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Das Atom-Mahnmal Bomb Dome in Hiroshima Das Atom-Mahnmal Bomb Dome in Hiroshima

Hiroshima-Überlebende vor Papstbesuch: „Das Leben ist wertvoll“

Toshiko Tanaka hat die Atombombe auf Hiroshima im August 1945 als kleines Mädchen überlebt. Heute wird sie nicht müde, sich für den Frieden einzusetzen. Im Gespräch mit Radio Vatikan erinnert sich die japanische Künstlerin an ihre Begegnung 1981 mit Johannes Paul II. – und blickt freudig dem Besuch von Papst Franziskus in ihrer Stadt entgegen.

Antonella Palermo und Christine Seuss - Vatikanstadt

Die Kunst ist ihr Ventil geworden, den Tod, dem sie ins Auge geblickt hat, mit Leben zu überwinden. 81 Jahre ist Toshiko Tanaka heute alt und teilt ihre Erinnerungen an ihre zerbombte Kindheit mit Radio Vatikan – ohne jedoch die Hoffnung zu verlieren. Während der Reise, die der Papst aus Polen im Jahr 1981 nach Japan unternahm, hatte sie die Gelegenheit, ihm eines ihrer Werke zu schenken. Eine Begegnung, die eine Gelegenheit zur Wiedergeburt darstellte…

Zum Nachhören

„An diesem Tag des Jahres 1945 war ich sechs Jahre und zehn Monate alt. Ich besuchte die Grundschule. Bis eine Woche vor dem Atombombenabwurf wohnte meine Familie 500 Meter vom späteren Epizentrum entfernt. Die Behörden hatten uns damals aufgefordert, umzuziehen, um den Weg für einen Brandschutzkorridor freizumachen. Wir sind deshalb bei Verwandten untergekommen, etwa zwei Kilometer entfernt.“

Doch auch die zwei Kilometer, die Toshiko und ihre Familie vom Epizentrum des Atombombenabwurfs trennten, waren nicht genug, um schwerste Verletzungen zu vermeiden: „Ich habe schwere Verbrennungen erlitten, aber wenigstens habe ich überlebt. Dieser durch die Vorsehung gefügte Umzug nur wenige Tage vor der Katastrophe hat mein Leben gerettet. Von meinen Freunden und Schulkameraden fanden sich jedoch nicht einmal mehr Knochensplitter“, fasst die mittlerweile betagte Künstlerin die Dramatik der direkt auf den Bombenabwurf folgenden Momente knapp zusammen.

„Als wären tausende Glühbirnen auf einmal durchgebrannt“

Doch all die Jahre konnten die Erinnerung an den Moment, als die Bombe in so unmittelbarer Nähe ihres angestammten Wohnortes einschlug, nicht auslöschen: „Um 8.15 Uhr an diesem Morgen war ich auf dem Weg in die Schule. Jemand schrie: B 29! (Das amerikanische Flugzeugmodell, das für den Transport von Bomben genutzt wurde, Anm. d. R.) Ich blickte nach oben und sah ein grelles Licht, als wären tausende Glühbirnen auf einmal durchgebrannt. Ich war total geblendet, alles wurde weiß. Ich bedeckte mein Gesicht, aber auf einmal brannte mein rechter Arm, mein Rücken, alles. Erst war alles weiß und dann schwarz.“

Die totale Dunkelheit, die folgte, wurde durch einen Sandsturm und eine unerträgliche Druckwelle durchbrochen, durchlebt Toshiko die dramatischen Momente noch einmal. „Die Sonne war komplett verdeckt. Die Druckwelle schleuderte mich zurück. Mein Mund war voller Staub. Ich verstand überhaupt nichts. Mein rechter Arm schwoll an. Ich verspürte fürchterliche Schmerzen. Ich wollte nach Hause laufen, aber fast nichts  stand mehr.” Erst nach einer Weile gelang es ihr, durch ein zerstörtes Hausdach wieder den blauen Himmel auszumachen… „Dieser blaue Himmelsabschnitt hat mich als Hoffnungszeichen mein ganzes Leben lang begleitet. Noch heute, in meinem Alter, gibt dieses Bild mir Mut. Jetzt gelingt es mir, gut zu leben, dank dieses Bildes.“

„Es gelang mir nicht einmal, meinen Kindern das zu erzählen, was ich erlebt habe“

Toshiko Tanaka ist Buddhistin, doch bei der Überwindung dieses Traumas habe ihr vor allem die Kunst geholfen, vertraut sie uns an. Es sei ihr allerdings nie gelungen, auch den brutalen Teil der Bombenexplosion in ihren Bildern darzustellen: „Die Anspielungen auf die Tragödie sind implizit, intutiv. Es gelang mir nicht einmal, meinen Kindern das zu erzählen, was ich erlebt habe. Ich war sprachlos. Die anderen Überlebenden, das wurde mir mit den Jahren klar, hatten dieselbe Blockade.“

Sie selbst schaffe zeitgenössische Kunst, die sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließe, erläutert Toshiko. Doch als sie die Gelegenheit hatte, Johannes Paul II. eines ihrer Werke zu überreichen, habe er die Botschaft „instinktiv“ und sofort begriffen, ohne jede Erklärung. „Dadurch hat sich mein Stil verändert, ich habe in meine Werke Botschaften des Friedens und gegen Nuklearwaffen eingebaut. Und doch empfand ich über all die Jahre fast so etwas wie Schuldbewusstsein gegenüber all meinen Kameraden, die ums Leben gekommen sind, was es mir schwer gemacht hat, darüber zu sprechen.“ 

„Den Tod erzählen, aber auch Leben und Hoffnung“

2008 sei sie Mitglied der Mannschaft von „Peace Boat“ geworden, einer japanischen NGO, die mit Passagierschiffen die Welt bereist und dabei internationale Sensibilisierungsprojekte zu Frieden, Nachhaltigkeit und atomarer Abrüstung betreibt, erzählt Toshiko. Auf einer Reise durch Lateinamerika habe sie erkannt, dass sie ihre Geschichte – auch auf internationalem Parkett - erzählen müsse. „In mir erwuchs so, auch gegenüber den Opfern, die Verantwortung des Erzählens. Den Tod erzählen, aber auch Leben und Hoffnung. Ich habe mein Haus umgebaut, um allen Platz zu bieten, die meine Erfahrungen anhören wollen. Es ist eine kleine persönliche Aktion, die ich durchführe, um den Frieden zu fördern, ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Vereinigung.“

Mit dem Besuch des Papstes verbinde sie vor allem eines: Hoffnung: „Die Gefahr nuklearer Waffen ist immer noch sehr groß. Ich möchte seine Botschaft für uns hören. Es sind viele Jahre vergangen, es braucht eine neue, starke Friedensbotschaft. Ich wünsche mir, in der Ermutigung bestätigt zu werden. Ich hoffe sehr auf Worte, die den Sinn des Lebens ins Bewusstsein rufen. Das Leben ist wertvoll, und das wiederhole ich mit großer Leidenschaft.“

(vatican news - cs)

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23. November 2019, 10:16