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Kardinal Blaise Joseph Cupich bei einem Treffen mit dem Papst 2018 Kardinal Blaise Joseph Cupich bei einem Treffen mit dem Papst 2018 

Corona in Chicago: Gespräch mit Kardinal Cupich

Über tausend Menschen sind in den USA schon am Corona-Virus verstorben. Vor allem der Bundesstaat New York ist betroffen. Trotzdem schwadroniert Präsident Donald Trump davon, er sehe schon wieder „Licht am anderen Ende des Tunnels“.

Wie erlebt der Bischof einer US-Metropole die Pandemie? Wir sprachen mit Kardinal Blaise Cupich. Er ist Erzbischof von Chicago, der von der Bevölkerungszahl her drittgrößten Stadt der Vereinigten Staaten.

Radio Vatikan: Der Gouverneur von Illinois hat kürzlich eine Abriegelung des ganzen Bundesstaates angeordnet, jeder muss zuhause bleiben. Wie ist die Lage im Erzbistum Chicago, und wie gehen die Menschen mit der Krise um?

Kardinal Cupich: „Nun, wir haben schon vor dem Erlass des Gouverneurs die Entscheidung getroffen, alle unsere Schulen zu schließen und auch die Messen ab dem 14. März einzustellen. Es ist ein schwierige Moment; die Familien sind natürlich in ihren Häusern eingeschlossen. Sie müssen damit zurechtkommen und möglichst kreativ sein – das gilt für die ganze Gesellschaft. Der ‚lockdown‘ wirkt sich fatal auf die Wirtschaft aus, da die Menschen ihre Arbeit und damit ihre Einkommensquellen verlieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle zusammenhalten und dafür sorgen, dass niemand durch die Maschen fällt.“

„Zeit, um über unser Leben nachzudenken“

Zum Nachhören

Radio Vatikan: Gibt es bei alldem doch auch etwas Positives?

Kardinal Cupich: „Zunächst einmal rücken jetzt die Familien zusammen und verbringen mehr Zeit miteinander. Wir leben ja in einer sehr schnelllebigen Gesellschaft; oftmals sehen sich die Familien kaum untereinander, sie verbringen nicht viel Zeit miteinander. Dies wird also eine Gelegenheit sein, diese Art des Austauschs zu ermöglichen. Ich glaube auch, dass das ein Moment ist, in dem sich unser aller Leben verlangsamt. Und da haben wir vielleicht mehr Zeit, um über unser Leben nachzudenken.

Wir rufen die Menschen auch zum Gebet auf. Das tun wir hier in der Erzdiözese, indem wir fünfmal am Tag Glocken läuten. Wir bitten sie, sich jeden Morgen um 9 Uhr an diejenigen zu erinnern, die an Krankheiten leiden; mittags beten wir für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens; um 3 Uhr nachmittags für diejenigen, die unverzichtbare Arbeit leisten; um 6 Uhr abends für alle unsere Führer und die Völker aller Länder; und dann schließen wir um 9 Uhr unser Gebet ab, indem wir für diejenigen beten, die an diesem Tag gestorben sind. Wir suchen nach Wegen, wie wir es hinkriegen, die Menschen zusammenzuhalten.“

„Hoffentlich werden diese Einsichten nach dem Ende dieser Krise weitergeführt“

Radio Vatikan: Wie halten Sie es im Erzbistum Chicago mit Online-Gottesdiensten?

Kardinal Cupich: „Ja – einer der großen Fernsehsender gibt uns Sendezeit am Sonntag, damit ich die Messe in der Kathedrale feiern kann und die Menschen per TV mitfeiern können. Wir haben wirklich eine sehr hohe Zuschauerzahl gehabt.

Das sonntägliche Evangelium von der Heilung des blind geborenen Mannes war sehr lehrreich für uns, weil es uns vor Augen geführt hat, wie Jesus Menschen heilt. Zuerst nähert er sich ihnen – das war ein sehr starker Akt der Intimität. Und dann die Heilung der Augen dieses Mannes durch diese Salbung der Augen mit Spucke… Auch wenn wir im Moment keinen körperlichen Kontakt und keine Nähe zueinander haben können, so können wir doch unsere Herzen einander annähern. Heilung kann stattfinden, wenn das geschieht…. Wir sollten diese Zeit nutzen, um unsere gemeinsame Menschlichkeit zurückzugewinnen, damit wir wirklich anfangen zu sehen, dass wir alle gemeinsam darin stecken. Hoffentlich werden diese Einsichten nach dem Ende dieser Krise weitergeführt…“

(radio vatikan - sk)
 

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26. März 2020, 11:53