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Schwester Elisabetta im Tschad Schwester Elisabetta im Tschad 

Tschad: Wie Schwester Elisabetta gegen Corona und Hunger kämpft

Der Tschad, ein Land in der Mitte Afrikas, ist offiziell wenig vom Coronavirus betroffen. Mehr als die Pandemie fürchten die Menschen dort den Hunger – aus bitterer Erfahrung. Das sagte uns eine Ordensschwester, die ein Provinzkrankenhaus leitet.

Nein, in ihrer Klinik sei noch kein Fall von COVID-19 aufgetreten, versichert Schwester Elisabetta Raule, vielleicht auch einfach deshalb, weil die rechten Instrumente zur Diagnostik fehlen. Schwester Elisabetta ist eine Comboni-Missionsschwester und Chirurgin, sie leitet das nach dem Heiligen Josef benannte Krankenhaus in Bebedjia, Diözese Doba, das im Südwesten des Landes liegt. „Auch ist zu sagen, dass die Symptome des Virus wie Fieber und Husten vielen anderen Krankheiten wie Malaria, Atemwegsinfektionen und Tuberkulose ähneln, die hier im Tschad leider viel Angst machen, weil sie eine hohe Sterblichkeit aufweisen – ebenso wie übrigens Unterernährung, die in unserer Region häufig auftritt.“

Hier zum Hören:

Die Schwestern des Josefs-Krankenhauses haben ihr Personal geschult über sinnvolle Maßnahmen, allen voran Abstandhalten. Sie nähen provisorische Stoffmasken für alle, denn an reguläre Masken für den medizinischen Einsatz ist nicht zu denken. Diese Stoffmasken sind praktisch das einzige Hilfsmittel in der Vorbeugung gegen die Pandemie. Und auf ein besonders großes Manko für eine ländliche Region wie die ihre macht Schwester Elisabetta ebenfalls aufmerksam: Die Regierung hat medizinisches Personal aus Kliniken in den Provinzen abgezogen und in die Hauptstadt N'Djamena beordert - mit dem Ergebnis, dass in staatlichen Krankenhäusern am Land das ohnehin knappe Personal fehlt. Die Kranken drängen dann in kirchliche Kliniken wie die von Schwester Elisabetta.

„Die von der Regierung auferlegten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie spüren wir ganz stark“

„Die von der Regierung auferlegten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie spüren wir ganz stark", erklärt die Missionsschwester. „Wir haben kein Schutzmaterial, und das Wenige, was wir haben, ist nicht geeignet, um mit der möglichen Ankunft von Coronavirus-Patienten umzugehen, obwohl unsere Schwestern in jeder Hinsicht versuchen, uns ordentlichen Mundschutz, Visiere, Handschuhe und vielleicht sogar diagnostische Tests zu besorgen".

Der Tschad grenzt im Osten an den Sudan, es ist zu weiten Teilen ein Wüstenland, eines der ärmsten des Kontinents; die Kinder- und Müttersterblichkeit ist hoch. Offizielle Zahlen sprechen hier von nur 70 Corona-Fällen und fünf Toten. Mithilfe der Weltgesundheitsorganisation hat die Regierung Vorsichtsmaßnahmen getroffen, noch bevor die Pandemie Afrika erreichte. Der einzige Flughafen im Land wurde geschlossen, ebenso die Grenzen zu Nachbarländern, allen voran Kamerun.

Diese Maßnahme allerdings sorgt für Stress, erklärt die Krankenhausleiterin. „Das setzt die Bevölkerung einem sehr starken Hungerrisiko aus. Denn der Handel ist in vielen Fällen zum Erliegen gekommen. Der Tschad hat keinen Zugang zum Meer, liegt mitten in der Sahara, hat wenige Rohstoffe und keinen ausgeprägten Handel. Da ist es bei geschlossenen Grenzen sehr schwer, die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen". Hinzu kommt die Ausgangssperre täglich ab 19 Uhr, die auch zur Schließung aller kleinen Aktivitäten in den Dörfern führt. „Wir fürchten sehr starke Folgen für die Bevölkerung, also Hunger. Die Bevölkerung lebt von Landwirtschaft, Viehzucht, Kleinhandel, kleinen Transporten. Das sind Tätigkeiten, die die Menschen von Tag zu Tag ausüben, deshalb ist diese Abriegelung eine sehr starke Erfahrung für uns.“

20.000 Menschen, ein Arzt

Weltweit zählt der Tschad zu den Ländern mit der geringsten Ärztedichte: 20.000 Patienten hat ein Mediziner hier im Schnitt zu versorgen. Zum Vergleich: Eine Ärztin in Deutschland braucht sich nur um 238 Menschen zu kümmern. Es fehlt vielfach auch an einfachen Hygienevorrichtungen wie Toiletten und sauberem Wasser.

Immer lauter fordern Menschenrechtsgruppen und inzwischen auch Forschende aus reichen Nationen, beim Kampf gegen das Corona-Virus die am stärksten gefährdeten Menschen nicht zu vernachlässigen. Man müsse sich dabei besonders „auf Afrika fokussieren“, schrieb eine Gruppe von Forschern aus Europa und Afrika in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung" vom Montag. Ländern ohne medizinische Grundversorgung und mit nur beschränkten staatlichen Mitteln drohe ohne internationale Hilfe eine Katastrophe. Die Menschen in den ärmsten Ländern seien „nicht nur dem Virus selbst ausgesetzt, sondern auch dessen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen".

„Menschen in den ärmsten Ländern sind nicht nur dem Virus selbst ausgesetzt, sondern auch dessen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen“

Diese Auswirkungen werden nach Ansicht der Wissenschaftler insbesondere in Afrika zu spüren sein, „wo die Menschen näher an der Armutsgrenze leben als in anderen Regionen der Welt. Die Menschen dort haben nur wenig Ersparnisse, auf die sie zurückgreifen können. In Afrika lebt die Mehrheit der Armen der Welt." Von den 28 ärmsten Ländern der Welt befänden sich 27 auf diesem Kontinent. Die Kombination aus anfälliger Infrastruktur, zaghaften Institutionen und schwachen Regierungen sei schon in normalen Zeiten eine gefährliche Mischung, heißt es weiter.

Die Internationale Arbeitsorganisation schätze, dass 74 Prozent der Afrikaner arbeitslos oder unterbeschäftigt seien, weltweit liege die Zahl bei 45 Prozent. In der Pandemie könne die Kombination aus niedrigem Einkommen und begrenzten staatlichen Mitteln schlimme Folgen haben, so die Forscher.

Die Autoren des Aufrufs sind Yonas Adeto (Universität Addis Abeba), Karim El Aynaoui (Präsident des Policy Center for the New South, Marokko), Thomas Gomart( Direktor des Institute of International Relations, Frankreich) , Paolo Magri (Institut für International Political Studies, Italien), Greg Mills (Direktor Brenthurst Foundation, Südafrika), Karin von Hippel (Generaldirektorin der britischen Denkfabrik Royal United Services Institute) und Guntram Wolff (Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel).

(vatican news/kna – gs)

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04. Mai 2020, 10:37