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Auch Afrika rüstet sich angesichts der Corona-Pandemie Auch Afrika rüstet sich angesichts der Corona-Pandemie  

Afrika: Abschottung gegen Corona

Die Gesundheitssysteme in einigen Ländern Afrikas sind bekanntermaßen mangelhaft. Noch sind die Fallzahlen dort gering. Doch sicherheitshalber machen viele Länder ihre Grenzen dicht. Die christliche Kinderhilfsorganisation World Vision mahnt im Interview mit dem Kölner Domradio, die besonders gefährdeten Flüchtlinge dort nicht zu vergessen.

Schon zu Beginn der Corona-Epidemie hatte auch die Leiterin des päpstlichen Kinderkrankenhauses Bambino Gesu, Mariella Enoc, gesagt, sie sei beunruhigt, dass das Virus sich auf dem afrikanischen Kontinent ausbreiten könnte. Dort sei man wesentlich schlechter gegen derartige Infektionen gerüstet, so Enoc, die mehrfach persönlich Hospitäler in Zentralafrika mit eingerichtet hat.

Zum Nachhören

Wie der Kontinent nun auf die Pandemie regiert, darüber hat das Kölner Domradio mit Marwin Meier, Gesundheitsexperte der christlichen Kinderhilfsorganisation World Vision, gesprochen.

DOMRADIO.DE: Afrika macht die Grenzen für Europäer dicht. ... Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind um ein Vielfaches schlechter vorbereitet auf eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. … Ist es richtig, dass Afrika sich gegen Europa abschottet?

Marwin Meier (Gesundheitsexperte bei World Vision): Dass Länder sich gegen Einreisende aus Gebieten wehren, in denen die Epidemie schon etwas weiter fortgeschritten ist, ist ja ganz normal. Das machen wir eigentlich auch innerhalb Europas. Aktuell gibt es in Europa mehr Fälle als in Afrika.

Gerade die Länder dort mit mittlerem und niedrigem Volkseinkommen haben weniger ausgebaute Gesundheitssysteme und sind auch nicht so gut vorbereitet. Dass sie sich abschotten, halte ich schon für eine begründete und eine verständliche Maßnahme in diesem Fall.

„begründete und eine verständliche Maßnahme in diesem Fall“

DOMRADIO.DE: Welche Staaten sind im Moment besonders gefährdet?

Meier: Das sind besonders Länder, deren Gesundheitssysteme unzureichend mit den nötigen Werkzeugen ausgestattet sind, die wir in den reichen Ländern haben, um einer sich schnell ausbreitenden Epidemie Herr zu werden. Das sind epidemiologische und statistische Systeme, die uns erlauben, schnell festzustellen, wo sich die Epidemie gerade innerhalb eines Landes ausbreitet.

Tests, die wir haben, und statistische Instrumente ermöglichen uns, Prognosen zu erstellen, um dann schnell Maßnahmen zu ergreifen. So etwas ist einfach teuer. Viele der ärmeren Länder in Afrika und Asien haben diese Möglichkeiten nicht. Gerade da befinden sich manche Länder eben im Blindflug und machen schnell dicht, was nachvollziehbar ist.

Flüchtende bei Planungen für Krisensituationen oft übersehen

DOMRADIO.DE: Ganz besonders verletzlich sind natürlich auch Menschen, die ohnehin unter prekären Bedingungen leben wie zum Beispiel in Flüchtlingslagern. Was bedeutet so eine Virus-Epidemie für diese Menschen?

Meier: Das ist sehr gefährlich. Flüchtende Menschen befinden sich natürlich schon in einer Lebenssituation, die sie ganz besonderen Gefährdungen aussetzt. Gerade in Bezug auf eine sich schnell ausbreitende Pandemie. Es sind viele Menschen. Sie haben in den Lagern schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung. Sie leben meistens in sehr beengten und auch in ungenügenden Unterkünften. Die sanitären Einrichtungen sind oft überlastet.

Und natürlich, das wird oft unterschätzt, ist der Zugang zu wichtigen Präventionsbotschaften oft schlechter, weil sie weitab vom Schutz ihrer Heimatländer nahe an den Grenzen leben und meist kein Internet haben. Flüchtende werden leider auch gerne als Sündenböcke missbraucht und auch immer wieder bei Planungen für Krisensituationen eines Landes übersehen. Durch diese ganzen Faktoren sind sie leider ganz besonders gefährdet.

„Flüchtende werden leider auch gerne als Sündenböcke missbraucht“

DOMRADIO.DE: World Vision versucht, so schnell wie möglich einzugreifen, um das Schlimmste zu verhindern. Wie genau machen Sie das?

Meier: Das ist gar nicht so schwer. Wir setzen im Moment vor allen Dingen auf Vorbeugung und auf Aufklärung. Wie viele Hilfsorganisationen sind wir in den Lagern im Bereich Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene aktiv. Wir haben die regulär eingeplanten Verteilungen von Hygieneartikeln wie Seife einfach verdreifacht. Wir sind auch dabei, mobile Handwaschstationen aufzubauen und diejenigen, die wir haben, einfach zu vervielfachen.

Aber Aufklärung ist eine besondere Herausforderung. In den Flüchtlingslagern gibt es keine Fernseher und kein Internet. Wir versuchen, in all unseren normalen Veranstaltungen Menschen mit einfachen Botschaften zu erreichen, um mögliche Vorbeugungsmaßnahmen leicht verständlich zu erklären und ihnen Panik zu nehmen. Denn oft ist es ja Nichtwissen, das zu irrationalen Gefühlen und Handlungen führt.

Appell an die internationale Staatengemeinschaft

DOMRADIO.DE: Sie wenden sich auch an die internationale Staatengemeinschaft. Was ist da der wichtigste Appell?

Meier: Vergesst nicht die flüchtenden Menschen, so einfach ist es. Zu oft sind sie Priorität Nummer 17 in den Planungsszenarien von Ländern, und dabei sind sie ganz besonders gefährdet. Vergesst einfach nicht die flüchtenden Menschen, bezieht sie in euren Planungen und Maßnahmen ein. Denn wenn ihr die Schwächsten in euren Gesellschaften schützt, dann werdet ihr alle schützen.

Das Interview führte Michelle Olion für das Kölner Domradio.

(domradio/vatican news - sst)

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19. März 2020, 11:16