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Libyen: Neue Phase eines Krieges, der kein Ende kennt

In dem nordafrikanischen Land ändern sich wieder die Gleichgewichte vor Ort: Der international anerkannten Regierung von al-Sarraj ist es dank türkischer Hilfe gelungen, die Hauptstadt Tripolis gegen eine Offensive von General Haftar zu verteidigen. Der Kampf verlagert sich nun auf die Stadt Sirte. Wir sprachen darüber mit dem Polit-Analysten und Libyen-Experten Lorenzo Marinone.

Mario Galgano und Andrea De Angelis – Vatikanstadt

Friede für Libyen? Derzeit schwer vorstellbar. Dazu mischen zu viele internationale Akteure in dem Konflikt mit. Europa und die USA blicken mit Sorge auf das, was in Tripolis geschieht, ganz zu schweigen von der Rolle Russlands und der Türkei. Das Nachbarland Ägypten versucht, mit seinem Präsidenten al-Sisi einen Waffenstillstandsplan auf den Weg zu bringen, doch die libysche Regierung reagiert negativ darauf.

„Zu glauben, dass der Konflikt mit der Rückkehr al-Sarrajs nach Tripolis vorbei ist, ist falsch, wir befinden uns in einer neuen Phase, in der ein vorübergehender Waffenstillstand undenkbar ist“, sagt Lorenzo Marinone vom italienischen Zentrum für Internationale Studien.

Türkei spielt wichtige Rolle im Konflikt

„Der Konflikt verlagert sich nun unweigerlich in den östlichen Teil Libyens und in diesen Stunden insbesondere in die strategische Stadt Sirte.“ Es sei kaum zu glauben, wie sich die Türkei derzeit verhalte: Nur ihren Drohnen ist es zu verdanken, dass Haftars Offensive vor der Hauptstadt ins Stocken geriet. 

„Erdogan hat al-Sarraj nicht nur diplomatische Unterstützung gewährt, sondern ihm erlaubt, Haftar mit den gleichen Waffen zu antworten, die dieser benutzt. Eine Türkei, die die libysche Region Tripolitanien kontrolliert, dürften allerdings die meisten europäischen Länder nicht akzeptieren, ebenso wenig Ägypten und die Golfstaaten. Diese führen mit Ankara einen geopolitischen Krieg um regionale Hegemonie, der jetzt in Libyen offen zu sehen ist, aber auch im gesamten östlichen Mittelmeerraum gespielt wird.“

Kämpfer der Regierungstruppen bei der Einnahme von Tarhouna am 5. Juni
Kämpfer der Regierungstruppen bei der Einnahme von Tarhouna am 5. Juni

Die Migrationsfrage

Im Hintergrund steht die Frage einer möglichen Zunahme der Abwanderung von Migranten nach Europa. Mit der Ankunft des Sommers ist dies statistisch gesehen mehr eine Gewissheit als nur eine Wahrscheinlichkeit. Tripolis weiß sehr wohl, dass die Migrationsfrage eine wichtige Karte für den Umgang mit der Europäischen Union ist; auch die Türkei sieht das so, wie sich an den Ereignissen an ihrer Grenze zu Griechenland erweist.

Was Italien betrifft, so sprechen die Daten des Innenministeriums in Rom von über 5.000 Personen, die in diesem Jahr per Boot ankamen, etwa dreimal mehr als vor einem Jahr. Mit dem Ende der schlimmsten Phase der Pandemie und der Sommerzeit könnte die Zahl noch weiter steigen.

(vatican news)

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09. Juni 2020, 11:22