Weltweit demonstrieren junge Menschen rund um die Weltklimakonferenz - wie hier in Bangkok Weltweit demonstrieren junge Menschen rund um die Weltklimakonferenz - wie hier in Bangkok 

Weltklimakonferenz: Was eine Expertin dazu sagt

Seit Montag tagt die Weltklimakonferenz in Madrid. 20.000 Delegierte aus aller Welt überlegen gemeinsam, wie sie den weltweiten CO2-Ausstoß verringern und sicherstellen können, dass das Pariser Klimaabkommen von 2015 auch umgesetzt wird. Anika Schroeder vom katholischen Entwicklungshilfswerk Misereor ist vor Ort.
Zum Nachhören

Vatican News: Die Weltklimakonferenz findet bereits zum 25. Mal statt. Doch noch immer steigen die weltweiten CO2-Emissionen. Wird diese Klimakonferenz daran etwas ändern?

Anika Schroeder: Die Weltklimakonferenz hier ist darauf angelegt, einen internationalen Rahmen zu schaffen, wie die einzelnen Beiträge zum Klimaschutz, aber auch zur Anpassung und Finanzierung von Entwicklungsländern gemeinsam verglichen werden können und wie gemeinsame Kooperationen aussehen können.

„Es ist so wichtig, dass Menschen mehr Aktionen von ihren Regierungen fordern“

Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Bereitschaft von Industrienationen, Geld auf den Tisch zu legen, sind Entscheidungen, die zu Hause fallen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Menschen in allen Ländern dieser Welt im Moment auf die Straße gehen und mehr Aktionen von ihren Regierungen einfordern.

Vatican News: Ein wichtiges Thema ist der sogenannte Artikel sechs, der derzeit verhandelt wird. War er schon Thema? Er könnte ja zulassen, dass Staaten sich sozusagen mit CO2-Zertifikaten „freikaufen“ können, wenn sie nicht mehr im eigenen Land die C02-Emissionen sparen, sondern das ins Ausland verlagern...

Schroeder: Ja, es würde dazu führen, dass große Klimaschutzsünder ihre Klimaschutzverpflichtungen auch in anderen Ländern umsetzen können. Das ist unter scharfen Regeln erstmal gar kein Problem. Aber gegen scharfe Regeln richten sich hier viele Staaten. Brasilien möchte zum Beispiel, dass wenn Deutschland ein Klimaschutzprojekt in Brasilien umsetzt, Brasilien das auch aufs eigene Klimaschutzkonto anrechnen kann. Dann wäre diese Klimaschutzleistung doppelt angerechnet. Das ist natürlich totaler Blödsinn und totale Schönfärberei. Das müssen wir hier unbedingt verhindern.

An der Weltklimakonferenz in Madrid nehmen auch viele junge Menschen teil,
An der Weltklimakonferenz in Madrid nehmen auch viele junge Menschen teil,

Vatican News: Würden Sie sagen, dass das Grundproblem auch hier ist, dass Menschen unsere Erde zwar schützen wollen, aber an ihrem eigenen Lebensstil im eigenen Land nichts verändern wollen?

Schroeder: Ich glaube, die Menschen haben die Bereitschaft, ganz viel zu ändern. Wir haben erkannt, dass wir wirklich in einer Krisensituation sind. Gleichwohl hat die Politik Angst, hier einen starken Rahmen zu setzen, weil die Klimaschutzbemühungen dazu führen könnten, dass sich mehr Menschen in die extreme Rechte treiben lassen, weil sie nicht einsehen, dass sie in ihrem eigenen Handeln mehr zahlen für den Klimaschutz.

„Wir haben erkannt, dass wir in einer Krisensituation sind“

Deshalb ist es so wichtig, dass wir diesen Klimaschutz – wenn wir ihn wirklich ernst meinen – aufrichtig gestalten, dass wir einen Preis auf C02 in Deutschland einführen und dass dieses Geld genutzt wird und in die Haushalte fließt, die einen geringen C02-Fußabdruck haben. Das sind auch die ärmsten Haushalte, die eben nicht in den Urlaub fliegen oder ein großes Auto vor der Tür haben und sehr wenig kaufen.

Vatican News: Laut Oxfam fliehen bereits jetzt 20 Millionen Menschen pro Jahr aufgrund des Klimawandels. Ist das ein Thema in Madrid, dass der Klimawandel besonders die Ärmsten trifft?

Schroeder: Ja, das ist ein Thema, das hier in allen Fluren, Gängen und in allen Sitzungen immer wieder auf die Tagesordnung kommt. Die Entwicklungsländer sind am meisten betroffen, die unter der Armutsgrenze leben oder zukünftig in Armut fallen – durch zunehmende Naturkatastrophen zum Beispiel. Das ist hier also Thema, politisch adressiert wird es aber noch nicht.

Diese Entwicklungsländer kämpfen dafür, dass sie endlich auch Unterstützung bekommen, um mit den zunehmenden Schäden und Verlusten klar zu kommen: Im Pazifik werden Staaten verloren gehen, große Landflächen werden im Meer versinken, andere Regionen dieser Welt werden dem Bürgerkrieg verfallen. Da reicht es nicht, einfach zu sagen: Jaja, wir haben erkannt, dass das hier ein Problem ist, da muss auch Unterstützung auf den Tisch.

Vatican News: Gibt es hier auf der Weltklimakonferenz noch Menschen, die behaupten, den Klimawandel gäbe es gar nicht und die das Engagement von Greta Thunberg und anderen jungen Menschen lächerlich machen? Wenn ja, was sagen sie denen?

Schroeder: Hier auf der Klimakonferenz bestreitet niemand, dass es den Klimawandel gibt. Das würden auch Unternehmen, die sonst vielleicht in die Richtung arbeiten, hier auf diesem Forum nicht tun. Das tun sie zunehmend nur noch im Verborgenen.

Es gibt natürlich viele, die das Engagement der Jugend sehr betonen, aber es auch belächeln. Wir haben gestern mit Jugendvertretern der Katholischen Landjugend in Deutschland gesprochen, die uns gesagt haben: „Wir werden überall eingeladen. Man nimmt uns irgendwie wahr, aber wenn wir dann da sind, haben wir meist kein Rederecht, und wenn dann nur zwei Minuten.“ Reagieren oder sich zurückmelden – das tut dann auch niemand.

„Jetzt erst recht“

Vatican News: Sehr schade. Donald Trump hat seine Drohung wahrgemacht. Die USA sind aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Wie ist da die Stimmung auf der Klimakonferenz?

Schroeder: Scheinbar herrscht die Hoffnung vor, dass eine neue Regierung ins Feld zieht und das wieder ändert. Immerhin sind die USA noch nicht raus, das können sie erst mit Ende des kommenden Jahres. Man wird sehen, ob sich das verändert. Insgesamt zeigt sich die Weltgemeinschaft sehr unbeeindruckt und reagiert eher mit einem „Jetzt erst recht!“.

Vatican News: Vielen Dank für diese Einschätzung direkt aus Madrid.

Die Fragen stellte Ines Schaberger.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

04. Dezember 2019, 14:27