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Iranische Revolutionsgarden feuern eine Zelzal-Rakete ab - Archivbild Iranische Revolutionsgarden feuern eine Zelzal-Rakete ab - Archivbild

Iran/Irak: Sorge über Eskalation

Eigentlich hatte Papst Franziskus ja vor, so bald wie möglich in den Irak zu reisen. Aber den Plan muss er jetzt wohl auf die lange Bank schieben. Denn der Irak ist zum Schauplatz der kriegerischen Eskalation zwischen den USA und dem Iran geworden.

Nach der Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch eine amerikanische Drohne in Bagdad fürchten viele, dass der Nahe Osten und speziell der Irak noch mehr in Chaos und Krieg abgleiten. „Angesichts der eskalierenden Spannungen mit Iran müssen wir dringend dafür beten, dass unsere Führer in der Welt Dialog anstreben und Frieden suchen.“ Das schreibt der neue Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Jose Horacio Gomez, an diesem Mittwoch auf Twitter.

„Wir dürfen uns an Gewalt nicht gewöhnen!“ Das sagt die Generalsekretärin der deutschen katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Christine Hoffmann, im Gespräch mit dem Domradio. „Es ist tatsächlich so, dass es eskaliert ist – gerade seit die USA entschieden haben, dass sie sich nicht mehr an die Atomvereinbarungen mit dem Iran gebunden fühlen. Aber USA und Iran haben sich immer irgendwie gegenseitig neutralisiert und sind in einer gewissen Wartehaltung verblieben.“

„Drohnenangriff auf Soleimani war völkerrechtswidrig“

Doch das hat sich durch die Tötung des iranischen Generals geändert. Hoffmann spricht von einer „Eskalation von Seiten der USA“. „Und die ist absolut zu verurteilen, weil sie völkerrechtswidrig ist und weil sie Öl ins Feuer gießt. Eigentlich geht es genau darum, einen Flächenbrand zu beenden, der im Nahen und Mittleren Osten seit Jahren tobt. Da hat unser Verbündeter USA jetzt einen völlig falschen Schritt getan. Das ist verantwortungslos!“

Zum Nachhören

Hoffmann versucht es mit einem Vergleich: „Wie würden wir reagieren, wenn das umgekehrt passiert wäre? Wenn von iranischer Seite ein amerikanischer Politiker gezielt ermordet worden wäre? Wie würden wir reagieren, wenn eine deutsche Politikerin oder ein deutscher Politiker ermordet würde?“ Soleimani sei immerhin als Kandidat für die Präsidentenwahlen im Iran in zwei Jahren im Gespräch gewesen. „Das ist nicht irgendwer, und er ist militärisch gesehen für den Iran eine ganz wichtige Figur!“

Im übrigen lehnt Pax Christi gezielte Tötungen, wie sie schon unter der Obama-Regierung gang und gäbe waren, ohnehin ab. „Und das tut nicht nur Pax Christi. Im Koalitionsvertrag unserer großen Koalitionsregierung steht, dass gezielte Tötungen - auch durch Drohnen - abgelehnt werden.“

Für eine Abrüstung in der Kommunikation

Ein interessanter Punkt – denn die deutsche Regierung hat den Drohnenangriff auf Soleimani nicht so wirklich verurteilt. Hoffmann: „Und das ist genau der Punkt. Es erscheint mir wichtig, da klare Worte zu sprechen. Deswegen haben wir uns auch dafür entschieden. Denn wir müssen in der Deeskalation auch sprachlich Klarheit schaffen. Wir fordern auch, dass in der Kommunikation abgerüstet wird. Aber das heißt, dass Klarheit über das, was passiert ist, herrschen muss.“

Zu dieser Klarheit gehört für Frau Hoffmann auch die Forderung, den deutschen Luftraum für das US-Militär zu sperren, damit keine Angriffe von US-Stützpunkten auf deutschem Boden ausgehen können. Das begründet sie so: „Nach Informationen des US-Magazins Newsweek, und auch von der New York Times aufgegriffen, war es eine Drohne, die General Soleimani getötet hat – und die wurde über die Airbase Ramstein gesteuert. Das heißt, es sind technische Signale von der US-Airbase hier in Deutschland benutzt worden.“

„Da geht es auch um eine Mitverantwortung“

Dazu gebe es in der Charta der Vereinten Nationen klare Definitionen: „Wenn ein Staat sein Hoheitsgebiet einem anderen Staat zur Verfügung stellt – in diesem Fall Deutschland, das Amerika für die US-Airbase Ramstein das Gebiet zur Verfügung stellt – und dann zulässt, dass sein eigenes Hoheitsgebiet vom anderen Staat genutzt wird, Angriffshandlungen gegen einen dritten Staat zu begehen, ist das Gewalt. Dann ist das eine Angriffshandlung, die von der UN-Charta verboten ist.“

Dagegen könne die deutsche Regierung durchaus etwas tun – etwa das Truppenstationierungsabkommen mit den USA kündigen. „Dann müssen diese Liegenschaften in ein Konversionsprogramm überführt werden. Die Bundesregierung hat diese Möglichkeit. Immer wieder wird das hin- und herdebattiert: War jetzt wirklich Ramstein involviert oder nicht? Und es ist so offensichtlich, dass es involviert war! Da geht es auch um eine Mitverantwortung.“

Der Dritte Weltkrieg in Stücken hat schon angefangen

Papst Franziskus hat am Wochenende beim Angelusgebet Sorge über die Eskalation geäußert und zu Frieden aufgerufen. Einige haben sogar den Eindruck, Franziskus wolle vielleicht zwischen den USA und Iran vermitteln – so wie das sein Vorgänger Johannes XXIII. einst während der Kuba-Krise 1963 zwischen den USA und der Sowjetunion tat.

„Der Papst hat uns auch ganz konkret zum Beten aufgefordert. Und Pax Christi USA hat auf Twitter zum Friedensgebet jetzt gerade aus diesem Anlass und zum Beten für Deeskalation im Nahen und Mittleren Osten aufgerufen. Ich finde das ganz wichtig, und ich finde, dass dieser Papst uns für diese friedensethischen Fragen oft gute Gedanken mitgibt. Er spricht schon lange von einem Dritten Weltkrieg, der in Stücken stattfindet. Und das, finde ich, ist auch genau das, was passiert.“

(domradio/vatican news – sk)
 

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08. Januar 2020, 10:20