nigeria fordert besseren Schutz für die Bürger des Landes Lernen statt Leiden: Der Nuntius in Nigeria fordert besseren Schutz für die Bürger des Landes 

Nuntius in Nigeria: Gewalt ist nicht nur religiös motiviert

Kirchenvertreter rufen zu einem Ende der Gewalt in Nigeria auf. Die Gewaltwelle hatte in den vergangenen Wochen durch Angriffe verschiedener Art zugenommen. Der Appell von Erzbischof Antonio Filippazzi, dem Vatikanvertreter in Nigeria lautet: Alle Opfer seien gleich, egal welcher Religion sie zugehören. Der Staat müsse alle ohne ethnische oder religiöse Unterscheidungen schützen.

Mario Galgano und Sr. Bernadette Reis – Vatikanstadt

Seit vergangenem Januar wurden mehr als 1.200 Menschen in ländlichen Gebieten in Zentral- und Nordwestnigeria getötet. Es handelt sich um Opfer von Angriffen und Entführungen durch bewaffnete Gruppen. Ein Drama, das von verschiedenen Organisationen wie Amnesty International und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes angeprangert wurde. Diese Organisationen stellten kürzlich fest, dass die Hälfte der bisher 40.000 in Afrika als vermisst gemeldeten Personen aus der nordöstlichen Region Nigerias stammen. Dort sei der Schauplatz von Angriffen und Entführungen durch Dschihadisten aus Boko Haram.

Zum Nachhören

Nach dem Angelus am vergangenen Sonntag erinnerte Papst Franziskus an das Leid „der Bevölkerung in der nördlichen Region Nigerias, die Opfer von Gewalt und Terroranschlägen geworden ist“. Die Bischöfe des Landes wandten sich durch die Stimme des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Augustine Obiora Akubeze, auch an die Regierung und das nigerianische Volk selbst, um ein Ende der Morde und der Korruption zu fordern.

Traurige Bilanz

Auch der Apostolische Nuntius in Nigeria, Erzbischof Antonio Filipazzi, zieht eine traurige Bilanz und fordert die Regierung auf, die Menschen ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit oder Religion zu schützen, „weil die Opfer alle gleich sind“, sagt er im Interview mit Radio Vatikan:

„Die Frage der Gewalt in Nigeria ist ein vielschichtiges Problem, in dem Sinne, dass es nicht nur Gewalt gibt, die z.B. durch den islamistischen Terrorismus oder bestimmte bewaffnete Banden verursacht wird. Es gibt andere Brutstätten der Gewalt, die durch lokale, ethnische Zusammenstöße hervorgerufen werden; es gibt die Gewalt, die z.B. durch Entführungen mit Lösegeldforderungen verursacht wird; es gibt die Gewalt auf See, wo Piraten die Sicherheit der Schiffe gefährden. Kurz gesagt, es gibt viele Ursachen für Gewalt, einige sind in Vergessenheit geraten, andere stehen etwas mehr auf der Tagesordnung.“

Seiner Meinung nach müsste sich die Regierung für die Achtung des Gesetzes einsetzen und das Leben und das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger schützen, so Erzbischof Filippazzi.

„Dies soll geschehen, ohne zwischen der einen oder anderen ethnischen Gruppe, der einen oder anderen Religion zu unterscheiden. Die Gefahr besteht darin, zwischen den Opfern zu unterscheiden: Die Hinterbliebenen der einen Gruppe werden betreut, nicht aber die Angehörigen der anderen. Die Opfer sind alle gleich, und der Staat muss jedes Leben, alle Bürger, ihr Eigentum und ihre täglichen Aktivitäten schützen.“

Zwischen Fakten und Vorstellungen

Es sei eine Tatsache, dass zwar im Norden die Muslime die Mehrheit und im Süden die Christen die Mehrheit bilden, aber der Diskurs über die Spaltung, gerade im Namen der Religion, müsse sehr vorsichtig geführt werden, so der Nuntius weiter.

„Denn in der Vergangenheit wie auch heute haben Muslime und Christen friedlich zusammengelebt und leben friedlich zusammen. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen, das mir letzte Woche mitgeteilt wurde. In einer Diözese eröffnete der Bischof eine Schule in einer Stadt, die überwiegend islamisch geprägt ist. Die Schule wurde eröffnet, weil die Einwohner dieser Stadt ihre Kinder in katholische Schulen in benachbarten Ortschaften brachten. Auf diese Weise wollte der Bischof den Bürgern entgegenkommen, damit es ein friedliches Zusammenleben gibt. Ich sage immer, Christen und Muslime eint die Tatsache, dass beide Opfer dieser Gewalt sind, es gibt muslimische Opfer und christliche Opfer dieser Gewalt. Wichtig ist, diese Spaltung nicht wieder aufleben zu lassen und die Konflikte nicht so darzustellen, als seien sie ausschließlich religiös bedingt. Religion ist einer der Faktoren, aber es gibt den ethnischen Faktor, es gibt den wirtschaftlichen Faktor, es gibt viele Faktoren dieser Gewalt, die in verschiedenen Situationen in unterschiedlichen Prozentsätzen vorhanden sind. Ich fürchte immer, wenn man sagt, dass ein Konflikt in gewisser Weise religiös ist, dann gibt man ihm eine moralische Rechtfertigung, und das macht es noch schwieriger als die Lösung, denn jeder denkt, es sei richtig und gut, so zu handeln, weil er es im Namen Gottes, im Namen der Religion tut.“

(vatican news)

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29. August 2020, 12:24