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Demonstranten fordern am 11. September 2018, dem inoffiziellen katalanischen Nationalfeiertag, „Independencia“, also Unabhängigkeit Demonstranten fordern am 11. September 2018, dem inoffiziellen katalanischen Nationalfeiertag, „Independencia“, also Unabhängigkeit 

Spanien: Katalonien-Konflikt droht auch Kirche zu spalten

Der Sezessionsstreit in Katalonien erhitzt immer noch die Gemüter: Für Mittwoch werden neue Massendemonstrationen erwartet. Über die Rolle der katholischen Kirche ist man sich im Klerus nicht einig. Während einige Partei ergreifen, fordern andere Neutralität und sprechen sich für die Kirche als Vermittlerin aus.

Hunderttausende Katalanen werden am Mittwoch in Barcelona erneut für ein Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ihrer Region auf die Straßen gehen. Bis zu 1,5 Millionen Menschen werden zu dem Protestmarsch erwartet. Er findet jährlich am 11. September anlässlich des inoffiziellen katalanischen Nationalfeiertags („Diada“) statt. Organisiert wird die Massendemo mit Unterstützung der Regionalregierung. Auch ein bedeutender Teil des katalanischen Klerus beteiligt sich an der Mobilisierung.

Zahlreiche Bischöfe und Priester riefen in den vergangenen Tagen und Wochen in Gottesdiensten und öffentlichen Stellungnahmen dazu auf, am Demonstrationszug teilzunehmen. Katalonien sei eine Nation und habe das Recht, seine Zukunft selbst zu bestimmen, erklärt etwa Josep Maria Soler, Abt des Klosters von Montserrat. „Das Selbstbestimmungsrecht ist ein Grundrecht“ und „Wir sollten den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit zumindest kennen“: Mit diesen Worten sprach sich auch Francesc Pardo, Bischof von Girona, für eine Volksbefragung über eine mögliche Abspaltung von Spanien aus.

Immer mehr Geistliche ergreifen Partei

Viele Geistliche gingen in den Sonntagspredigten auf eine besonders heikle Situation in diesem Jahr ein: die der „politischen Gefangenen“, wie einige der bekanntesten Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung genannt werden. Mitte Oktober soll in Madrid das Urteil im Prozess gegen die Mitstreiter des ehemaligen Regierungschefs von Katalonien, Carles Puigdemont, verkündet werden.

Ihnen wird wegen der Abhaltung eines nicht von der Zentralregierung genehmigten Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 unter anderem Rebellion, Veruntreuung öffentlicher Gelder und ziviler Ungehorsam vorgeworfen. Einigen Angeklagten wie dem damaligen katalanischen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras drohen bis zu 25 Jahre Haft. Puigdemont selbst steht nicht vor Gericht, da er nach dem Referendum nach Belgien ins Exil geflohen ist. Die meisten Angeklagten sitzen seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft, darunter auch Carme Forcadell, ehemalige Präsidentin des katalanischen Parlaments sowie mehrere Ex-Minister.

Xavier Novell, Bischof von Solsona, gilt als dezidierter Befürworter des Unabhängigkeitsreferendums. Er kritisierte die lange U-Haft jüngst als „völlig überzogen“. Dies entspreche einer „Vorverurteilung“. Bischofskollege Pardo äußerte sich am Wochenende ähnlich: „Denjenigen, die die Konsequenzen auf sich nahmen, damit Katalonien sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann, gehört mein voller Respekt. Ich kann aber kaum mehr tun, als für sie und ihre Familien zu beten.“ Eigentlich versucht die katholische Kirche in der Regel, sich aus derlei politischen Konflikten herauszuhalten. Die Unabhängigkeitsfrage erhitzt die Gemüter aber derart, dass immer mehr Geistliche Partei ergreifen.

Graben zieht sich auch durch Klerus

In Katalonien ist die Gesellschaft in zwei fast gleichstarke Lager gespalten. Laut einer aktuellen Umfrage des katalanischen Meinungsforschungsinstituts CEO fordern derzeit 44 Prozent eine Abspaltung von Spanien, 48 Prozent wollen Spanier bleiben. Der Graben zwischen beiden Lagern scheint unüberbrückbar zu sein. „Dieser Graben zieht sich auch durch den katalanischen Klerus“, sagte Sozialwissenschaftler Oriol Bartomeus der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur.

Barcelonas Erzbischof, Kardinal Juan Jose Omella, ruft derweil dazu auf, die Kirche solle die „Rolle des Vermittlers“ zwischen den zerstrittenen Lagern einnehmen. Das fordert ebenso Kardinal Ricardo Blazquez. Der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz sagt aber auch: „Die Gesetze und die spanische Verfassung müssen eingehalten und respektiert werden.“ Und in diesem Punkt ist die spanische Verfassung klar: Sie garantiert die Einheit Spaniens und sieht kein Recht auf Sezession vor.

So kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen der Spanischen Bischofskonferenz und dem nicht unbedeutenden separatistischen Flügel innerhalb der katalanischen Kirche, dem mindestens 400 Priester, Bischöfe und Ordensleute angehören. Der Wunsch vieler Katalanen nach Unabhängigkeit spaltet die Gesellschaft wie die Kirche. Sollten die Separatistenführer Mitte Oktober schuldig gesprochen werden, dürfte sich die Lage weiter zuspitzen.

(kap/kna – tg)

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10. September 2019, 16:08